Deutsche „Katjuscha“-Versionen in Zeiten des Friedens und des Krieges

Katjuscha (freie Übersetzung von Alexander Ott, 1949)  

1.Leuchtend prangten ringsum Apfelblüten,
still vom Fluß zog Nebel noch ins Land;
durch die Wiesen kam hurtig Katjuscha
zu des Flusses steiler Uferwand.

2.Und es schwang ein Lied aus frohem Herzen
jubelnd, jauchzend sich empor zum Licht,
weil der Liebste ein Brieflein geschrieben,
das von Heimkehr und von Liebe spricht.

3.Oh, du kleines Lied von Glück und Freude,
mit der Sonne Strahlen eile fort.
Bring dem Freunde* geschwinde die Antwort,
von Katjuscha Gruß und Liebeswort!

4.Er soll liebend ihrer stets gedenken,
ihrer zarten Stimme Silberklang.
Weil er innig der Heimat ergeben**,
bleibt Katjuschas Liebe ihm zum Dank.

5.Leuchtend prangten ringsum Apfelblüten;
still vom Fluss zog Nebel noch ins Land.
Fröhlich singend ging heimwärts Katjuscha,
einsam träumt der sonnenhelle Strand.

* im russ. Original:  Krieger, Kämpfer, Grenzsoldat; ** er soll die Heimat schützen.


Katjuscha (Umdichtung vom Julia Kossmann, 2022)

1.Leuchtend prangten ringsum Apfelblüten,
still vom Fluss zog Nebel noch ins Land;
durch die Wiesen kam traurig Katjuscha
zu des Flusses steiler Uferwand.

2.Und es schwang ein Lied aus schwerem Herzen
unter Tränen sich empor zum Licht,
weil der Liebste ein Brieflein geschrieben,
das vom Krieg in der Ukraine spricht.

3.Oh, du kleines Lied voll Schmerz und Leiden,
mit der Sonne Strahlen eile fort,
bring' dem Freunde inniglich die Bitte,
sag' endlich „nein“ zu Putins Brudermord.

4.Doch er starb mit Sonnenblumenkernen
und der schweren Waffe in der Hand.
Auf seinem Grab werden gelbe Blumen blühen,
im zerbombten Bruderland.

5.Leuchtend prangten ringsum Apfelblüten;
still vom Fluss zog Nebel noch ins Land.
Und sehr traurig ging heimwärts Katjuscha,
einsam träumt der sonnenhelle Strand.

Das russische Liebeslied Katjuscha (eine Verkleinerungsform von Jekaterina) erlebte seine Uraufführung Ende November 1938 im Moskauer Haus der Gewerkschaften.

Noch in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg wurde es von zahlreichen Sängerinnen und Sängern und Chören der Roten Armee interpretiert und bald darauf in russischen Bevölkerungskreisen derart populär, dass man geradezu von einem Hit sprechen könnte. Auch im Großen Vaterländischen Krieg spielte das Lied Katjuscha eine wichtige Rolle. Wurde es in zunächst vorwiegend bei der Verabschiedung von an die Front ausrückenden Soldaten eingesetzt, so sangen bzw. hörten es im Lauf der Kriegsjahre die Soldaten an allen Fronten in ganz Europa. Der Name des sowjetischen Katjuscha-Raketenwerfers (von Soldaten der Wehrmacht Stalinorgel genannt) geht ebenfalls auf das Lied zurück.

Einige Historiker haben es mit der Bedeutung für die Frontsoldatendes weltberühmten Schlagers Lili Marleen verglichen (vgl. Interpretation) Wie Lili Marleen erfuhr auch Katjuscha zahlreiche Adaptionen und Nachdichtungen; eine der bekanntesten ist das 1943 entstandene italienische Lied Fischia il vento (Der Wind pfeift), das neben Bella Ciao das bekannteste, heute noch populäre italienische Partisanenlied ist. Aufgrund der eingängigen Melodie kam es in vielen Ländern Europa zu Textdichtungen, die aber keinen Bezug zum russischen Original haben, z.B. in Deutschland das Räuberlied In dem dunklen Wald von Paganowo. Mit der Melodie von Katjuscha wurde Casatschok, seit 1968 in seiner ersten, italienischen Fassung, ab 1969/70 zum Disko-Hit. Ivan Rebroff, Alexandra, Dalida (mit dem Text: Heute Nacht geht keiner von uns schlafen) und die Don Kosaken trugen zur wachsenden Popularität der Melodie bei. Bis 1978 folgten 16 Versionen in verschiedenen europäischen Sprachen. Ab 1989 lösten die Leningrad Cowboys mit ihrem Folkpunk-Casatschok eine zweite Erfolgswelle der Katjuscha-Melodie aus.

Der Text des Katjuscha-Lieds stammt von den dem russischen Lyriker Michail Issakovskij (1900–1973), der nicht nur die Sowjetunion lobpreisende Gedichte schrieb – er erhielt 1943 und 1943 den Stalinpreis –, sondern auch Liedtexte, die mit Hilfe eingängiger Melodien häufig zu beliebten Schlagern wurden.

Vertont wurde die Katjuscha-Melodie 1938 vom Komponisten Matwej Blanter (1903–1990), der volkstümliche ländliche Weisen aufgriff und mit städtisch geprägten Tanzklängen mischte. In den späten 1930er Jahren komponierte er Lieder im Stil des sozialistischen Realismus und erhielt für sein Werk 1946 den Stalinpreis.

Die heute in Deutschland bekannte Version geht auf die freie Übersetzung des DDR-Schriftstellers Alexander Ott (1903–1990) zurück, der sich 1949 an der wörtlichen Übersetzung, beginnend mit „Ringsum blühen Birn- und Apfelbäume“ (s. o.), orientierte. Ott hat russische Lieder nachgedichtet und politische Liedtexte geschrieben. Eines seiner bekanntesten ist das FDJ-Lied Wir sind die erste Reihe.

Betrachtet man die Version von Ott, so könnte man meinen, es handele sich um ein Liebeslied, in dem ein verliebtes Mädchen an ihren in der Ferne weilenden Liebsten denkt. Sie ist froh, denn er hat ihr ein „Brieflein geschrieben, das von Heimkehr und von Liebe spricht“. Aus den Zeilen „weil er innig der Heimat ergeben“ geht nicht eindeutig hervor, dass Katjuschas Freund an der Front ist; es könnte sich auch um einen Seemann handeln, der monatelang zur See fährt.

Doch in dem sich näher an das russische Original anlehnenden Text von J. Klöckner (Lebensdaten sind nicht bekannt) wird in der dritten und vierten Strophe deutlich, warum es im Großen Vaterländischen Krieg so außerordentlich beliebt war:

3. Ach du Liedchen des verliebten Mädchens,
fliege mit der Sonne um die Welt,
fliege hin zum Soldaten an ferner Grenze,
von Katjuscha grüße ihren Held.

4. Lass ihn zärtlich an Katjuscha denken,
hören, wie sie singt für ihn allein.
Er soll schützen die heimatliche Erde,
er soll treu in seiner Liebe sein.

Während sowohl die Originalversion als auch die Übersetzung von Klöckner bzw. die Nachdichtung von Ott heutzutage problemlos gesungen werden dürften, wird die Fassung (s.o.) von Julia Kossmann in Russland und bei Putin-Sympathisanten sicherlich verpönt sein. Die Musikantin (Gitarre und Gesang) und Leiterin einiger Gesangskreise, die zuletzt solo bei einem Konzert Singen für den Frieden in Hamburg Eimsbüttel aufgetreten ist, kannte das Lied seit Anfang der 70er Jahre. Ende der 80er Jahre wurde Katjuscha wieder zum Hit, z. B durch die Interpretation der Leningrad Cowboys (s.o.).

Der Überfall Russlands auf die Ukraine gab den Anstoß zu einer Art „musikalischer Rüstungskonversion“ (Kossmann): Eine traurige Katjuscha weiß hier ebenso wenig wie ihr junger Freund an der Front, warum dieser Krieg geführt wird, der auf der Lüge basiert, Russland müsse sich gegen einen Angriff der Ukraine verteidigen.

Eine weitere Inspiration war eine Sequenz im TV: Eine alte ukrainische Frau begrüßt am Straßenrand einen russischen Soldaten und gibt ihm Sonnenblumensamen, nicht um sie zu essen: „Steck sie in die Tasche, dann werden aus deinem Grab noch gelbe Blumen blühen!“.

Die Beschwingtheit Katjuschas, ausgelöst durch einen Brief ihres Liebsten, in der Fassung von Ott ist im Text von Kossmann wie weggeblasen. Katjuscha jauchzt und jubelt nicht, traurig geht sie zum Flussufer und beim Singen kommen ihr die Tränen. Der Liebste schützt nicht die Grenze Russlands, sondern ist aktiv an Putins Eroberungskrieg in der Ukraine beteiligt, in den er wie in ein einfaches Manöver geschickt wurde.

Während bei Ott der Liebste von Heimkehr spricht, ist derzeit an eine baldige Rückkehr aus der Ukraine nicht zu denken. Daher fordert in der Kossmann-Version Katjuscha ihren Liebsten auf, “Nein zum Bruderkrieg“ zu sagen.

Doch es ist zu spät; wie Tausende anderer Soldaten ist er „im zerbombten Bruderland“ getötet worden. Mit Sonnenblumenkernen, die Katjuscha ihm mitgegeben hat, ist er begraben worden. Daher werden, wie es in der vierten Strophe heißt, „auf seinem Grab gelbe Blumen blühen“.

In der Fassung des DDR-Schriftstellers Ott geht Katjuscha in der Hoffnung, dass ihr Liebster bald heimkehrt „fröhlich singend heimwärts“; dagegen geht sie in der Kossmann-Version, da sie vom Tode ihres Freundes weiß, „sehr traurig“ nach Hause.

So ist angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine und der im Laufe des Krieges verübten Gräueltaten, z.B. in Butscha,  aus dem Liebeslied ein anklagendes Antikriegslied geworden, während die Apfelblüten weiterhin leuchtend prangen.

Georg Nagel, Hamburg

„Zogen einst fünf wilde Schwäne“ – ein frühes Antikriegslied

Anonym (Übersetzung: Karl Plenzat)

Zogen einst fünf wilde Schwäne

Zogen einst fünf wilde Schwäne,
Schwäne leuchtend weiß und schön.
Sing, sing, was geschah?
Keiner ward mehr gesehen. Ja!

Wuchsen einst fünf junge Birken
schön und schlank am Bachesrand.
Sing, sing, was geschah?
Keine in Blüten stand. Ja!

Zogen einst fünf junge Burschen
stolz und kühn zum Kampf hinaus.
Sing, sing, was geschah?
Keiner kehrt nach Haus. Ja!

Wuchsen einst fünf junge Mädchen
schön und schlank am Memelstrand.
Sing, sing, was geschah?
Keins den Brautkranz wand. Ja!

Das ursprünglich litauische Lied, das ein unbekannter Verfasser um 1850 auf eine Volksweise dichtete, war auch im masurischen Ostpreußen bekannt. 1917 wurde Zogen einst fünf wilde Schwäne von dem Pädagogen Karl Plenzat und späteren Professor für Volkskunde an der Universität Königsberg übersetzt. Die Veröffentlichung in seiner Sammlung Der Liederschrein – 110 deutsche, litauische und masurische Lieder 1918 und die Aufnahme in zahlreiche Liederbücher der Jugendbewegung, darunter vor allem Fritz Sotkes Unsere Lieder (1922 bereits in der dritten Auflage) verbreitete das Lied in ganz Deutschland. Dazu mag nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg die pazifistische Stimmung des Liedes und der Kriegsverdruss großer Teile der Bevölkerung beigetragen haben.

Hört man oberflächlich das Lied zum ersten Mal, könnte man nach den beiden ersten Zeilen meinen, es handele sich um eine spätromantische Naturbeschreibung. Da wird von dahinziehenden Schwänen berichtet, also von Zugvögeln, die im Herbst gen Süden ziehen und im Frühling zurückkehren. Aber und das ist entscheidend, die Schwäne ziehen nicht dahin, sie sind gezogen, und von einer Rückkehr ist nicht die Rede. Daher fragt die dritte Zeile nach: „Sing, sing, was geschah?“, worauf die vierte Zeile dann die traurige Antwort gibt: „Keiner ward mehr gesehen“.

Nun sind wir für die zweite Strophe vorgewarnt. Wir trauen der Idylle „Wuchsen einst fünf junge Birken schön und schlank am Bachesrand“ nicht und müssen dann auf die Frage nach dem, was geschehen ist, auch erfahren, dass keine der jungen Birken je „in Blüten stand“.

Auch ohne die endgültige Aufklärung in der dritten und vierten Strophe wissen wir, dass seit der griechischen Antike der Schwan auch ein Symboltier für einen jungen schmucken Mann ist (vgl. Leda und der Schwan). Auch „der berühmte ,Schwanengesang´ geht auf die schon bei Aischylos […] erwähnte prophetische Gabe des Apollo-Vogels zurück, der von seinem nahen Tod weiß und […] Klagelaute hören lässt“ (aus dem Skript des Probst-Effah-Seminars Deutsche Lieder des 20. Jahrhunderts, Wintersemester 2008/2009, Universität Köln).

Weiß („Schwäne leuchtend weiß und schön“) ist die Farbe der Unschuld, der Reinheit, rein und unschuldig im Sinne: frei von bösem Tun. Die Birken mit ihren hellgrünen Blättern und dem weißen Stamm symbolisieren Lebensfreude, den Frühling, die Jugend. Noch heute werden im Mai in einigen ländlichen Gegenden Deutschlands Birkenzweige als Zeichen der Zuneigung jungen Mädchen ans Fenster oder an die Türe gesteckt (vgl. „Ich geh, ein Mai zu hauen“, Zeile 1 der 2. Strophe aus Der Winter ist vergangen).

Erfahren wir in den beiden ersten Strophen zunächst nur die Folgen eines Ereignisses, geben erst die dritte und vierte Strophe Aufschluss darüber, was geschehen ist. Zugleich wird endgültig klar: bei den Schwänen und Birken handelt es sich um Metaphern für „junge Burschen“ und „junge Mädchen“. Kriegsbegeistert zogen die Burschen „stolz und kühn zum Kampf hinaus“ Sie waren zuversichtlich, dass sie bald nach Haus zurückkehren und dann ihre Liebste heiraten würden. Nun aber kehrt keiner von ihnen aus dem Krieg zurück. Und die jungen Mädchen, die einst „schlank und schön am Memelstrand“ (ein Hinweis auf die Entstehung im Litauischen) standen, müssen nun ihren Freunden oder Verlobten nachtrauern. Und keine von ihnen wird je den „Brautkranz“ winden.

Als Leser/Hörer des Liedes fragt man sich, wieso es sich um fünf Burschen handelt. Die 5 steht in der ersten und dritten Strophe stellvertretend für viele junge Männer, die in den Krieg zogen und wie es in späteren Mitteilungen an die Angehörigen heißt: „Gefallen für Volk und Vaterland“. Aber wieso 5? Als eine Erklärung könnte in Betracht kommen, dass, da das Lied in einer ländlichen Gegend entstand („am Memelstrand“), der Dichter fünf junge Burschen eines Dorfes meinte, die in ihrem Dorf oder einem anderen benachbarten Flecken ihre Liebste hatten. Die 5 könnte aber auch auf die fünf Sinne des Menschen deuten, die mit dem Tod der Burschen erloschen sind. Adäquat zu den fünf Schwänen bzw. Burschen steht die 5 in der zweiten und vierten Strophe für die fünf Birken bzw. Mädchen. Letztlich bleibt offen, aus welchem Grund der Dichter die Zahl 5 gewählt hat.

Dieses ‚Schwanenlied‘ ist bis heute beliebt geblieben. Bemerkenswert ist, dass es in den beiden ersten Jahren des Naziregimes Eingang in viele NS-Liederbücher fand, so z.B. in das auflagenstarke, vom Reichsjugendführer Baldur von Schirach herausgegebene, Hitlerjugend-Liederbuch Uns geht die Sonne nicht unter und in viele Schulbücher. Im Liederbuch des Bundes deutscher Mädel sind allerdings nur die beiden ersten Strophen zu finden, im Liederbuch der NS-Frauenschaft fehlte die vierte Strophe. Ab 1935 allerdings verbannten die Nationalsozialisten das Lied nahezu vollständig aus dem gedruckten Liedrepertoire.

Unabhängig davon war auch nach dem Zweiten Weltkrieg die Popularität des Liedes ungebrochen, vor allem in Vertriebenen- oder Flüchtlingskreisen, wo es bei Heimatreffen und vor allem bei Ostpreußenabenden gesungen wurde. Zur Erinnerungskultur gehören etliche Buchtitel mit dem Incipit Zogen einst fünf wilde Schwäne.  

Das Lied fand auch Aufnahme in zahlreiche Liederbücher der DDR, speziell der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und in sogar in einige Liedersammlungen in Österreich.

Als Antikriegslied wurde es Ende der 1970er Jahre zur Zeit der Proteste gegen den „Atomtod“ und der Friedensbewegung gern gesungen und von den Alben des Folkduos Zupfgeigenhansel, von Hannes Wader und den Barden Hein und Oss Kröher gern gehört.

Geht man von der Anzahl der Partituren im Katalog des Deutschen Musikarchivs Leipzig aus, haben es viele deutsche Chöre in ihrem Repertoire, z.B. der Dresdner Kreuzchor, die Regensburger  Domspatzen und die Gotthilf-Fischer-Chöre, um nur die berühmtesten zu nennen. Verbreitet ist es in allen Bevölkerungskreisen, wie die Aufnahme in bemerkenswert viele Liederbücher nicht nur der

Nachfolgeorganisationen der Jugendbewegung, sondern auch konfessioneller und politischer, Wander- und Folklore-Kreise zeigt. Allein 1980 bis 1999 kamen über 50 Liederbücher mit Zogen einst fünf wilde Schwäne heraus. Die letzten mir bekannten Ausgaben waren 2013 das Wandervogel-Liederbuch und das Liederbuch des Freien Begegnungsschachts.* Unverständlich ist mir, dass in der über 750 Volkslieder umfassenden Sammlung von Thero und Sunhit Mang Der Liederquell (über 1.300 Seiten) Zogen einst fünf wilde Schwäne nicht enthalten ist.

Georg Nagel, Hamburg

*Der FBS ist ein Zusammenschluss von reisenden und einheimischen Handwerksgesellen mit abgeschlossener Gesellenausbildung in einem traditionellen Handwerksberuf.

Heute ohne Musik. Matthias Claudius: „Kriegslied“

Matthias Claudius 

Kriegslied (1778)

's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
    Und rede du darein!
's ist leider Krieg – und ich begehre
    Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt' ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
    Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
    Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
    Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten
    In ihrer Todesnot?

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
    So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
    Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch' und ihre Nöten
    Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammleten, und mir zu Ehren krähten
    Von einer Leich' herab?

Was hülf' mir Kron' und Land und Gold und Ehre?
    Die könnten mich nicht freun!
's ist leider Krieg – und ich begehre
    Nicht schuld daran zu sein!

Ein Klassiker des Antikriegslieds. Hannes Waders „Es ist an der Zeit“

Hannes Wader

Es ist an der Zeit

1. Weit in der Champagne im Mittsommergrün
Dort wo zwischen Grabkreuzen Mohnblumen blüh'n
Da flüstern die Gräser und wiegen sich leicht
Im Wind, der sanft über das Gräberfeld streicht
Auf deinem Kreuz finde ich, toter Soldat,
Deinen Namen nicht, nur Ziffern und jemand hat
Die Zahl neunzehnhundertundsechzehn gemalt
Und du warst nicht einmal neunzehn Jahre alt.

Ja, auch dich haben sie schon genauso belogen
So wie sie es mit uns heute immer noch tun
Und du hast ihnen alles gegeben:
Deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.

2. Hast du, toter Soldat, mal ein Mädchen geliebt?
Sicher nicht, denn nur dort, wo es Frieden gibt
Können Zärtlichkeit und Vertrauen gedeih'n
Warst Soldat, um zu sterben, nicht um jung zu sein
Vielleicht dachtest du dir, ich falle schon bald
Nehme mir mein Vergnügen, wie es kommt, mit Gewalt
Dazu warst du entschlossen, hast dich aber dann
Vor dir selber geschämt und es doch nie getan.

Ja, auch dich haben sie schon genauso belogen […]

3. Soldat, gingst du gläubig und gern in den Tod?
Oder hast zu verzweifelt, verbittert, verroht
Deinen wirklichen Feind nicht erkannt bis zum Schluß?
Ich hoffe, es traf dich ein sauberer Schuß
Oder hat ein Geschoss dir die Glieder zerfetzt?
Hast du nach deiner Mutter geschrien bis zuletzt?
Bist du auf deinen Beinstümpfen weitergerannt?
Und dein Grab, birgt es mehr als ein Bein, eine Hand?

Ja, auch dich haben sie schon genauso belogen […]

4. Es blieb nur das Kreuz als die einzige Spur
Von deinem Leben, doch hör' meinen Schwur
Für den Frieden zu kämpfen und wachsam zu sein:
Fällt die Menschheit noch einmal auf Lügen herein
Dann kann es gescheh'n, dass bald niemand mehr lebt
Niemand, der die Milliarden von Toten begräbt
Doch längst finden sich mehr und mehr Menschen bereit
Diesen Krieg zu verhindern, es ist an der Zeit.

Ja, auch dich haben sie schon genauso belogen […]

     [Hannes Wader:Es ist an der Zeit. Aris 1980.]

Orientiert am Text des vom schottisch-australischen Singer-Songwriter Eric Bogle (geb. 1944) komponierten Liedes No Man’s Land, schrieb  Hannes Wader (geb. 1942) das Lied Es ist an der Zeit. Bogle hatte 1976 eine Tournee durch in Frankreich unternommen. Tief bewegt nach einem Besuch der Soldatenfriedhöfe in Nordfrankreich und Flandern, verfasste er das auch unter The Green Fields of France bekannt gewordene Lied:

Wann Wader das Lied kennengelernt hat, ist nicht bekannt. Beim Verfassen seines Liedesim Jahr 1980 wird er unter dem Eindruck des im Dezember 1979 vom Bundestag beschlossenen Nato-Doppelbeschlusses gestanden haben, der erlaubte, mit Atomsprengköpfen bestückte Raketen und Marschflugkörper in der BRD zu stationieren, wobei der Bundestag auf die Einflussnahme vor deren Einsatz verzichtete.

Angesichts der Proteste, der sich ausbreitenden Bürgerinitiativen und der sich daraus neu formierenden Friedensbewegung mit ihren massenhaft besuchten Demonstrationen, Sitzblockaden und Menschenketten stieß Waders Antikriegslied auf ein gewaltiges Echo. Während der Demonstrationen wurde es vom Lautsprecherwagen übertragen und bei Kundgebungen häufig von Musikgruppen gespielt und gesungen. Ich erinnere mich daran, dass wir bei unseren Beratungsstunden für potentielle Kriegsdienstverweigerer in der Evangelischen Studentengemeinde Hamburg zu Beginn immer Es ist an der Zeit abspielten und manche Besucher einige Verse leise mitsangen. Wie populär Waders Antikriegslied war und noch immer ist, zeigen die von 1981 bis 2014 herausgebrachten LPs und CDs, die Interpretationen anderer Liedermacher, u.a. von Reinhard Mey und die zahlreichen Konzerte Waders, u a. mit Konstantin Wecker, auf denen das Lied gesungen wurde.

Wie Bogles Text beginnt auch die erste Strophe von Wader mit einer fast idyllisch anmutenden Beschreibung eines Soldatenfriedhofs. Schrecken und Leid sind unter den Mohnblumen und den sich wiegenden Gräsern nur noch zu ahnen. Im Gegensatz zu Bogle, der den Soldaten, den er besingt, beim Namen nennt – Willie McBride -, übernimmt Wader nur das Todesjahr und das Alter des jungen Mannes. Das anonyme Kreuz, von dem Wader spricht, macht noch deutlicher, dass dieser Soldat stellvertretend für alle Soldaten steht.

Und er spricht den toten Soldaten an und klagt an: „uch dich haben sie schon genauso belogen, / So wie sie es mit uns heute immer noch tun“. Im Ersten Weltkrieg meldete sich ein großer Teil der jungen Männer freiwillig zum Kriegsdienst, weil sie an den versprochenen schnellen Sieg glaubten, das Wort von Kaiser Wilhelm II. noch in den Ohren: „Zu Weihnachten werdet ihr wieder zu Hause sein!“ (zur Erinnerung: Der Kaiser unterschrieb die Kriegserklärung gegen Frankreich am 3. August 1914 – Weihnachten 1914 waren fast 300.000 deutsche Soldaten tot; vgl. auch die Interpretation zu Liederjahns Ein kleiner Frieden mitten im Krieg).

Denkt man an die von Bismarck zugespitzte Emser Depesche (Juli 1870), die als Herausforderung Frankreich zur Kriegserklärung veranlasste, an den inszenierten Überfall auf den Sender Gleiwitz und Hitlers Rede am 1. September 1939 („Seit 5.Uhr 45 wird zurückgeschossen!“), an den „Tonkin-Zwischenfall“ (1. August 1964), der den Eintritt der USA in den Vietnamkrieg rechtfertigen sollte, an die Unwahrheiten im Zusammenhang mit den angeblichen Massenvernichtungswaffen des Iraks, die die Bombardierung Bagdads und (ab März 2003) die Invasion durch die USA und Großbritannien auslösten, so scheinen Lügen, Provokationen und Manipulationen zum Krieg dazuzugehören – „wie sie es mit uns heute immer noch tun“.

Jahre zuvor hatte Bogle in No Man’s Land gefragt, ob alle toten Soldaten gewusst hätten, wofür sie gestorben sind und ob sie alles geglaubt hätten, was ihnen erzählt wurde: „Do all those who lie here know why they died? / Did you really believe them when they told you ‚The Cause‘? / Did you really believe that this war would end wars?“ Bei Wader wird aus der Anklage Trauer: „Und du hast ihnen alles gegeben: / Deine Kraft, deine Jugend, dein Leben.“

Mitfühlend fragt Wader in der zweiten Strophe, ob der junge Soldat je ein Mädchen geliebt hat, um dann zu vermuten, dass das sicherlich nicht der Fall gewesen sei, da nur dort, wo es „Frieden gibt“, „Zärtlichkeit und Vertrauen gedeih’n“ können. An die Verrohung durch den Krieg denkend (vgl. 3. Strophe, 2. Vers), fragt Wader, ob der Soldat eine Vergewaltigung – wie häufig in eroberten Gebieten vorgekommen – begangen hat. Doch er hält unserem unbekannten Soldaten zugute, dass der zwar entschlossen dazu war, dann aber sich geschämt und nicht vergewaltigt hat.

Auch andere LiedermacherInnen haben sich mit dem Krieg auseinander gesetzt, wie z.B. die kanadische Komponistin und Musikerin Buffy Sainte-Marie (geb. 1941). Wie sehr es auf das Tun oder Nichttun eines Soldaten ankommt, stellt sie in ihrem 1964 erschienenen Lied Universal Soldier dar (fälschlicherweise häufig dem schottischen Liedermacher Donovan zugeschrieben):

But without him, how would Hitler have condemned them at Dachau?
Without him Caesar would have stood alone,
He’s the one who gives his body as a weapon of the war,
And without him all this killing can’t go on.

He’s the Universal Soldier and he really is to blame,
His orders come from far away no more,
They come from here and there and you and me,
And brothers, can’t you see,
This is not the way we put the end to war.

Das Mitte der 1960er Jahren entstandene Lied ist als indirekte Aufforderung zur Kriegsdienstverweigerung verstanden worden und nicht nur in pazifistischen Kreisen erfolgreich gewesen.

In einem weiteren inneren Dialog fragt Wader, ob der tote Soldat den Begründungen für den Krieg geglaubt hat und ob er seinen wirklichen Feind (die Regierung, die ihn in den Krieg schickte) nicht erkannt hat. Reinhard Mey (geb. 1942) gibt dagegen in seinem 1994 verfassten Lied Frieden eine deutliche Antwort darauf und beschreibt zugleich den ‚wirklichen Feind‘:

Wenn die Kriegsherrn im Nadelstreifen,
Die wahren Schuldigen geächtet sind,
Wenn Soldaten endlich begreifen,
Daß sie potentielle Tote sind.
Wenn von Politikerversprechen
Sich nur dieses erfüllt von all’n,
Wird eine bessere Zeit anbrechen,
Denn: »Wer noch einmal eine Waffe in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfall’n!

In der dritten Strophe hofft Wader, dass unserem Soldaten ein „sauberer Schuß“ traf, d.h. dass er gleich tot war und nicht lange leiden musste. Wader benennt die Gräuel und das Leid, denen die Soldaten im Krieg  ausgesetzt sind, wenn eine Granate „die Glieder zerfetzt“ und dann nur noch einzelne Gliedmaßen begraben werden, die Schwerverwundeten auf „ihren Beinstümpfen weiter gerannt“ sind und im Todeskampf nach ihrer Mutter geschrien haben.

Auch Mey beschreibt in der ersten Strophe seines Liedes Frieden das Elend und die Sinnlosigkeit eines Krieges:

Dein Bild in den Spätnachrichten,
Wimmernder, sterbender Soldat.
Eine Zahl in den Kriegsberichten,
Ein Rädchen im Kriegsapparat,
Für einen Schachzug zerschossen
Und für ein Planquadrat im Sand,
Für einen Wahn hast du dein Blut vergossen
Und immer für irgendein gottverdammtes Vaterland!

Der US-amerikanische Lyriker und Liedermacher Bob Dylan (geb. 1941) stellt in seinem 1962 geschriebenen Hit Blowin‘ in the Wind zwar kritische Fragen: „Yes, and how many times must the cannonballs fly/ Before they are forever banned?“  (1. Strophe), „Yes, and how many ears must one man have / Before he can hear people cry?“, „Yes, and how many deaths will it take ‚til he knows / That too many people have died?“ (3. und letzte Strophe). Doch seine Antwort bleibt vage: „The answer, my friend, is blowin‘ in the wind / The answer is blowin‘ in the wind.“

Dagegen wusste der 1921 geborenen Schriftsteller Wolfgang Borchert (u.a. Autor des Heimkehrerdramas Draußen vor der Tür) kurz vor seinem Tod im November 1947 in seinem Manifest in Form eines Gedichtes Dann gibt es nur eins! die Antwort:

Du. Mann an der Maschine und Mann in der Werkstatt. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Wasserrohre und keine Kochtöpfe mehr machen – sondern Stahlhelm und Maschinengewehre, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mädchen hinterm Ladentisch und Mädchen im Büro. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Granaten füllen und Zielfernrohre für Scharfschützengewehre montieren, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Besitzer der Fabrik. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst statt Puder und Kakao Schießpulver verkaufen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Forscher im Laboratorium. Wenn sie Dir morgen befehlen, du sollst einen neuen Tod erfinden gegen das alte Leben, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Dichter in deiner Stube. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keine Liebeslieder, du sollst Hasslieder singen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Arzt am Krankenbett. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst die Männer kriegstauglich schreiben, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Pfarrer auf der Kanzel. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst den Mord segnen und den Krieg heilig sprechen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Kapitän auf dem Dampfer. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst keinen Weizen mehr fahren – sondern Kanonen und Panzer, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Pilot auf dem Flugfeld. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Bomben und Phosphor über die Städte tragen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Schneider auf deinem Bett. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Uniformen zuschneiden, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Richter im Talar. Wenn sie dir morgen befehlen, Du sollst zum Kriegsgericht gehen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mann auf dem Bahnhof. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst das Signal zur Abfahrt geben für den Munitionszug und für den Truppentransporter, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mann auf dem Dorf und Mann in der Stadt. Wenn sie morgen kommen und dir den Gestellungsbefehl bringen, dann gibt es nur eins:
Sag NEIN!
Du. Mutter in der Normandie und Mutter in der Ukraine, du, Mutter in Frisko und London, du am Hoangho und am Missisippi, du, Mutter in Neapel und Hamburg und Kairo und Oslo – Mütter in allen Erdteilen, Mütter in der Welt, wenn sie morgen befehlen, ihr sollt Kinder gebären, Krankenschwestern für Kriegslazarette und neue Soldaten für neue Schlachten, Mütter in der Welt, dann gibt es nur eins:
Sagt NEIN! Mütter, sagt NEIN!

Auch der Schriftsteller, Schauspieler, Trompeter und Chansonnier Boris Vian (1920 bis 1959) wusste 1954 eine Antwort auf die Frage, wie Kriege zu verhindern seien. Angesichts des Algerienkriegs und des Kolonialkriegs in Indochina ruft er in seinem Chanson Le déserteur (Monsieur le Président) zur Desertion und Befehlsverweigerung auf:

Ich will nicht provozier’n,
wenn ich ganz offen sage:
Der Krieg kommt nicht in Frage,
ich werde desertier’n! [4. Strophe]

Verweigert den Befehl,
kämpft nicht in ihren Kriegen,
glaubt niemals ihren Lügen,
der Frieden wär’ ihr Ziel! [10. Strophe]

Fragt Reinhard Mey 1980 „Wann ist Frieden, wann ist endlich Frieden?“ und antwortet, wenn Frieden ist, „ist das Elend vorbei und das Ende der Barbarei“ gekommen, hat Wolf Biermann auf seine Frage Wann ist endlich Frieden in dieser irren Zeit? (1980) nur eine pessimistische Antwort:

Die Welt ist so zerrissen
Und ist im Grund so klein
Wir werden sterben müssen
Dann kann wohl Friede sein.

Wader dagegen fordert, „für den Frieden zu kämpfen und wachsam zu sein“ und warnt davor, noch einmal auf Lügen hereinzufallen, da „sonst bald niemand mehr lebt, der die Milliarden von Toten begraben“ könnte (ausgelöst durch den „overkill“ der in einem Weltkrieg eingesetzten Atombomben). Und hoffnungsvoll schließt er mit den Worten: „Doch finden sich mehr und mehr Menschen bereit / Diesen Krieg zu verhindern, es ist an der Zeit.“

Georg Nagel, Hamburg

Zwischen Resignation und Anklage: Das Aushebungslied „Wo soll ich mich hinwenden“

Wo soll ich mich hinwenden (Aushebungslied)

1) Wo soll ich mich hinwenden bei der betrübten Zeit*
   An allen Orten und Enden ist nichts als Krieg** und Streit
   Rekruten fanget man, so viel man haben kann;
   Soldat muss alles werden, sei einer Knecht oder Mann,
   Soldat muss alles werden, es sei Knecht oder Mann.

*  in einer anderen Version: in dieser schlechten Zeit.
** auch: Hass oder Kampf

2) Mit List hat man mich g’fangen, als ich im Bette schlief.
   Strickreuter* kam gegangen**, ganz leise auf mich griff:
   „Ei Bruder, bist du da? Von Herzen bin ich froh!
   Steh nur auf, Soldat mußt werden, das ist nun einmal so!“

*  berittener Soldat,
** auch: Da kam der Hauptmann gegangen

3) So bin ich nun gefangen, mit Eisen angelegt;
   Als wär‘ ich durchgegangen, so hat man mich belegt.
   Ach Gott, verleih‘ Geduld, ich bitt‘ um deine Huld!
   Mein Schicksal will ich tragen, vielleicht hab‘ ich’s verschuld’t.

4) Der König hat’s beschlossen, zu streiten für sein Land;
   viel‘ Kinder* werden erschossen durch der Feindlichen Hand.
   Das ist des Krieges Lauf: Rekruten hebt man auf,
   viel‘ tausend Kinder müssen ihr Leben geben drauf.

*  auch: Krieger

5) Dem König muß ich dienen, solang ich’s Leben hab‘;
   werd‘ ich einmal erschossen, wirft man den Leib ins Grab,
   allwo in einer Schicht – Ach Gott, erbarme dich! –
   viel‘ Kamerad‘* begraben; vielleicht betrifft’s auch mich.

*  auch: Brüder

6) Man hört Kanonen knallen, daß es die Luft erschallt;
   Viel tausend Brüder fallen, verlieren ihr‘ Gestalt,
   seufzen in ihrem Blut, das stromweis fließen tut,
   müssen den Geist aufgeben; o du unschuldig’s Blut!

7) „Ade, mein Vater und Mutter!“ „Ade, mein lieber Sohn;
   mußt dich zur Reis‘ begeben auf eine Festung zu,
   s’regiert jetzt in der Welt die Falschheit und das Geld;
   der Reiche kann sich helfen, der Arme muß ins Feld.“

     [Aus dem Liederbuch Es wollt ein Bauer früh aufstehn der Folkgruppe 
     Zupfgeigenhansel, 1978.]

Zupfgeigenhansel hat dem im Großen Steinitz abgedruckten 12-strophigen Lied die Strophen 1 bis 6 entnommen und ihre 7. Strophe aus den ursprünglichen Strophen 7 und 8 kombiniert (s. auch Nachtrag Strophe 7 bis 12). Nicht bekannt ist, im welchen Jahr der Text der 12 Strophen entstanden ist. Für seine Entstehung geben manche Liederbücher an „aus dem 18.Jahrhundert“ bzw. „aus dem letzten Drittel des 18.Jahrhunderts“.

Ob die Melodie mit dem Schlemmerlied (auch Das tumbe Brüderlein) Wo soll ich mich hinkehren, ich tumbes Brüderlein übereinstimmt, ist umstritten. Dieses Lied wurde gemäß dem Lied- und Erzählforscher Heinz Rölleke „in manchen Umdichtungen geistlicher und politischer Art […] und erstmals in den ‚Bergreihen‘ 1535 und auch in Georg Forsters ‚Frische Teutsche Liedlein‘ I, Nürnberg 1540, überliefert“ (Das Große Buch der Volkslieder, Köln 1939, S. 94). Die dort abgedruckten Noten weisen nur eine geringe Ähnlichkeit mit der Melodie von Wo soll ich mich hinwenden auf. Dagegen ist die Verwandtschaft mit dem im Zupfgeigenhansl (hier 20. Auflage von 1921, S. 265) abgedruckten Schlemmlied offensichtlich, und auch im einigen Liederbüchern heißt es „Melodie Tumbes Brüderlein“ (z.B. 1912 in Singsang zur Drehorgel und Zupfgeige und 1914 in Deutsche Soldatenlieder).

Interpretation

Das Lied handelt von einem offensichtlich jungen Mann, der als Soldat zwangsrekrutiert wird und sich Gedanken macht, wie es nun mit ihm weitergehen werden wird. Er ist sich klar darüber, dass im Krieg viele Soldaten sterben müssen. Er verabschiedet sich von seinen Eltern und verspricht seiner Liebsten, sie zu heiraten, falls er (heil) zurückkommt.

Im Einzelnen: Zu der Zeit, als das Lied im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts entstand, war der Siebenjährige Krieg (1756–1763) gerade erst zu Ende gegangen. Preußen litt schwer an den Kriegsfolgen, es herrschte Hungersnot (die erst Jahre später mit Hilfe der aus Amerika eingeführten Kartoffel überwunden werden konnte).

Es ist nachzuvollziehen, dass das Sprecher-Ich in der ersten Strophe fragt, wo es sich angesichts des überall herrschenden Hasses (Kampfes, Krieges) und Streits hinwenden soll, um dem Soldatwerden zu entgehen. Eine gesetzliche Kriegsdienstverweigerung gab es nicht, und der Weg an die Küste, um per Schiff auszuwandern, barg die Gefahr, unterwegs geschnappt und rekrutiert zu werden. So ist anzunehmen, dass der junge Mann sich versteckt und gehofft hat, dass man ihn so schnell nicht finden würde. Er weiß, wie die Monarchen ihre Soldaten rekrutieren lassen: Wer sich nicht freiwillig meldet oder als Söldner anheuern lässt, der wird zwangsrekrutiert: „Rekruten fanget man“, denn „Soldat muß alles werden, es sei Knecht oder Mann“. Und ein neuer, der Österreichische Erbfolgekrieg 1778–1789, (Preußen gegen Österreich, das sich Bayern einverleiben will) steht bevor.

So ist er eines Nachts, als er (fest) schlief, auch tatsächlich von einem Hauptmann ausgehoben worden (vgl. Untertitel „Aushebungslied“), der ihn mit „Ei Bruder“ kumpelhaft begrüßt, „von Herzen froh“ ist, ihn endlich zu fassen und ihm lapidar erklärt: „Soldat mußt du nun werden, das ist nun einmal so!“

Resignierend bedauert der Sprecher in der 3. Strophe, dass er gefangen und in Ketten gelegt wurde. Er hat sich ohne Gegenwehr und Fluchtversuch gefangen nehmen lassen und beklagt sich darüber, dass man ihn wie einen Verbrecher gefesselt hat. Äußerlich hat er sich damit abgefunden, doch er bittet Gott um Geduld, damit er keinen Befreiungsversuch unternehmen möge, womöglich, falls der Versuch scheitern sollte, mit schlimmen Folgen. Auch bittet er Gott um Huld, dass der ihm als Soldat wohlgesonnen sein möge. Denn er befürchtet (5. Strophe), dem König so lange dienen zu müssen, wie er am Leben bleibt. Er fürchtet den Tod und in einem Massengrab („allwo in einer Schicht“) begraben zu werden wie (voraussichtlich) „viel‘ Kamerad‘“.

Während das Sprecher-Ich in den Strophen 2, 3 und 5 von sich und seinen Befürchtungen erzählt hat, sinniert es in der 4. und 6. Strophe allgemein über den Krieg. Die Menschen sind nicht gefragt worden, ob sie Krieg führen wollen; der König beschließt und seine Untertanen müssen gehorchen (hier eventuell ein Untertan des preußischen Königs Friedrich II.). Und es sieht so aus, als wenn der Dichter bereits Soldat gewesen wäre und seine Erfahrungen gemacht hat: vom Ausheben, der Zwangsrekrutierung der Männer, bis zum Sterben vieler tausend (Landes-)Kinder (in einer anderen Version: Brüder). Seine Kameraden (hier Brüder genannt) haben wie er die Kanonen nicht nur knallen hören, sondern auch erlebt, was sie anrichten können: vom Wunden schlagen bis hin zum massenhaften Töten. Bereits 1733 hatte König Friedrich-Wilhelm I. („Soldatenkönig“) das „Kantonsytem“ in Preußen eingeführt, danach wurde Preußen in sogenannte “Enrolierungskantone“ eingeteilt, aus denen die Rekruten regimentsweise ausgehoben wurden.

Wo soll ich mich hinwenden_1Wo soll ich mich hinwenden_2

Werbung von Rekruten für die Befreiungskriege

In einer anderen Version ist es der Kaiser, der beschlossen hat, in fremdes Land zu ziehen. Das deutet darauf hin, dass der junge Mann ein Untertan des österreichischen Kaisers war. Doch da das Lied in vielen Teilen Deutschlands verbreitet war (in den Liederbüchern werden verschiedene Regionen genannt: Franken, Hessen, Lothringen, Tirol, Sudetenland, Altmark u.a.), ist es woanders der König oder der Fürst. Wenn es in den Krieg ging, im Kabinett die Kriegsziele behandelt wurden (sogenannte Kabinettskriege, wie sie vielfach im 18. Jahrhundert üblich waren), dann wurden überall Männer rekrutiert. Die Monarchen, gedanklich noch im Absolutismus befangen, sahen die Untertanen als persönliches Eigentum an, die auch als Siedler oder Soldaten an andere Herrscher oder Staaten verkauft werden konnten.

In der „Kaiserstrophe“ beklagt der Dichter, dass viele Tausend ihr Leben lassen müssen und es Unschuldige trifft (ähnlich wie in der o.a. 6. Strophe), während die Regenten bei gewonnenen Kriegen zu Ruhm und Ehre kommen und vor allem zu neuen Ländern (vgl. Friedrich II., „der Große“, nach dem Österreichischen Erbfolgekrieg: Schlesien und nach dem Siebenjährigen Krieg: Sachsen): „Das ist der Kriege Lauf, Regenten steigen auf / vieltausend von uns müssen ihr Leben geben drauf.“

Hier ist ähnlich wie bei den Strophen 8 bis 12 (s. Nachtrag) zu erkennen, dass das Lied mehrere Verfasser hatte und auf den Fliegenden Blättern in verschiedenen Versionen existierte bis schließlich 1855 alle Strophen vom Liedersammler Ditfurth zusammengefasst wurden (s. Rezeption).

Mit einem „Ade“ verabschiedet sich der junge Mann in der 7. Strophe von seinen Eltern, die ihm ebenfalls ein ‚Geh mit Gott‘ wünschen („Ade, mein lieber Sohn“). Auch die Eltern haben sich damit abgefunden, dass ihr Sohn Soldat werden muss. Sie meinen, dass in der Welt nur „die Falschheit und das Geld“ regiert und aus Erfahrung wissen sie, dass (nur) der Reiche sich helfen kann (sprich: sich dem Wehrdienst entziehen kann), wogegen der Arme ins Feld muss. Und heute noch werden entgegen dem UN-Fakultativprotokoll vom 12. Februar 2002 zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten massenhaft sogar Kinder (gemäß UN-Kinderrechtskonvention Jugendliche unter 18 Jahren) in Myanmar, Syrien, Kolumbien oder Somalia, Uganda, Kongo und anderen afrikanischen Staaten oder vom „Islamischen Staat“ (IS) zum Kriegsdienst gepresst.

Vor 1814 (Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht in Preußen) konnten sich Söhne adeliger Eltern, sofern sie nicht Offiziere werden wollten, ebenso freikaufen wie reiche Bauern sich oder ihre Söhne. Derartiges Freikaufen war in vielen Ländern gängige Praxis. Noch fast hundert Jahre später, nämlich im spanischen Marokkokrieg 1909, konnten sich Reiche mit 6.000 Reales „einen Vertreter beschaffen, was jenseits der Möglichkeiten der Arbeiter lag(Wikipedia). Nicht freikaufen dagegen konnten sich die Männer aus Polen, Belgien, Luxemburg und anderen Staaten, die entgegen Artikel 45 der Haager Landkriegsordnung im Zweiten Weltkrieg von den Nationalsozialisten zum Wehrdienst oder zum Dienst in der Waffen-SS (NS-Erlass vom 22. Aug. 1942) gezwungen wurden. Und noch heute besteht in der Türkei die Möglichkeit des Freikaufs vom Wehrdienst für die im Ausland lebenden Türken, dabei ist nach dem Aktionsplan der 64. Regierung im Dezember 2015 der Betrag des Freikaufs von 6.000 auf 1.000 € gesenkt worden (vgl. deutsch-türkisches journal online, 10.12.2015).

Rezeption

Das Lied wurde nach seiner Entstehung im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts und etwa bis 1830 mithilfe Fliegender Blätter verbreitet. Häufig waren dem ursprünglichen Lied mit sieben oder acht Strophen die Strophen neun bis zwölf (s. Nachtrag) hinzugefügt worden, vermutlich um die Zensoren bereits mit dem Hinweis „Abschiedslied“ von der der Brisanz der Strophen eins bis acht abzulenken. Häufig fehlten die Zeilen „‘s regiert in der Welt die Falschheit und das Geld; / der Reiche kann sich helfen, der Arme muß ins Feld“ aus Vorsichtsgründen „offenbar vom Verleger weggelassen oder von den Zensoren gestrichen“ (Steinitz, S. 338). Doch in den Befreiungskriegen, als Tausende sich freiwillig meldeten, verlor das Lied seine Aktualität; dazu beigetragen hat sicherlich auch die Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht 1814, obwohl noch bis 1830 Fliegende Blätter mit dem Lied in diversen Versionen erschienen sind (Steinitz berichtet von 19 Fassungen, die er im Freiburger Deutschen Liederarchiv vorfand, S. 337). 1812 erschien ein Fliegendes Blatt mit einer Umdichtung: Im ersten Vers lautet nun die 2. Zeile „An allen Orten und Ländern führt Napoleon Kampf und Streit“; im 4. Vers heißt es „Napoleon hat beschlossen, zu kriegen in Russland“ und weiter „Und viele deutschen Brüder müssen geben ihr Leben drauf.“

Bis 1855 sind keine Veröffentlichungen in Liederbüchern bekannt. 1855 brachte der Dichter und Liedersammler F. W. von Ditfurth (1821-1880) die Fränkischen Volkslieder, Teil II: Die weltlichen Lieder mit 12 Strophen des Liedes heraus. Seit dieser Veröffentlichung ist das Lied im Vergleich zu anderen Volksliedern, aber auch im Verhältnis zu anderen Soldatenliedern, nur in wenigen Liederbüchern erschienen. Bis zum Jahr 1907 (Historische Volkslieder und Zeitgedichte vom 16 bis 19. Jahrhundert mit 7 Strophen) ist vor der Jahrhundertwende hauptsächlich die bedeutende Liedersammlung Deutscher Liederhort III von Erk/Böhmer (1894) mit 12 Strophen zu erwähnen.

Mit Ausnahme von Singsang zur Drehorgel und Zupfgeige (1912) ist das Aushebungslied in keinem Liederbuch der Wandervogelbewegung enthalten. Dagegen taucht es 1914 und 1915, allerdings nur mit 5 bzw. 3 Strophen in Soldatenliederbüchern auf, und zwar 1914 in Deutsche Soldatenlieder, ohne die Strophe mit der Zeile „der Reiche kann sich helfen, der Arme muß ins Feld“ und 1915 in Das deutsche Soldatenlied. Im Krieg ist das Lied „kaum noch gesungen worden“ (Wilhelm Schumacher, Leben und Seele unseres Soldatenliedes im Weltkrieg, 1928, S. 231).

Ein Lied mit der Anfangszeile „Wo soll ich mich hinwenden in der betrübten Zeit“ passte den Nationalsozialisten nicht in ihre „Zeit der nationalen Erhebung“ bzw. „Erneuerung“. So nimmt es nicht Wunder, dass es in kein einziges NS-Liederbuch aufgenommen wurde. Laut Schendel-Archiv (deutscheslied.com) ist es in der Zeit bis 1945 nur in Volkslieder des rumänischen Banats (1935) und in Deutsches Lied der Sudetendeutschen (1938) vertreten.

In den meisten der wenigen nach dem Zweiten Weltkrieg erschienenen Liederbücher mit dem Lied sind nur die Strophen 1, 2 und die obige 7. Strophe enthalten. Die erste Ausgabe nach 1945 ist 1957 die Liedersammlung Ludolf Parisius und seine altmärkischen Volkslieder (um 1850), neu herausgegeben von der Volkskundlerin Ingeborg Weber-Kellermann. 1965 folgte eine Neuauflage des Ditfurth-Buches von 1872, Deutsche Volks- und Gesellschaftslieder des 17. und 18. Jahrhunderts, und danach 1972 Lieder gegen den Tritt. Politische Lieder aus fünf Jahrhunderten, herausgegeben von der Publizistin Annemarie Stern. Anhänger der Folkmusik kennen das Lied seit 1975 durch Hannes Waders Album Volkssänger (und bis 2000 durch fünf weitere Alben mit dem Lied, jeweils nur mit 3 Strophen, s. Video), durch Hein und Oss Kröher (Doppel-LP Auf der großen Straße, 1977 mit dem Titel Der Arme muß ins Feld) und/oder durch Live-Auftritte von Wader, den Gebrüdern Kröher, der Gruppe Zupfgeigenhansel oder auch aus ihrem Liederbuch Es wollt ein Bauer früh aufstehn 1978 (7 Strophen).

Im Liederbuch mit der höchsten Auflage, Die Mundorgel, (bis 2013 10 Millionen Druck- und 4 Millionen Notenauflage) ist es ebenso wenig enthalten wie in den bedeutenden Liedsammlungen der Liederforscher Ernst Klusen, Heinz Rölleke oder Brederich/Röhrich/Suppan wie in den auflagestarken Liederbüchern Das Volksliederbuch (Weltbildverlag), Das große Buch der Volkslieder (Bertelsmann, 1993) oder im Insel Taschenbuch Alte und neue Lieder mit ihren Weisen (4. Auflage 1979) und in anderen Lieder-Taschenbüchern der Verlage Reclam, Fischer, Heyne oder Moewig. Dagegen taucht es jedoch seit 1977 in der weitverbreiteten Liederkiste mit 12 Strophen auf, sowie 1981 in der Sammlung Lieder der Arbeiterbewegung der Büchergilde Gutenberg.

In den meisten Liederbüchern der Nachfolgeorganisationen der Jugendbewegung ist Wo soll ich mich hinwenden nicht zu finden mit Ausnahme des Liederbuchs der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (1985) und des Liederbocks (Verband Christlicher Pfadfinder, 1990).

Georg Nagel, Hamburg

Nachtrag

Die folgenden Strophen stammen ursprünglich aus den Fränkischen Liedern von Ditfurth  (s. o.). Sowohl der Große Steinitz (S. 336 f.) als auch die Liederkiste haben sie übernommen. Während die 8. Strophe in den ersten zwei Zeilen eine Variante der 7. ist (ähnlich auch Strophe 11 und 12), weisen die Zeilen 5 bis 8 eine Brisanz auf, die die Zensoren aktiv werden ließ. Betrachtet man die Verse 9 bis 12, wird verständlich, warum das Lied auch als Abschiedslied bezeichnet wurde und sie als später hinzugefügt angesehen werden.

7) „Adje nun, Vater und Mutter. Adje, mein lieber Freund!
Muß mich zur Reis‘ begeben, zur Residenz noch heut‘.
Der Himmel schütze euch! Wenn ich im Felde bleib‘
betet für meine Seele, daß sie komm‘ ins Himmmelreich!“

8) „Ach Vater, Schwester, Bruder, stellt euer Weinen ein!
Es kann nichts anders helfen, Soldat muss ich jetzt sein.
’s regieret in der Welt, die Falschheit und das Geld;
Der Reiche kann sich helfen, der Arme muss ins Feld“.

9) Der Vater weint um seinen Sohn, die Mutter um ihr Kind;
das Weib bedauert ihren Mann, weil sie geschieden sind;
Die Schwester um den Bruder, die Kinder um den Vater;
das ist ein Lamentieren, daß man nicht hören kann.

10) „Mein Schätzchen steht von weiten, schaut mich ganz traurig an;
ich sag es allen Leuten, was sie mit Gut’s getan.
Ob ich gleich fortmarschier‘, bleibt doch mein Herz bei dir
und bis zum Tod ergeben, gib mir das dein‘ dafür!“

11) „Noch ein Kuss wirst geben zum Zeugnis meiner Treu;
Ich geb‘ dir zwei dagegen und liebe dich aufs Neu.
Leb‘ wohl, denk‘ oft an mich! Und glaube sicherlich:
Wann ich einst wiederkomme, gewiss ich heirat‘ dich!“

12) „Man hört die Vöglein singen, die liebliche Musik;
Ich wünsch‘ vor allen Dingen ein angenehmes Glück.
Leb‘ wohl, denk‘ oft an mich! Und glaube sicherlich:
Wann ich zu Hause komme, gewiss heirat‘ ich dich!“