Vereinsliebe als Passion. Zu Maximilian Kerners „Iiech bin a Glubberer“

Maximilian Kerner

Iiech bin a Glubberer

Manche gänger in ihr Ärwäd, jede Wochng, jedn Dooch
des wennsd fümfervöddsg Johr gmachd hast, vill hasd ned außer am Schlooch.
Danooch gänger's in Bension, grübblgrumm, grank und gabutt.
Und ich geh Samsdooch Nammidooch a bissla zu meim Glubb.

Iiech bin a Glubberer und ich wer's immer bleim.
Uugmoold habb i schwadds und roud mei Fensderscheim.
Mei Nachbern soong ich gherrad in a Derrabie
und an jeds münchner Audo bruns mer a weng hie.

Manche hauer si a Greem und a Louschn aaf die Haud
fingerdigg, damid der Doud ned aus jeder Faldn schaud.
Manche reddoschiern ihr Foddo fir a Ehe-Inschdidudd.
Mei Haud is roud, vom Dreg ofd schwadds, wall des sin die Farm vom Glubb.

Iiech bin a Glubberer und mei Härdz hängd an ihm droo.
Und schdadd am Gruddsifix, do hängd a Endnmoo
an meiner Wänd lehmsgrouß als Farbfoddografie,
und an jeds Münchner Audo bruns mer aweng hie.

Manche siggsd im Schweinsgalobb, su als däds ihner bressiern,
suball si moll aweng wos rührt, in die Oddoschdrass marschiern.
An Fuchdsger zoolsd doo logger, fir an aansichn, koddsn Schubb.
Wädds z'haas in meiner Huusn, gäi ich aweng zum Glubb.

Iiech bin a Glubberer und ich wer‘s immer bleim […]

Manche beedn si an ab, jedn Sunndooch in der Kärch,
sie simmer so symbaddisch wäi fir an Fruusch die Schdärch.
Manche boodn im Weihwasser, wass ned, ob des su goud dudd.
Wenn ich beed, dann beed i häggsdns um zwaa Bungde fir mein Glubb. 

Iiech bin a Glubberer und ich wer's immer bleim […]

Manche siggsd in Himalaya fläing, walls häicher nimmer gäit.
Alle mid am Moddsdrumbuggl, des is es Sauerstoffgerät.
Mim Gleddern hobbich nix am Houd, mir langd mei Schmausenbugg,
do binni bliddsschnell drundn und hobs ned weid zum Glubb. 

Iiech bin a Glubberer und ich wer's immer bleim […]

Manche kochn aaf Chinesisch, wall des is der leddsde Schrei.
Wennich koch, dann blos franzesisch, a Bulliong mid am Ei.
Und will i moll wos wergli gouds, der Gschmagg is absoludd
vo am Saddienerweggla, drassn bei meim Glubb. 

Iiech bin a Glubberer und ich wer's immer bleim […]

Manche gänger in die Bärch und do foans a bissla Schii.
Manche schbringer mid am Fallschirm, wenner zou bleibd, dann sin s hie.
Manche laffm hunderd Meeder in am aansichn, koddsn Schbodd.
Und ich laff Samsdooch Namidooch vo der Schdrassaboo zum Glubb.

Iiech bin a Glubberer und ich wer's immer bleim […]

Manche hom an Oarsch so hadd, daßd der dengst: Ich glaab, ich schbinn.
Blos wennsd draafhausd mergst sofodd, sie hom an Flachmann hindn drin.
Ich dring aa moll gern a Schnäbbsler, ich mach aamoll gern an Schlugg,
blos an Vullrausch hobbi seldn, wall er gwinnd net ofd mei Glubb. 

Iiech bin a Glubberer und ich wer‘s immer bleim […]

Manche färchdn si vorm Doud, manche färchdn si vorm Schderm.
Andre waddn scho lang draaf, gibds a bissla wos zu ärm.
Ich hab ka Angsd, wenn ich amoll do aaf meim Siechbedd lich,
ich was, der Heiner Stuhlfaud und der Ströll waddn aaf miich.

Iiech bin a Glubberer, des ganze Abschdiegsgwaaf,
des is mer woschd, wall näggsds Joah steing mer widder aaf.
Mir kummer widder und zwoa under Garandie,
und an jeds Münchner Audo bruns mer widder hie.
Und an jeds Münchner Audo bruns mer widder hie. 
Und an jeds Münchner Audo .... brunsmer widder hiiiie!

     [Kerner's Kombo: Iiech bin a Glubberer. Music Media 1995.]

Mit dem Fußball und der Musik ist es ja bekanntlich so eine Sache. Einige Aspekte dieser komplizierten Beziehungen wurden im Rahmen der Bamberger Anthologie etwa schon bezüglich der Weltmeister-Schlager Fußball ist unser Leben (1974) und Wir sind schon auf dem Brenner (1990), bezüglich der Lieder Er steht im Tor (Wenke Myhre, 1969) und Bayern (Funny van Dannen/Die Toten Hosen, 1999) sowie am Rande eines Beitrags zu Max Schmelings Das Herz eines Boxers (1930) angesprochen. Vor einigen Wochen konnte man in einer Sonderausgabe der Fußballzeitschrift 11Freunde zum Thema „Fußball und Pop“ lesen, was Werder Bremens Stadionsprecher und -DJ Arnd Zeigler über die Auswahl der Stimmungshits für die Halbzeitpause und die Unmöglichkeit eines „ultimativ-perfekten Stadion-Musikprogramm[s]“ (hier der Artikel auf 11freunde.de) zu berichten weiß. Auch die sogenannten Torhymnen, die bei einem erfolgreichen Abschluss der Heimmannschaft für einige Sekunden eingespielt werden, sind ein sensibles Thema (vgl. hierzu z.B. die Diskussionen beim 1. FC Nürnberg – nachzulesen in Artikeln auf der Internetpräsenz der Nürnberger Nachrichten, die von den Saisonauftakten 2012 und 2013 berichten.

Egal, ob Vereins-, Einlauf-, Tor- oder Halbzeithymnen, die Ansichten in der Kurve und die Meinungen auf der Haupttribüne kollidieren beim Thema Musik häufiger. Die Mischungen, die klassischerweise auf Geheiß der Marketingabteilungen aus Schlagermelodien oder weichgespültem Hardrock und mit Pathos aufgeblasenen, aber letztlich allzu oft allzu platt bleibenden Liebeserklärungen angerührt werden, zünden bei den Anhängern nicht zwangsläufig. Umgekehrt war das, was traditionell – gerade an beleidigendem Liedgut – aus den Fanblöcken kommt, den Vereinsbossen nie ganz geheuer. Hinzu kommt, dass Fußballhymnen per se nicht gerade als Meisterwerke anspruchsvoller Lyrik angesehen werden (vgl. hierzu die Kommentare zu den Vereinshymnen von Borussia Dortmund und dem FC Bayern München).

Als ein (zunächst einmal rein subjektiv betrachtet sehr positives) Gegenbeispiel zu all den eher mittelmäßigen Liedern über eine innige Beziehung zu einem Fußballverein sei hier das Lied Iiech bin a Glubberer von Maximilian Kerner vorgestellt. Nicht völlig überraschend wurde es bei den oben erwähnten Diskussionen über einen erträglichen Jingle zum Torjubel aus den Reihen der Club-Fans mehrfach als Alternativlösung vorgeschlagen. Das Stück aus dem Jahre 1995 genießt anhaltende Beliebtheit – obwohl bzw. gerade weil es weder plumper Schlager noch weichgespülter Hardrock noch pathetisch noch sonst etwas ist.

Als im Jahre 2005 der Tod des Nürnberger Mundart-Lyrikers (seine Gedichtbände heißen u.a. Druggns Brood oder Gnabb derneem) und Liedermachers (z.B. Gostenhofer Blues und Wos soll mer do machen) Maximilian Kerner vermeldet wurde, hob die Nürnberger Zeitung den „größte[n] Hit von Kerners Combo“ als „die einzige Fußball-Hymne, in der das Wort ‚Therapie‘ vorkommt“ (Nürnberger Zeitung am 29.07.2005) hervor. Ohne dass nachgeprüft werden kann, ob Iiech bin a Glubberer tatsächlich das „einzige“ entsprechende Musikstück mit einer Verwendung dieses Begriffes ist, dürfen die eher fanhymnenuntypischen Bilder, mit denen das Sprecher-Ich hier sein für manchen krankhaft erscheinendes Fan-Sein – seinen Fanatismus – besingt, als Besonderheit (und eine wesentliche Qualität) des Liedes angesehen werden.

Zum besagten Begriff Fanatismus heißt es in einem Online-Psychologie-Lexikon: „Mit positiver Konnotation gebraucht, wenn eine hohe emotionale Verbundenheit und unbedingte Identifikation mit einem Objekt oder einer Tätigkeit besteht.“ Auf einer anderen Seite dieser Art wird der Fanatismus als „unduldsames, kompromißloses, aggressives Eintreten für eine Sache und Verfolgen eines Ziels“ definiert. Auf Wikipedia findet man zum Stichwort folgenden Satz: „Daraus kann sich eine erhebliche Einseitigkeit der Lebensführung ergeben, und es kann nicht zuletzt zu Spannungen mit Partnern oder Bezugspersonen kommen, die sich vernachlässigt fühlen.“

Von einem „Partner“ ist im Lied erst gar nicht die Rede, das „Ehe-Inschdidudd“ kommt nicht in Frage, auch die im Umfeld der Nürnberger „Oddoschdrass“ tätigen Prostituierten erscheinen wenig attraktiv, als „Bezugspersonen“ werden einzig die eher verständnisarmen „Nachbern“ genannt. Demzufolge lässt die Lebensbeschreibung eine „erhebliche Einseitigkeit“ erkennen. „Ärwäd“ ist nachrangig, genauso wenig interessiert das Kochen gemäß dem „der leddsde[n] Schrei“. Auch andere Beschäftigungen wie „a bissla Schi“, „[S]pringer mid am Fallschirm“ oder Bergsteigen mit einem „Sauerschdoffgeräd“ kommen nicht in Frage. Zumindest was das aktive Ausführen dieser (Extrem-)Sportarten anbelangt, bleibt alles hinter dem Erlebnis eines „Samsdooch Namidooch[s]“ beim geliebten „Glubb“ zurück.

In Ansätzen „aggressives“ Verhalten zeigt sich gegenüber Fahrzeugen mit Münchner Kennzeichen: die potenziellen Erzfeind-Fans müssen es über sich bzw. ihre „Audo[s]“ ergehen lassen, dass „mer a weng hie“ urinieren. Gegenüber Andersgläubigen wird ein in tendenziell „unduldsames“ Benehmen erkennbar: Wenn statt „Gruddsifix“ der (speziell aus damaliger FCN-Perspektive) ‚langjährige‘ Cheftrainer Willi „Endnmoo“ Entenmann an der Wand hängt, zeigt das, dass Fußball zur (Ersatz-)Religion geworden ist. Konventionell praktizierende Christen sind dem so stark auf den Fußball Ausgerichteten so „so symbaddisch wäi fir an Fruusch die Schdärch“. Er stellt klar: „Wenn ich beed, dann beed i häggsdns um zwaa Bungde fir mein Glubb.“ Entsprechend relativiert sich auch die Angst vor dem Tod angesichts der Gelegenheit eines Wiedersehens mit den vorausgegangenen Vereinsidolen Heinrich Stuhlfauth und Heinz Strehl. Man kann dies zweifellos als „kompromißloses“ Denken werten.

Wenn neben der Fensterscheibe auch die Haut „schwadds und roud“ ist, bezeugt dies die „hohe emotionale Verbundenheit und unbedingte Identifikation“. Das Fan-Sein ist nach außen hin deutlich sichtbar, mehr noch, es bestimmt die gesamte Weltsicht, so dass zwangsläufig alle alltäglichen Situation letzlich einen Bezug zu dem einen Verein aufweisen. Das Bekenntnis zu dieser Lebensführung erscheint umso stärker, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es  aus jener dunklen Zeit stammt, in der die erste Mannschaft gerade dabei war, von der zweiten in die dritte Liga abzusteigen. In diesem Kontext wirkt auch der Satz „Iiech bin a Glubberer, des ganze Abschdiegsgwaaf, / des is mer woschd, wall näggsds Joah steing mer widder aaf.“. Wurscht, was passiert, der Club-Fan bleibt Club-Fan.

Martin Kraus, Bamberg

Über deutschelieder
“Deutsche Lieder” ist eine Online-Anthologie von Liedtextinterpretationen. Liedtexte sind die heute wohl meistrezipierte Form von Lyrik, aber zugleich eine in der Literaturwissenschaft vergleichsweise wenig beachtete. Die Gründe für dieses Missverhältnis reichen von Vorurteilen gegenüber vermeintlich nicht interpretationsbedürftiger Popkultur über grundsätzliche Bedenken, einen Songtext isoliert von der Musik zu untersuchen, die Schwierigkeit, eine editorischen Ansprüchen genügende Textfassung zu erstellen, bis zur Problematik, dass, anders als bei Gedichten, bislang kaum ein Korpus von Texten gebildet worden ist, deren Interpretation interessant erscheint. Solchen Einwänden und Schwierigkeiten soll auf diesem Blog praktisch begegnet werden: indem erprobt wird, was Interpretationen von Songtexten leisten können, ob sie auch ohne Einbeziehung der Musik möglich sind oder wie eine solche Einbeziehung stattfinden kann, indem Textfassungen zur Verfügung gestellt werden und im Laufe des Projekts ein Textkorpus entsteht, wenn viele verschiedene Beiträgerinnen und Beiträger ihnen interessant erscheinende Texte vorstellen. Ziel dieses Blogs ist es nicht nur, auf Songtexte als möglichen Forschungsgegenstand aufmerksam zu machen und exemplarisch Zugangsweisen zu erproben, sondern auch das umfangreiche Wissen von Fans zugänglich zu machen, das bislang häufig gar nicht oder nur in Fanforenbeiträgen publiziert wird und damit für die Forschungscommunity ebenso wie für eine breite Öffentlichkeit kaum auffindbar ist. Entsprechend sind nicht nur (angehende) Literaturwissenschaftler/-innen, sondern auch Fans, Sammler/-innen und alle anderen Interessierten eingeladen, Beiträge einzusenden. Dabei muss es sich nicht um Interpretationen im engeren Sinne handeln, willkommen sind beispielsweise ebenso Beiträge zur Rezeptions- oder Entstehungsgeschichte eines Songs. Denn gerade die Verschiedenheit der Beiträge kann den Reiz einer solchen Anthologie ausmachen. Bei den Interpretationen kann es schon angesichts ihrer relativen Kürze nicht darum gehen, einen Text ‘erschöpfend’ auszuinterpretieren; jede vorgestellte Lesart stellt nur einen möglichen Zugang zu einem Text dar und kann zur Weiterentwicklung der skizzierten Überlegungen ebenso anregen wie zum Widerspruch oder zu Ergänzungen. Entsprechend soll dieses Blog nicht zuletzt ein Ort sein, an dem über Liedtexte diskutiert wird – deshalb freuen wir uns über Kommentare ebenso wie über neue Beiträge.

2 Responses to Vereinsliebe als Passion. Zu Maximilian Kerners „Iiech bin a Glubberer“

  1. Pingback: Die Bayern im Stadion der Hoeneßwut | ZEIT ONLINE – Alles Wissen

  2. Pingback: Vipmail 226 – Vipraum 2

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..