Das Bier der frühen Jahre. Zu Paul Kuhns „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ (1963)
30. September 2013 1 Kommentar
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Paul Kuhn (Text: Wolfgang Neukirchner) Es gibt kein Bier auf Hawaii Es gibt kein Bier auf Hawaii, es gibt kein Bier D'rum fahr' ich nicht nach Hawaii, d'rum bleib ich hier. Es ist so heiß auf Hawaii, kein kühler Fleck Und nur vom Hulahula geht der Durst nicht weg. Meine Braut die heißt Marianne, wir sind seit 12 Jahren verlobt. Sie hätte mich so gern zum Manne, sie hat schon mit Klage gedroht. Die Hochzeit wär' längst schon gewesen, wenn die Hochzeitsreise nicht wär'. Denn sie will nach Hawaii, ja sie will nach Hawaii, und das fällt mir so unsagbar schwer. Es gibt kein Bier auf Hawaii, es gibt kein Bier. […] Ja wenn sie mit nach Pilsen führe, tja dann wär'n wir längst schon ein Paar, Doch all meine Bitten und Schwüre verschmähte sie Jahr um Jahr. Sie singt statt Gutnacht neue Lieder von den Palmen am blauen Meer, Denn sie will nach Hawaii, ja sie will nach Hawaii, und das fällt mir so unsagbar schwer. Es gibt kein Bier auf Hawaii, es gibt kein Bier. […] [Paul Kuhn: Es gibt kein Bier auf Hawaii / Bier, Bier, Bier ist die Seele vom Klavier. Columbia 1963.]
Es gibt tausend Gründe, nicht zu heiraten. Wem selbst keine einfallen, der kann ja seit einigen Jahren die Suchmaschinen im Internet bemühen: Auf den Beratungsseiten einer Online-Kontaktbörse finden sich dann etwa Slogans wie „Auch in einer Ehe können Sie einsam sein“, „Die Ehe ist kein Garant für lebenslanges Glück“ oder „Kinder sind kein Grund zu heiraten“. Eine Redakteurin der Süddeutschen Zeitung führt u.a. den „freie[n] Wille[n]“, die „Geschmacksfrage“, die Kosten, die Romantik sowie auch die Zeremonie an. In zahlreichen – häufig komischen – Büchern und Filmen droht der Bund der Ehe an der berüchtigten Torschlusspanik zu scheitern (z.B. in Resturlaub). Insbesondere Männer um die dreißig sollen solche Geschichten lieben.
In Heinrich Bölls Ansichten eines Clowns (1963) wird die Hochzeit des Clowns Hans mit seiner Marie durch Streitigkeiten über ein „Erpressungsformular“ (Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns. Roman. München: dtv 2006, S.76) der katholischen Kirche sowie Vorbehalte gegen eine standesamtliche Trauung verhindert. Seltener, aber auch nicht gänzlich unrealistisch ist, dass Ehen nicht zustande kommen, weil man sich bei der Planung der Hochzeitsreise nicht einigen kann. In Paul Kuhns Es gibt kein Bier auf Hawaii, ebenfalls aus dem Jahr 1963, möchte die Braut Marianne den Urlaub auf der Inselkette Hawaii verbringen, ihr potentieller Bräutigam möchte jedoch – im Zusammenhang mit seiner Vorliebe für Bier leicht nachzuvollziehen – ins tschechische Pilsen fahren, weshalb man sich auch nach zwölf Jahren des Verlobtseins noch nicht zu einer Heirat durchringen konnte.
Als vor einigen Tagen öffentlich wurde, dass Paul Kuhn im Alter von 85 Jahren verstorben war, führten die meisten Nachrufe die Lieder Der Mann am Klavier und eben Es gibt kein Bier auf Hawaii als seine bekanntesten Nummern an. Zugleich betonten sie das „Doppelleben“ (Spiegel online vom 23.9.2013) des Musikers zwischen Schlagern einerseits und den geliebten Jazz- und Swing-Klängen andererseits (als Beispiel hier ein kurzer Beitrag der Tagesschau vom 23.9.2013).
Kuhn war nach dem Krieg Jazzpianist für den US-Soldatensender AFN, später Leiter der Bigband des SFB, er war Entertainer und Schauspieler, er war der „deutsche Glenn Miller“ (FAZ). Nichtsdestotrotz verband ihn ein Großteil des Publikums mit ‚feucht-fröhlichen‘ Schlagern. Neben Der Mann am Klavier („Spielen soll er mir dafür / mir dafür, mir dafür / das Lied von dem Mann am Klavier / dann kriegt er von mir / dafür noch en Bier“, 1954) und dem hier vorgestellten Es gibt kein Bier auf Hawaii (1963) gab es mit Bier, Bier, Bier ist die Seele vom Klavier („Die Lokomotive braucht Kohlen / Benzin braucht das Automobil / und Treibstoff braucht jede Rakete“), der B-Seite von Es gibt kein Bier auf Hawaii, auch noch eine dritte Nummer zum Themenfeld Gerstensaft.
Seine Schlager, so hieß es im Nachruf des Spiegels, boten dem deutschen Publikum „kleine Fluchten in den Aufbaujahren der Bundesrepublik“ (vgl. als Gegenentwurf hierzu wiederum Heinrich Bölls Ansichten eines Clowns). Es gehört zu den im Zusammenhang mit Es gibt kein Bier auf Hawaii immer wieder zitierten Trivia, dass die Fluchtwege in diesem Fall von einem Verwaltungsrichter, dem mit Kuhn befreundeten Nebenbei-Schlagertexter Wolfgang Neukirchner (Biographie hier), aufgezeigt wurden. Mariannes Träumereien von Hawaii können sicherlich als eine solche Möglichkeit des Ausbruchs aus dem biederen Wirtschaftswunderland angesehen werden. Trotz der bereits seit einigen Jahren andauernden Reisewelle war dieses Urlaubsziel 1963 freilich noch keineswegs Standard, man kannte die „Lieder von den Palmen am blauen Meer“ hauptsächlich von Elvis und Hollywood. Man kann darüber streiten, ob auch alkoholhaltige Getränke hier als solche „kleine Fluchten“ zu werten sind. Fest steht, dass Kuhn betont nüchtern sang.
Später hat er sich dann auch mehrfach von seinen „Bierwalzern“ distanziert und recht offen kommuniziert, dass bei den Aufnahmen dazu das Geldverdienen im Vordergrund stand und seine Sympathie für diese Songs von Anfang an eher weniger ausgeprägt war (Ausschnitt aus einem Interview mit Jörg Thadeuz). Das bedeutet nicht, dass er dem Publikum in der Folge seine Favoriten verweigerte. Der Mann am Klavier wurde Kuhns Markenzeichen (auch ein Film von 1985 und eine Dokumentation über ihn aus dem Jahr 2012 trugen diesen Titel, ebenso waren zahlreiche Nachrufe entsprechend überschrieben). Es gibt kein Bier auf Hawaii blieb fester Bestandteil verschiedenster Veranstaltungen in deutschen Festsälen, Bierzelten und Diskotheken etc. Was auch damit zu tun hat, dass das Lied mehrmals gecovert wurde, von den Blödelbarden Klaus und Klaus (1995) genauso wie von der Trash-Metal-Koryphäe Tom Angelripper, zudem existiert aus den unsäglichen 1990ern eine Rave-Version mit Kuhns Gesang zu stumpfen Beats.
Martin Kraus, Bamberg
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