Dumm gelaufen. “Bella Bimba” von Kurt Feltz/Bibi Johns (1953)

Bibi Johns (Text: Kurt Feltz)

Bella Bimba

In Spanien werd‘ ich Bella Bimba, Bella Bimba, Bella Bimba,
in Spanien werd‘ ich Bella Bimba, Bella Bimba genannt.
In Spanien werd‘ ich Bella Bimba, Bella Bimba, Bella Bimba,
in Spanien werd‘ ich Bella Bimba, Bella Bimba genannt.

Als er mich sah, kam er ganz nah
und er hat tief mir ins Auge geblickt.
Dann hat auch schon ein Postillion
mit Blumen mich entzückt.

Die Blumen sind für Bella Bimba, Bella Bimba, Bella Bimba,
die Blumen sind für Bella Bimba, Bella Bimba geschickt.
Die Blumen sind für Bella Bimba, Bella Bimba, Bella Bimba,
die Blumen sind für Bella Bimba, Bella Bimba geschickt.

Nach kurzer Zeit war‘s dann so weit,
dass er den goldenen Ring mir, Bella Bimba, Bella Bimba, gemacht.
Die Hochzeit ist für Bello Bimba, Bella Bimba, Bella Bimba,
die Hochzeit ist für Bella Bimba, Bella Bimba gemacht.

Ohne ein Wort ging er dann fort,
ließ mich alleine am Wegesrand stehn.
Leichtsinn‘ger Wicht, merkst du denn nicht,
daß andre nach mir sehn?

Du weißt doch, deine Bella Bimba, Bella Bimba, Bella Bimba,
du weißt doch, deine Bella Bimba, Bella Bimba ist schön.
Du weißt doch, deine Bella Bimba, Bella Bimba, Bella Bimba,
du weißt doch, deine Bella Bimba, Bella Bimba ist schön.
Du weißt doch deine Bella Bimba, Bella Bimba ist schön.

     [Bibi Johns: Bella Bimba. Electrola 1953.]

Rund ein Jahrzehnt bevor es Mode wurde, dass Sängerinnen aus Skandinavien wie Gitte Hænning, Siw Malmkvist, Wencke Myhre oder Dorthe (Kollo, geb. Larsen) die deutschen Schlager-Hitparaden stürmten, startete die Schwedin Gun Birgit Johnson hierzulande als Bibi Johns eine Karriere im Unterhaltungsgeschäft. Ihren ersten Auftritt in Deutschland hatte die Johns schon 1951 beim Unterhaltungsorchester des SDR, ihre erste deutschsprachige Single folgte dann im Oktober 1953: Bella Bimba.

Texter des Schlagers war niemand geringeres als Kurt Feltz, die „graue Eminenz“ der Musikindustrie im Nachkriegsdeutschland. Feltz (1910-82) war als Texter für populäre Sänger und Operetten-Librettist schon in der Vorkriegszeit eine feste Größe im Geschäft gewesen und besetzte nach 1948 als Leiter der Hauptabteilung Musikalische Unterhaltung des NWDR eine Schlüsselstellung, die es ihm nicht nur erlaubte, sein eigenes Tantiemen-Einkommen zu pflegen, sondern auch lukrative Beziehungen zu anderen Musikverlegern, Fernsehmoderatoren, Komponisten und Interpreten zu etablieren. Das Ausmaß der Feltzschen Aktivitäten, die in einer heiklen Grauzone zwischen Korruption und Kreativität angesiedelt waren, macht vielleicht am besten das folgende Zitat deutlich: „Im Dezember 1950 schied Feltz beim NWDR [nicht zuletzt aufgrund der öffentlichen Kritik an seiner Geschäftsführung] bereits wieder aus, blieb jedoch dem Sender als freier Mitarbeiter verbunden. Dem SPIEGEL zufolge wiesen Statistiken aus, dass Kurt Feltz im Jahre 1950 beim NWDR Köln in mindestens 1.796 Sendungen mit seinen Schlagern zum Zuge kam, also im Durchschnitt fünfmal pro Tag. Die von Feltz oder seinen Mitarbeitern mit Feltz-Bändern belieferten übrigen Rundfunkstationen trugen mit weiteren 4.391 Sendungen dazu bei, Feltz‘ Spitzenstellung unter den Textautoren zu bekräftigen.“ (Wikipedia) Einen noch ausführlicheren Einblick in diese Vorgänge gibt Peter Wicke in Von Mozart zu Madonna. Eine Kulturgeschichte der Popmusik (Leipzig 1998, S. 231-236.)

Das soeben Gesagte vermittelt den starken Eindruck, dass Bibi Johns 1953 mit einem Titel von Kurt Feltz sicher nicht schlecht beraten war, wenn es darum ging, eine Schlagerkarriere in Deutschland zu beginnen. Umgekehrt ist Bella Bimba für die Feltzschen Produktionen jener Zeit ein durchaus typischer Titel. Viele seiner damaligen Schlager beziehen sich auf ein ,südländisches‘ Ambiente (bevorzugt in Italien angesiedelt, aber auch in Dalmatien, Brasilien, Kuba usw.), in das seine deutschen Hörer mit ihren Sehnsüchten und Träumen eintauchen konnten. Nicht selten produzierte er dabei auch Coverversionen einschlägiger Originaltitel. Diese Methode hatte er übrigens schon in den Kriegsjahren erfolgreich praktiziert. Bella Bimba liegt ein populäres italienisches Volks- bzw. Kinderlied zugrunde: Ma come bali bene bela bimba, mit dem man im Kindergarten spielerisch Tanzbewegungen zum ¾-Takt einüben kann. In der deutschen Übersetzung heißt es „Komm, tanz doch mit mir, Bella Bimba [= schöne Kleine]“. Zu diesem Lied gibt es mehrere alternative Texte, die tendenziell die „Schöne Kleine“ als junge Frau interpretieren, sie umwerben, wobei der Werber von dem stolzen Mädchen jedoch einen Korb erhält.

Aus diesem Material strickt Feltz eine Geschichte, bei der das „schöne Kind“ zunächst umworben wird, sodann einen Verehrer erhört und heiratet, schließlich aber von diesem verlassen wird, worauf sie in gewisser Weise die Welt nicht mehr versteht. So beruft sie sich, gekränkt und verlassen, in den Schlußstrophen trotzig auf ihre (vorgeblich?) vielfach bestätigte Anziehungskraft, den Mythos der „Bella Bimba“:

Leichtsinn‘ger Wicht, merkst du denn nicht,
daß andre nach mir sehn?

Du weißt doch, deine Bella Bimba, Bella Bimba, Bella Bimba,
du weißt doch, deine Bella Bimba, Bella Bimba ist schön.

Dieser Appell wirkt allerdings einigermaßen hilflos, und als Hörer hat man das beinahe sichere Gefühl, dass er beim durchgegangen Liebhaber keine Revision seiner Entscheidung bewirken wird. Zu eitel und zu Ich-bezogen tritt diese Frau in dem gesamten Lied auf, als dass wir sie für eine gute Ehepartnerin halten könnten. In ihrer Fixierung auf die Bella-Bimba-Komplimente, die sie einst erhalten hat, erscheint sie narzisstisch und selbstverliebt. Das Lied lässt offen, wie viel Zeit zwischen Werbung und Trennung vergangen ist; vielleicht hat die Sprecherinstanz gar nicht gemerkt, dass inzwischen ihre Reize verblasst sind? Und dann irritiert uns natürlich der Umstand, dass sie die Huldigungen, die ihr angeblich von vielen Verehrern dargebracht wurden, ausgerechnet in „Spanien“ verortet. Der italienische Zungenschlag von ,Bella Bimba‘ ist auch für Menschen, die des Italienischen nicht mächtig sind, offensichtlich. Damit ergibt sich der Verdacht, dass die Sprecherin womöglich dabei ist, uns (und vielleicht sogar sich selbst!) einen mächtigen Bären aufzubinden. Womöglich hat sie die Bella Bimba nur einmal im Kindergarten geben dürfen und dabei einen solchen Gefallen an dieser Star-Rolle gefunden, dass sie das Geschehen in späterem Alter in ein beliebiges südliches Traumland verlegte, um ihr soziales Umfeld zu beeindrucken? Falls es so gewesen sein sollte, muss man sich nicht verwundern, dass der Schwindel im Alltag einer Beziehung mit den bekannten Konsequenzen aufgeflogen ist.

Selbstverständlich wirkt der Schlager, so verstanden, auf ein heutiges Publikum ziemlich spießig und moralinsauer. Die Geschichte wäre ein Exempel für die Kalender-Weisheit ,Hochmut kommt vor dem Fall‘, sie predigte Bescheidenheit und den Wert innerer Vorzüge wider die altchristliche Todsünde der Hoffart. Männliche wie weibliche graue Mäuslein werden vor ihren Radioapparaten gerne vernommen haben, wie bitter das gerechte Schicksal eine stolze Hübsche (vgl. Bibi Johns als Interpretin!) abgestraft hat. Weniger neidische und schadenfrohe Gemüter könnten den Schlager auch sentimental aufgenommen haben: ,Hach, die vom Schicksal bevorzugten, die Superschönen haben’s auch nicht leicht!‘ Das versöhnt doch einigermaßen mit der Ungerechtigkeit der Welt und der begrenzten eigenen Ausstattung mit Glückskapital im Sinne von Pierre Bourdieu. In beiden Rezeptionsvarianten läge Kurt Feltz‘ Kreation voll im Trend der Zeit.

Hans-Peter Ecker, Bamberg

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2 Responses to Dumm gelaufen. “Bella Bimba” von Kurt Feltz/Bibi Johns (1953)

  1. Andrea says:

    Ein tolles altes Lied.

    Herzliche Grüße

    Andrea

  2. nutznix says:

    Der Text erzählt eine Geschichte, die nicht arg ist und weht vorbei wie der Wind. Man muss schon sehr wortbezogen pingelig sein, um darüber vorgeblich Tiefsinniges zu schreiben. Dafür müsste man es für echt nehmen!

    Ein liebes Lied aus alten Zeiten, aus den Anfängen der bereits beachtlichen Schlagerzeit der ersten Nachkriegsphase. Die schon wieder erstaunlich kommerzialisiert war.

    Alexander

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