Udo geht zum Klassentreffen. Zu Udo Lindenberg: „Da war so viel los“
25. Januar 2016 2 Kommentare
Udo Lindenberg Da war so viel los Plötzlich bin ich wieder der kleine Junge ganz spitz auf Lakritz für den eine Expedition zum nächsten Block weit wie 'ne Reise nach China ist der kleine Robinson Crusoe auf Entdeckungstour meiner Mutter Hermine missfielen die Onkel-Doktor-Spiele und meine Schwäche für Whisky pur ich seh' July Müller, meine erste Liebe mein Herz knallte los wir wollten heiraten, doch dann kam Jan von nebenan und ich verliebte mich in Rennautos Da war so viel los das Leben bestand ausschließlich aus Sensationen und jeder Tag brachte jede Menge phantastische Situationen Einmal sind wir losgezogen wir suchten das Ende vom Regenbogen da war schwer was los... Und dann in der Schule hatte keiner Bock auf Mathe lieber ging man stolz mit 'ner Zigarette zum Schwindeligwerden auf die Toilette Gerne quälten wir auch manche Lehrer die wurden sowieso immer unfairer einen haben wir so fertiggemacht der hat sein ganzes Gehalt zum Psychiater gebracht [Kinder:] Also ich werd' später Löwenbändiger Ach nee, das is' viel zu gefährlich da wird man ja gefressen ich werd' lieber Kaugummifabrikant Ich find' das besser: Taucher Ich werd' lieber Pop-Star Das find' ich alles ganz doof, ich mach 'nen Zirkus auf Ich werd' später Testpilot Und ich Filmstar in Hollywood Letzte Woche war ein Klassentreffen da sah ich sie wieder die missglückten Helden, die jetzt Beamte sind die Bonnies und Clydes von früher jetzt als Herr und Frau Bieder die Power von damals ist leider hin und Fritz der Cowboy wurde nur Manager bei der Müllabfuhr... [Benjamin von Stuckrad-Barre u. Moritz von Uslar (Hg.): Am Trallafitti-Tresen. Das Werk von Udo Lindenberg in seinen Texten. Herausgegeben und ausführlich besprochen. Hamburg: Europäische Verlangsanstalt 2008, S. 19f. Vgl. auch www.udo-lindenberg.de.]
Keine Panik, dies wird nicht die Besprechung eines der üblichen, bekannteren Songs von Udo Lindenberg: Rudi Ratlos, Andrea Doria, Alles im Lot auf dem Riverboat … oder von neueren: Hinter dem Horizont, oder aus seiner mittleren Phase: Sonderzug nach Pankow. Auch das „Emblemwort“ (Matthias Matussek in seiner Laudatio auf Lindenberg anlässlich der Verleihung des „Jacob Grimm Preises Deutsche Sprache“ am 23.10.2010, in: Helmut Glück et al. (Hg.): Kulturpreis Deutsche Sprache 2010, S. 35.) Panik soll hier nicht wieder vorkommen. Allzu leicht ließe sich eine Rezension aus Versatzstücken der Lindenbergschen Neologismen, Phrasen und Stereotypen zusammensetzen. Darum aber geht es nicht. Also: Alles easy.
Vielmehr wurde bewusst ein Song ausgewählt, der ebenso typisch für den Lindenberg der 1970er ist, wie er gleichwohl weitgehend unbekannt sein bescheidenes Dasein fristen dürfte. Das Lied steht im Schatten anderer und wurde an 4. Stelle auf der LP Votan Wahnwitz von 1975 veröffentlicht. Dies war die erste Platte von Udo Lindenberg, die ich mir gekauft habe. Sie fand sogleich bei Klassenkameraden großen Anklang. Und das lag nicht unbedingt an dem Frontcover, das einen gut gefönten, im Dirigentenfrack richtig „serriös“ daher kommenden, aber noch jung und unverbraucht aussehenden Udo zeigt. Es lag vielleicht an der Ironie, mit der dies (halbe) Konzeptalbum sich über „serriöse Lieder“ lustig machte und sie zugleich dem jugendlichen Publikum nahebrachte.
Konzeptalben waren damals en vogue. Genesis, Pink Floyd und Queen waren unter Gymnasiasten sehr angesagt. Lindenberg ermöglichte uns, ohne rot zu werden, deutsche Musik zu hören: Es mochte also auch an der Professionalität der Musik gelegen haben, die in „Super-Besetzung“ mit „Thomas Kretschmer und Helmut Franke (Gitarra forte), Gottfried Böttger (Piano forte), Steffi Stephan (Basso Fantastico), Keith Forsey, Dieter Arendt und Udo Lindenberg (Schlagzeugo Bombastico)“ und unterstützt von Inga Rumpf, Elly Pirelli, Peter Herbolzheimer mit seinem „Dixieland-Gebläse“ und weiteren dargebracht wurde.
Vor allem aber, so meine bald empirisch erhärtete These, lag es an der Cellistin mit den riesigen Brüsten, die nackt zwischen den befrackten Orchestermusikern einen geigte – d.h., eigentlich spielte sie kein Cello (letzteres hatte sie nämlich schon auf der Andrea Doria von 1973), sondern Bass-Geige. Und um die Verwirrung komplett zu machen, zitierte Udo L. sie im 1. Song der Platte als „Sopran-Vokalistin mit den riesigen Brüsten“. Der Meister selbst lag der Cellistin/Geigerin/Sopran-Vokalistin im Rocker-Outfit mit Lederjacke, Jeans, aber auch Lackschuhen und Gamaschen zu Füßen – so wie vermutlich alle meine Klassenkameraden. Das wiederum fanden unsere Eltern – ich lebte im katholischen, ursprünglich einmal kur-kölnischen Sauerland – nicht unbedingt erziehungsförderlich. Ein Kumpel, dem ich die Platte geliehen hatte, bekam sie von seinem Vater verbal – man war noch höflich genug, fremdes Eigentum nicht zu beschädigen – mit den Worten „Was ist denn das für eine Schweinkram-Platte“ um die Ohren gehauen. Ich traute mich danach für längere Zeit nicht mehr in das Haus seiner Eltern.
Und damit sind wir schon im Song, der den poetischen Lindenberg zeigt; einen Lindenberg, der genau beobachten konnte und seine textlich teils skurrilen, teils schönen Bilder musikalisch präzise und passend komponierte, instrumentierte und spielte; einen Lindenberg, der noch nicht zur Paraphrase seiner selbst geworden war. Das Lied schlug, ohne dass mir das damals schon im Detail bewusst war, die Brücke zwischen dem Gestern, dem Jetzt und dem Morgen. Es drückte Hoffnungen und deren Desillusionierung genauso aus wie Energie und Zweifel.
Zur Rahmenhandlung: Udo L. kommt gerade mit Daniel Düsentrieb aus der Zukunft. Genauer, er kommt aus dem „Automaten-Bordell“. Was ihn zu dem verzweifelten Ausbruch veranlasst hatte: „Oh Daniel, oh Daniel, lass uns abhau’n – und zwar schnell!“ Auch so ein Spruch, den wir Pennäler sofort übernahmen. Daniel Düsentrieb – jedem Jugendlichen der damaligen Zeit bekannt, denn er war der sprichwörtlich gewordene Erfinder aus Entenhausen – hatte eine Zeitmaschine erfunden: Daniel’s Zeitmaschine. Ob er auf diese ein Patent hält, ließ sich auch in seiner Erfinder-Werkstatt nicht überprüfen. Die Werkstatt steht im Erika Fuchs Haus – Museum für Comic und Sprachkunst in Schwarzenbach an der Saale, das ich zu Recherchezwecken unlängst besucht habe. (1. Nebenbemerkung: Es ist ein Skandal, dass Daniel Düsentrieb kein Patent für seine Schwarzlichtlampe zugesprochen bekam, mit der man durch Knopfdruck hell erleuchtete Räume verdunkeln kann. 2. Nebenbemerkung: Der Song „Daniel’s Zeitmaschine“, der dem hier zu besprechenden voransteht, weist schon den sächsischen Genitiv auf, der unter heutigen jungen Menschen sich so großer Beliebtheit erfreut, dass er überall Verwendung findet; insbesondere dort, wo er nicht hingehört.)
Daniel’s Zeitmaschine war in Pink Floyd-Manier mit Maschinengeräuschen und Elektro-Rhythmen unterlegt. Ohne Pause setzt das nächste Lied ein: „Plötzlich bin ich wieder der kleine Junge“, man hört zunächst nur eine harmonisch gespielte Akustik-Gitarre mit dem zurückhaltenden Beat eines dezenten Schlagzeugs: Die Zeitmaschine ist in der Vergangenheit, in Udos, aber auch in meiner eigenen, angekommen. „[G]anz spitz auf Lakritz“ – das ist so eine typische Lindenbergsche Reimfigur. Schnell wurde sie sprichwörtlich. Sie enthielt eine doppelte Botschaft: Einerseits und offensichtlich wurde die Neigung von Kindern zu Süßigkeiten angesprochen. Andererseits und versteckt, enthielt das Wort „spitz“ schon eine Anzüglichkeit, die erst in den übernächsten Zeilen verständlicher wird: „Spitz“ war damals eine Vokabel, die dem heutigen „geil“ entsprach. Zunächst in des Wortes engerer Bedeutung als Anspielung auf Sexuelles, darüber hinaus aber auch als Vokabel der Bewunderung, des Superlativs. Immerhin waren die 1970er auch die Zeit Hans „Hänschen“ Rosenthals, der in Dalli, Dalli – was noch ironiefrei und voller Bewunderung geschaut werden durfte – sich selbst zum Narren machte, wenn er in die Luft sprang, mit einem Höhepunkt damaliger Fernsehtechnik für einen Moment eingefroren wurde und dabei ausrief: „Das war … Spitze!“
Mit „ für den eine Expedition zum nächsten Block / weit wie ’ne Reise nach China ist / der kleine Robinson Crusoe / auf Entdeckungstour“ beginnt die Welteroberung, auf die jeder junge Mensch – wortwörtlich und im übertragenen Sinn – aus ist. Der beschriebene Junge ist offensichtlich noch recht klein, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt. Alles ist aufregend, die Welt einerseits überschaubar, andererseits fallen ihm schon Grenzen auf, die es nur, weil sie existieren, zu erkunden gilt. Die Maßstäbe sind noch nicht die der Erwachsenen. In den nächsten Zeilen entwickelt sich das Lied zu einer eigenen Zeitreise: „[M]einer Mutter Hermine missfielen / die Onkel-Doktor-Spiele“, da mag Udos jüngeres Ich vielleicht noch im gleichen Alter wie soeben sein. Nicht überliefert ist, was sein Vater Gustav dazu sagte, der immerhin die nächste Vorliebe geteilt haben soll: „und meine Schwäche für Whisky pur“.
Die vorherigen Zeilen lassen sich auch auf erste sexuelle Erfahrungen umdeuten, die dann wohl den älteren, pubertierenden Jugendlichen andeuten. Klarer wird das mit „ich seh‘ July Müller, meine erste Liebe / mein Herz knallte los / wir wollten heiraten“. Das passt nicht mehr zu dem kleinen Kind, aber schon gut zu einem Jungen in der Pubertät. Aber die Regression in kindliche Verhaltensmuster ist noch immer und jederzeit möglich: „doch dann kam Jan von nebenan / und ich verliebte mich in Rennautos.“ Die Zeilen über July Müller sind mit etwas Hall unterlegt, der Bass wird vernehmlicher. Lindenberg verdeutlicht die Schwärmerei seiner Erinnerungen auch musikalisch. Das unterstreicht der Wechsel der Tonlage – immer in Moll – ebenfalls. (Ich danke Michael Wild für seine Hinweise zu Tonart und -lage.)
Etwas rockiger und wieder in der ersten Tonlage geht es weiter: „Da war so viel los / das Leben bestand ausschließlich aus Sensationen / und jeder Tag / brachte jede Menge phantastische Situationen / Einmal sind wir losgezogen / wir suchten das Ende vom Regenbogen / da war schwer was los … (dadadada die dada …).“ Die Welteroberung wird energischer, zugleich ist der Junge immer noch romantisch; Illusionen, die einem Kind noch nicht als solche erkennbar sind, werden wörtlich genommen. Dass der Regenbogen kein Fundament hat, lässt sich vom kindlichen Standpunkt aus noch nicht erkennen. Die gesummten Silben am – dem Regenbogen ähnlichen – auslaufenden Ende werden nicht mehr von einer E-Gitarre, sondern wieder von einer ruhigen Akustik-Gitarre begleitet und leiten zur nächsten Szene über.
Musikalisch kehrt der Song zu seinem Auftakt zurück. Zwei typisch scheppernde Lindenberg-Reime verdeutlichen die allgemeine Erfahrung schulischer Unlust: „Und dann in der Schule hatte / keiner Bock auf Mathe / lieber ging man stolz mit ’ner Zigarette / zum Schwindeligwerden auf die Toilette“. Der leichte Hall unterstreicht die Ferne der Erinnerungen an Zeiten, in denen man sich auch über üble Streiche selber finden musste: „Gerne quälten wir auch manche Lehrer / die wurden sowieso immer unfairer / einen haben wir so fertiggemacht / der hat sein ganzes Gehalt zum Psychiater gebracht.“ Wie in Comics wird hier die Grausamkeit, zu der Jugendliche fähig sind, übertrieben und zugespitzt. Stanley Kubrick hatte sie annähernd zeitgleich in Clockwork Orange wesentlich drastischer inszeniert.
Dann folgt ein Zwischenspiel auf dem Schulhof mit im Wechsel gesprochenen Texten. 1. Junge: „Also ich werd‘ später Löwenbändiger“; 2. Junge: „Ach nee, das is‘ viel zu gefährlich / da wird man ja gefressen / ich werd‘ lieber Kaugummifabrikant“: 3. Junge: „Ich find‘ das besser: Taucher“; 4. Junge: „Ich werd‘ lieber Pop-Star“; 5. Junge: „Das find‘ ich alles ganz doof, ich mach ’nen Zirkus auf“; 6. Junge: „Ich werd‘ später Testpilot“. Nach dem Wechselsprechen der Jungen, singt ein Mädchen, sich mit Kopfstimme in die Höhe schraubend: „Und ich Filmstar in Hollywood“.
Die Dialoge sind mit Schulhofgeräuschen und dezenter musikalischer Begleitung unterlegt. Sieben Kinder träumen ihre Zukunft: Die Sprecher tönen abwechselnd aus dem rechten und dem linken Kanal. Die Kanalwechsel betonen das Dialogische der Szene. Die Zukunftserwartungen der Schüler sind teils noch sehr kindlich (Löwenbändiger, Zirkus, Kaugummifabrikant), teils pubertierend (Popstar), teils abenteuerlustig (Taucher und Testpilot).
Der „Pop-Star“ adressiert wohl eher die Jugendlichen der 1970er Jahre, als dass sich Lindenberg damit an die eigene Jugend erinnert hätte. Damals, in den 1950er Jahren, hätte er wohl eher davon geträumt, „Rock’n’Roll-Star“ zu werden. Jedoch ist der Sänger von 1975 „ein Pop-Star“. Im vorherigen Lied Daniel’s Zeitmaschine gefällt ihm das nicht. Denn in der „Gegenwart war ich gerade ein Popstar und der Job ist mir zu hart“. Darum flieht er mit Daniel in die Vergangenheit. So kontrastiert Lindenberg hier wohl jugendliche Träumereien mit der harten Wirklichkeit.
Der Testpilot und die angehende Filmdiva streben nach Höherem: Er wortwörtlich, sie im übertragenen Sinne. Lindenbergs Arrangement unterstreicht das doppelte Streben auch musikalisch. Mit der sphärisch anhebenden Gitarre mochte man einen abhebenden Jet assoziieren. Die große Zeit der Mondlandungen war schon passee, Testpiloten umgab aber immer noch die Aura der realen Superhelden.
Schritt die bisherige Zeitreise eher gemächlich dahin, und vielleicht auch immer wieder einen Schritt vorwärts und einen zurück, landet die Düsentriebsche Maschine mit Lindenberg an Bord wieder in der Gegenwart: „Letzte Woche war ein Klassentreffen / da sah ich sie wieder“. Eine verzerrte E-Gitarre unterlegt die zerbrochenen Träume der Jugend: „die missglückten Helden, die jetzt Beamte sind“. Statt Romantik und Abenteuer hat die Realität einer bürgerlichen Existenz mit stinknormalen Jobs die Kinder und Jugendlichen von ehedem eingeholt: „die Bonnies und Clydes von früher / jetzt als Herr und Frau Bieder“. Faye Dunaway und Warren Beatty hatten unverschämt gut aussehend dem Verbrecherpaar der Prohibitionszeit romantisches Flair, Sexappeal und Eleganz verliehen. Doch leider: Der Zahn der Zeit nagt, so könnte man kalauern, auch am steilsten Zahn: „[D]ie Power von damals ist leider hin“. Die letzte Zeile vermag den Kontrast zwischen hoffnungsvoller Erwartung und Enttäuschungen nicht mehr zu steigern: „und Fritz der Cowboy wurde nur / Manager bei der Müllabfuhr …“.
Die Tristesse der Klassentreffen kann nur noch beklagt werden. Mit einer elegischen E-Gitarre, David Gilmour-ähnlich gespielt, klingt das Lied aus. Hier zitiert Lindenberg sich selbst. Das traurige Lied vom Seemann, den nichts umhaut – auf Andrea Doria – endet ähnlich klagend.
Der Song ist Lindenberg-typisch. Zum einen haben nicht wenige seiner Lieder autobiografische Züge. Zum anderen ist Eskapismus der basso ostinato etlicher Texte. Manche Songs thematisieren die Fluchten eher indirekt: mittels Drogen und Alkohol; andere sehr direkt, sei es durch den jugendlichen Ausreißer (Er wollte nach London) oder den Malocher aus dem Ruhrgebiet, der „tat nun etwas, was sonst eher selten geschieht“. Die Zeitreisemaschine ermöglicht Fluchten in eine andere Dimension.
Wie jede gute Poesie enthält der Text neben Passagen, die nur (oder zumindest besser) aus der Entstehungszeit heraus verstanden werden können, auch solche von überzeitlicher Gültigkeit. Exakt beobachtend hat Lindenberg Erfahrungen skizziert, die beinahe jeder Erwachsene hat machen müssen. Aber schon einem Schüler, wie mir damals, mochte der Ausblick auf die damals noch ferne Zukunft der Klassentreffen plausibel erscheinen. Immerhin war man ja alt genug, um die Welt der Erwachsenen als Ausblick auf die eigene Zukunft zu begreifen. Das Lied erzählte die ganze bisherige Lebensgeschichte eines typischen jungen Erwachsenen jener Jahre. Es mangelte uns Jugendlichen noch an den Erfahrungen, die einen realistische von eher unrealistischen Erwartungen unterscheiden ließen. Zugleich war es diese mangelnde Erfahrung, die den Aufbruchwillen stets antrieb. Das kleidete Lindenberg in teils poetische, teils etwas scheppernde Formulierungen.
Seine Musik unterlegte den Text mit Ideen, die schon damals für mindestens fünf schlichtere Songs gereicht hätten. Lindenbergs deutsche Rockmusik besaß Niveau war international durchaus anschlussfähig. Sicherlich besitzt das Lied nicht die Wucht der Mini-Oper von Queen’s Bohemian Rhapsody aus dem gleichen Jahr 1975; aber der Song ist immer noch deutlich mehr als nur ein musikalisches Stillleben.
Rudolf Stöber, Bamberg
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Eine sehr gute Liedtextbesprechung – danke dafür.