Herzenssachen. Teil II: „Dein ist mein ganzes Herz“ aus Franz Lehárs Operette „Das Land des Lächelns“ (Text: Ludwig Herzer/Fritz Löhner-Beda)
19. November 2012 Hinterlasse einen Kommentar
Zu Teil I: Herzenssachen. “Dein ist mein ganzes Herz” von Heinz Rudolf Kunze und dessen schlagergeschichtliches Vorbild “Dein ist mein ganzes Herz” von Franz Lehár (Text: Ludwig Herzer/Fritz Löhner-Beda)
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Ludwig Herzer/Fritz Löhner-Beda
Dein ist mein ganzes Herz
Dein ist mein ganzes Herz!
Wo du nicht bist, kann ich nicht sein.
So, wie die Blume welkt,
wenn sie nicht küsst der Sonnenschein!
Dein ist mein schönstes Lied,
weil es allein aus der Liebe erblüht.
Sag mir noch einmal, mein einzig Lieb,
oh, sag noch einmal mir:
Ich hab dich lieb!
Wohin ich immer gehe,
ich fühle deine Nähe.
Ich möchte deinen Atem trinken
und betend dir zu Füssen sinken,
dir, dir allein! Wie wunderbar
ist dein leuchtendes Haar!
Traumschön und sehnsuchtsbang
ist dein strahlender Blick.
Hör ich der Stimme Klang,
ist es so wie Musik.
Dein ist mein ganzes Herz!
Wo du nicht bist, kann ich nicht sein.
So, wie die Blume welkt,
wenn sie nicht küsst der Sonnenschein!
Dein ist mein schönstes Lied,
weil es allein aus der Liebe erblüht.
Sag mir noch einmal, mein einzig Lieb,
oh, sag noch einmal mir:
Ich hab dich lieb!
Teil II: Synästhesie:
In der ersten Strophe von Kunzes Dein ist mein Ganzes Herz zitiert Kunze eine ganze Reihe an literarischen Vorbildern, um eine apokalyptische Einstiegsstimmung zu erzeugen. Den Vorgängertext Dein ist mein ganzes Herz zitiert Kunze im Verlauf des Liedes zweimal direkt. Sein Vorgehen beim Zitieren des Prätexts wirkt dabei weniger im karnevalistischen Sinne als Parodie, sondern mehr als ernstgemeinte Pastiche, um den Themenkomplex Liebe und Liebesschmerz zeitgenössische auszudrücken. Der konkrete Bezug auf den vorangegangen Schlager ist dabei gleichzeitig Aktualisierungsmethode der Schlagersprache zur Beschreibung des Beziehungskonzepts auf dem Stand der 1980er und Veranschaulichung der Überzeitlichkeit von Liebesfragen und Liebesgefühlen. Für das ausgehende 20. Jahrhundert kommt Kunzes Hit dabei über weite Teile erstaunlich ironiefrei aus.
Freilich kann man hier und da ein kleines intertextuelles Augenzwickern entdecken. Beispielsweise sehen Grabowsky und Lücke (100 Schlager, S. 54-56) in ihrem Beitrag zu Dein ist mein Ganzes Herz die Verwendung des Reimpaars Herz/Schmerz als Verulkung vergangener Schlagertraditionen. Ein Bezug auf diese Reimgepflogenheit ist unbestritten vorhanden, da ja gleich ein ganzer Herz-Schmerz-Schlager samt Herz im Titel mitzitiert wird, allerdings handelt es sich hier höchstens um partielle Ironisierung. Die Autoren merken nämlich auch an, dass Kunzes Liebesstück „ehrlich und voller Sympathie“ wirkt. Eine ironische Lesart ist bei vielen Texten möglich und mitunter schwer widerlegbar, soll aber hier zugunsten einer Lesart des Textes als authentisches Liebes-Update vernachlässigt werden.
Wie im ersten Teil der Interpretation schon angedeutet ist die das Lied motivierende Situation bei beiden Herz-Verschenkern gleich: Sie sind von ihrer „einzig Lieb“ (Operette) getrennt und möchten doch nichts anderes als nur bei ihr sein. Denn für beide gilt: „Dein ist mein ganzes Herz.“ Die Sprecher können nicht ohne ihre große Liebe leben und müssen es doch. Sie stehen vor dem Ende einer Beziehung (bei Kunze) oder vor dem Problem der Unmöglichkeit einer Beziehung mit einer bestimmten Person (bei Lehár). Wo bei Kunzes Paar das Liebesleid selbstverschuldet ist, leidet der singende Prinz im Land des Lächelns an seiner gesellschaftlichen Rolle, die ihm manche Verhältnisse eben schlichtweg nicht erlaubt. Diese Verteilung von Privatsein und Öffentlichsein lässt sich auch an gesellschaftliche Tendenzen während der Entstehungszeit der Lieder anbinden. Die starken Einflüsse von öffentlichem Rollendenken, an denen der Prinz leidet, erklären sich mit den sozialen Hierarchien und bürgerlichen Zwängen, die die Gesellschaft um 1920 noch stark prägen. Bei Kunze ergibt sich der Fokus auf Intimität aus der zunehmend individualisierten, liberalen Gesellschaft in den 1980ern.
Die Dichotomie zwischen Intimität und Außenwirkung lässt sich auch an der Aufführungspraxis der einzelnen Lieder ablesen: Für gewöhnlich werden Operetten in Theatern vor einem großen Publikum aufgeführt, populäre Arien bei Liederabenden oder Revuen, in jedem Fall aber hört man sie gemeinsam in der Öffentlichkeit. Ein Übergang in den privaten Raum bildet das Grammophonhören oder Radiohören, das erst ab 1923 möglich war. Jedoch war auch das zumeist ein Event für die ganze Familie und keineswegs immer verfügbar (vgl. Hanno Sowades Artikel zum technischen Fortschritt und der Ware Schlager. In: Melodien für Millionen. Bielefeld/Leipzig: Keber 2008, S. 22-31). Im Entstehungszeitraum von Kunzes Hit, war Musik hingegen überall verfügbar, personalisierter und die musikalische Erfahrung in den meisten Fällen zum Einzelerlebnis geworden. Abgeschirmt von der Außenwelt kann man nun die Lieder über Walkman hören, oder aber allein vorm Radio oder der Stereoanlage. Es ist zu vermuten, dass die Stilveränderungen zwischen beiden Schlagern dieser Umstellung auch Rechnung tragen, denn in einem Operettenhaus sollte es trotz allem Gefühl nicht zu intim werden. Man bewegt sich schließlich in einem öffentlichen Raum.
Folglich ist die Sprache in Herzers und Löhner-Bedas Hit zwar nicht weniger intensiv, aber nicht so schlafzimmerlastig (z.B. „Nachtgeruch“, „Wimpern auf dem Kissen“ s. u.) wie bei Kunze. Trotz der Möglichkeit einer frivoleren Sprechweise, wie Lola (vgl. Eintrag in diesem Blog) sie einige Jahre später zeigt, bedienten sich die Operettentexter, für die Rolle eines wohlerzogenen Prinzen angemessen, sauberer Sprachbilder aus der romantischen Tradition, und damit vor allem aus dem eher unverfänglichen Bereich der Natur. Nach den zwei Sentenzen zu Beginn des Lieds („Dein ist mein ganzes Herz!/ Wo du nicht bist, kann ich nicht sein.“), die die inhaltliche Stoßrichtung vorgeben, kommt der Natureinstieg: „So, wie die Blume welkt,/ wenn sie nicht küsst der Sonnenschein!“ (L). Das Sprachbild lässt sich mit Bezug auf die zwei Partner entschlüsseln: Die Blume ist der Prinz, der Sonnenschein die Geliebte. Die Blume kann ohne das Sonnenlicht nicht überleben, wie der Prinz nicht ohne die Liebe seiner Angebeten leben kann, so klar die Kausalität. „Wo du nicht bist, kann ich nicht sein.“
Mit dem Gebrauch von Naturbildern und den damit erläuterten Gesetzlichkeiten bedient die Arie eine gängige Tradition in Schlagertexten, die Werner Hahn in seinem Essay zu Schlagertexten (Schlager in Deutschland. Wiesbaden: Breitkopf & Härtel 1972, S. 25-39) kommentiert: „Der Schlager unterstellt schlicht, daß dem wechselhaften Liebesleben die gleiche Unabänderlichkeit eigne wie dem Naturablauf.“ Der unterschwelligen Kritik die in diesem Satz mitschwingt, kann man allerdings auch den Verweis auf menschliche Grundkonstanten entgegenstellen, die eben einfach eine Ähnlichkeit zu Naturabläufen aufweisen. Eine Verbindung lässt sich gar zu frühen poetischen Traditionen sehen. Bereits Archilochos und Sappho leiden unter dem schicksalhaften Wechselbad der Gefühle, erkennen dies aber auch als von den Göttern gegeben.
Die Symbole Blume und Sonnenschein warten zusätzlich mit Bezügen zu literarischen Vorgängern auf. Die blaue Blume als das romantische Symbol, das im Heinrich von Ofterdingen mit dem traumhaften Erwachen des mittelalterlichen Protagonisten verbunden ist, lässt sich mit relativ viel interpretatorischer Mühe als Bezugspunkt sehen, würde dann aber auf eine doch nicht ganz so saubere Konnotation hinweisen, da es sich dann auch um ein sexuelles Erwachen handeln würde. Viel direkter aber und der Situation des Sprechers angemessener ist der Bezug zum Sonnenmotiv im Minnesang: Heinrich von Morungen vergleicht seine angebetet frouwe ständig mit hochstehenden, und für den minnenden Sänger folglich unerreichbaren Lichtquellen. Mit seiner Lichtmetaphorik beschreibt er zugleich den Glanz und die Unnahbarkeit der hehren Dame. Diese Situation veranlasst den Sänger schließlich zum Klagen. Eine ähnliche Tragik wohnt dem Sonnenscheinanbeten, Prinz Sou-Chong inne.
Den Bezug zum Minnesang legen auch die auf das Sonnenbeispiel folgenden Zeilen im wahrsten Sinne des Wortes ans Herz, weil sie den Gesang als Reaktion auf Liebesnot anführen, im Topos des Minnesangs: „Dein ist mein schönstes Lied, weil es allein aus der Liebe erblüht“ (L). Im Unterschied zur Minnesangsituation wurde der Prinz schon einmal von seiner Liebesten erhört, doch das wird wohl aufgrund der gesellschaftlichen Zwänge nicht mehr geschehen können, und auch beim Minnesang ist es ja die Gesellschaft und deren Verhaltenskodex, der ein Verhältnis zwischen Minnesänger und Dame verbietet. Aufgrund seiner Ausweglosigkeit verfällt der Prinz schließlich in einen leicht flehenden Ton: „Sag mir noch einmal, mein einzig Lieb,/ oh sag noch einmal mir:/ Ich hab dich lieb!“. Und auch die Minnesänger erwarten von ihrer Herzdame zunächst oft nur ein paar Worte, um ihre Sehnsucht zu stillen. Mit der Referenz zur mittelalterlichen Tradition des Minnesangs wird die Verbindung zu romantischer Rhetorik unterstrichen, denn die romantische Dichtung ist für ihre (nostalgisch verklärende) Integration von Mittelalterbildern bekannt.
Ein weiteres stilprägendes Merkmal romantischer Sprache ist die Verwendungen bestimmter rhetorischer Mittel, mit denen möglichst viele Sinne angesprochen werden sollen. Der B-Teil von Lehárs Arie wuchert gleich strophenüberdeckend mit dem zentralen romantischen Stilmittel der Synästhesie. Die künstlerische Verschmelzung von wirklich allem ist Kernanliegen romantischer Universalpoesie, die auf rhetorischer Ebene durch das Ansprechen vieler Sinne zugleich ihre Abbildung gefunden hat. Genau dieses Mittels bedient sich auch der Prinz, um die überwältigende sinnliche Erfahrung der Liebe für seine Herzdame zu äußeren. Er beginnt mit dem Tastsinn: „ich fühle deine Nähe“, darauf folgen Geschmacks- und Geruchssinn, oder zumindest die Berührung der Zunge durch ausgeatmete Luft („Ich möchte deinen Atem trinken“). Der Sehsinn wird durch erneuten Einsatz von Lichtmetaphorik gereizt: „Wie wunderbar ist dein leuchtendes Haar!/ Traumschön und sehnsuchtsbang/ ist dein strahlender Blick“. Dazu werden in diesen Zeilen zwei zentrale romantische Motive in neologistischen Wortverschmelzungen erwähnt: Traum und Sehnsucht. Zum Schluss wird noch der Hörsinn und das romantische Motiv der Musik, des in allen Dingen schlafenden Lieds der Welt, bedient: „Hör ich der Stimme Klang, ist es so wie Musik“.
Das Tragische: So sehr Sou-Chong seine Geliebte auch vergöttert und synästhetisch verklärt, sein Lied ist im Grund ein Abschiedslied. Sou-Chong wird seine große Liebe nicht heiraten können aufgrund seiner Pflichten als chinesischer Prinz. Die romantische Sprache wirkt in diesem Zusammenhang glaubwürdig und ebenso ehrlich wie Kunzes Sprache in seiner Zeit, da sie stilistische Abbildung eines abschiedstraurigen, verklärenden Blicks ist, ein letztes sehnsuchtsvolles Auf Wiedersehen. Die Frage bleibt offen, ob Kunzes Protagonist neben der Überzeitlichkeit der tiefen Gefühle auch die Gewissheit über den endgültigen Abschied durch den Verweis auf die Arie mitzitiert.
Was Kunze allerdings nicht mitzitiert, ist die romantisch verklärende Sprache. Ganz prosaisch und alltäglich werden bei ihm die Bilder. Ein Bezug auf Politisches beispielweise verhindert ein Abgleiten in gefühlsbetonende Schwere, auch wenn die Aussage letztendlich genau auf das Gefühlsbetonende hinauswill: „Was sind das bloß für Menschen die Beziehungen haben/ betrachten die sich denn als Staaten“ – nach der Hölle nun also eine weitere menschenaufreibende Hölle: die Politik. Das Spiel mit dem Teekesselchen Beziehung führt zwei Beziehungskonzepte ein, wobei das diplomatische ein negatives Exemplum, das zwischenmenschlich-liebevolle ein positives dargestellt. Der Sprecher hat beide erlebt, oder befindet sich gerade im Übergang: Aus der von gegenseitiger Wärme geprägten Verbindung zwischen zwei Menschen wird ein von kaltem Utilitarismus geprägtes Verhältnis zweier Parteien werden. Dazu hat sich das Wort Beziehung in den 1980er Jahren auch einfach als zeitgenössische Variante herausgebildet, um von gemeinschaftlichem Zusammenleben, einem Verhältnis zu sprechen.
Durch diese Verwischung der semantischen Grenzen zwischen Liebesbeziehung und politischer Diplomatie schimmert die Kritik an der modernen Beziehungsweise von Menschen, bei der Beziehungen oft kühl und sachlich geführt werden, eben wie auf diplomatischer Ebene. Dabei kommt das Sinnliche abhanden, es gibt keine „Verführung“ mehr, sondern – schlagen schließlich die diplomatischen Beziehung auch noch fehl – nur noch gewaltsames Nützlichkeitsdenken (also „Entführung“). Das Spiel mit verführen und entführen zeigt schon auf sprachlicher Ebene, wie schnell sich die Vorzeichen, oder die Vorsilben, in einer Beziehung verschieben können. Die Folge eines politisch geführten Beziehungslebens ist das Enden als „Diplomaten“. Welches Ende eine kühl und sachlich geführte Liebesbeziehung nehmen kann, verrät Erich Kästners Sachliche Romanze aus dem Jahre 1928.
Der romantisierenden Tendenz in Lehárs Arie wirkt Kunze neben dem prosaisch- politischen Wortschatz auch mit einer alltagsnahen, schmuddligeren Wortwahl entgegen. Wo die Vermittlungsinstanz im Operettenhit noch in rosaroter romantischer Sprechweise den weiblichen Schönheitskatalog herbetet – „dein leuchtendes Haar“, „dein strahlender Blick“, „der Stimme Klang/ist […] so wie Musik“ – poetisiert der Sprecher in Kunzes Herzenssache nüchterne Alltäglichkeiten: „ich brauche jeden morgen deinen Nachtgeruch/ und keine falschen Wimpern auf dem Kissen“. Das ist die intimere Variante einer Synästhesieerfahrung in den 1980ern. 60 Jahre zuvor versuchte man solche Alltäglichkeiten noch zu vertuschen.
In der operettenhaften Scheinwelt des Sehens und Gesehenwerdens riechen Menschen nicht, und die falschen Wimpern sitzen akkurat, damit niemand sieht, dass man da etwas nachgeholfen hat. Wenn Kunzes Protagonist also „keine falschen Wimpern“ auf seinem Kissen vorfinden möchte, dann ist er eben nicht auf Scheinverhältnisse aus (am Ende mit einer hochgeschminkten Prostituierten?), sondern auf ein echtes, ungeschminktes Verhältnis. Liest man „und keine falschen Wimpern“ als nicht mit brauchen in Verbindung stehendes syntaktisches Anhängsel, könnte sich auch die Lesart ergeben, dass der Sprecher die Wimpern auf dem Kissen vermisst, weil er sie sonst immer nach dem Aufwachen auf dem Kissen vorgefunden hat.
Bei „Nachtgeruch“ schwingt gar Derb-Animalisches mit, denkt man an „Stallgeruch“ oder an Hunde und deren Hang zum gegenseitigen Beschnuppern der am hinteren Teil des Tieres angebrachten Körperöffnung. Lehárs „Ich möchte deinen Atem trinken“ klingt dagegen vornehm. Passend zur Operette denkt man an in der Sonne glitzernde Waldflüsschen oder mit perlendem Champagner gefüllte Kristallkelche, aus denen elegant genippt wird. Beschrieben wird aber das gleiche Phänomen, nur in Dein ist mein ganzes Herz 1985 wird es im wahrsten Sinne des Wortes ungewaschener präsentiert.
Bei Kunze kommt zu dieser rhetorischen Erdung noch die Explizierung des Trennungsschmerzes, die bei Herzer und Löhner-Beda nicht im Reim expliziert wird. In ihrer Version von Dein ist mein ganzes Herz aus den 1920er fehlt ein Reimwort auf Herz, wodurch – und das ist herauszustellen – sie diese Reimtradition subtiler bedienen, nicht den vollen Weg gehen. Kunze, könnte man meinen, ist hier weniger subtil, da er die Reimkombination Herz/Schmerz gnadenlos bedient, allerdings liefert er zur Entschärfung auch gleich einen Metakommentar mit: „Herz“ ist nun ganz offen als „Reim auf Schmerz“ thematisiert. Damit blitzt auch eine Ambivalenz durch: Liebe kann sowohl Schmerzmittel (also Gegengift – Herz als heilender Reim auf Schmerz) als auch Schmerzverursacher sein (also Auslöser – Herz zieht das Reimwort Schmerz nach sich). Außerdem lässt sich wie bei Pech und Schwefel eine positive Wendung herauslesen, denn Herz/Schmerz ist ein ideales und häufig gebrauchtes Reimpaar. Es passt schlicht und einfach sehr gut zusammen.
Ob dies allerdings nur noch eine Wunschvorstellung des Sprecher-Ichs ist, kann nicht ganz entschieden werden. In diesem Zusammenhang ist noch zu bemerken, dass nach dem Teufel aus der ersten Strophe im Refrain weitere phantastische Gestalten die Sprachbildfläche betreten. Das Sprecher-Ich malt bei Kunze ein Zukunftsbild: „wir werden wie Riesen sein uns wird die Welt zu klein“. Der Riesen-Vergleich legt erneut eine leicht verrückte Weltsicht nahe, die darauf verweisen könnte, dass sich der finstere Reiter nur noch Illusionen macht, dass ein glücklicher Ausgang mehr Wunschdenken, mehr Fiktion und Phantasie, als Realität ist. Übergroß. In diese Wahnvorstellungen passt auch, dass der Protagonist, um sich aufzumuntern, gar schon etwas gutes im Reimpaar Herz/Schmerz sieht. Prinz Sou-Chong macht sich diese Hoffnungen erst gar nicht, er wünscht sich zum Abschied nur noch ein „Ich hab dich lieb!“. Den Schmerz kann man sich denken.
Florian Seubert, Bamberg