Skandal im Kirchenschiff. Zu „Dunk den Herrn“ von Carolin Kebekus

Kebekus! Ft. Mc Rene, Sister Mary Minaj, DJ Mess-Dee-Naa

Dunk den Herrn

[Gottesdienstbesucherin:]
Sonntags in der Messe
zieh ich nur ne Fresse
und muss ständig gähn‘.
Kirche ist für Ottos,
was ist bloß mit Gott los?
Hab ihn nie gesehn.

[Nonne:]
Wer hat das grad gesagt,
mein' Gott hinterfragt?
Das ist nicht drin,
Blasphemie, ich glaub ich spinn.
Bei Gott geht der Punk ab,
weil nur er den Funk hat.
Jesus ist der Hit 
und wer das nicht kapiert,
der kackt ab.
Jesus Christus,
so riesig wie ein Airbus,
geb mich nur ihm hin,
weil ich seine Bitch bin.
Er ist ne Bank,
nur für ihn zieh ich blank.
Hier kommt Gottes Wille:
Keiner frisst die Pille.
Ökumene
ist was ich ersehne.
Weltweiter Neid
auf mein Kreuz mit Bling-Bling.
Check das mit dem Herrn,
denn er weiß ja: Ich will‘s, 
jede Menge Vergebung
und jede Menge Skills.

Ich dank dem Herrn, ich dank dem Herrn.
Nun klatscht in die Hände, dankt dem Herrn.
Dankt dem Herrn
Dank dem Herrn
Dank dem Herrn
Dank, dank, dank dem Herrn

Danke für meine goldne Kette
Danke für meine Jungfräulichkeit
Danke, dass ich an jedem Tag
trage das gleiche Kleid.

[Messdiener:]
Ich bin der Knecht hier im Gotteshaus.
Wenn du ein Glas Wein willst, ich geb es dir aus.
So muss ich knien bei Zeremonien,
ddch bin ich privat eher wie Charly Sheen.
Doch wenn ich das Gotteshaus einmal betret',
da werd ich fast selber zu einem Prophet.
Ne Eins in Reli hab ich und du nicht.
Denn ich bin Pastors Liebling, der Gott spricht.
Drum schließ dich uns an, die Gemeinschaft ist stark
Eine Mitgliedschaft reicht bis in den Sarg.
Ich danke dir, Herr, denn ich bin dabei
bei der Aftershow-Party in der Sakristei.

Ich dank dem Herrn, ich danke dem Herrn
Nun klatscht in die Hände, dankt dem Herrn.
Danke für meine Eins in Reli
Danke für jedes Sonntagsgeld.
Danke, dass mir vom Weihrauch schwenken
das Gehirn zerfällt.

[Priester:]
In der Kirche da bin ich King.
Alle knien, wenn ich sing.
Die Bitches heiß, doch ich schau weg.
Zölibat heißt: Ich mach‘s mit mir selbst
Bin der Bibel-Checker.
Jungfraunbeflecker.
Gott ist ein Goldketten tragender Rapper.
Ich hab die direkte, die direkte Connecte.
Scheiß auf GEZ, Alter, gib mal Kollekte.
Ich hüte die Schafe der Straße.
Mein Block ist höher als der Turm zu Babel.
Geh mit dem Beat und beweg die Arche.
Wenn der Noah am Mike ist, bon voyage!
Schönen guten Abend, meine Armen und Herren,
für eine Provision erteile ich die Absolution.
Ich spitte heute meinen scheinheiligen Rhyme,
denn ich schmeiße im Club mit Heiligenschein‘.
Ich bin der Rapper Ram,
Digga, der Papst ist mein Homy und retweetet mich.
Schwer Presenter, der Priesterretter.
Zölibat 2.0
Alter, frag meine Enkel.
Halleluja!

Danke für meine Angst vor Schwulen,
Danke für das Kondomverbot.
Danke, dass mir für jede Sünde
gleich die Hölle droht.

[Messdiener:]
Ich komm voll in den Himmel, du nicht eh, yes, yes

[Nonne:]
Komm zu den Katholiken
Hier gibt‘s immer was zu ... beten
Amen, Mann, Amen.

Das schöne Wort „Ehrpusseligkeit“ drohte vor einigen Jahren obsolet zu werden, ist mittlerweile aber wieder unverzichtbar geworden zur Beschreibung des Verhaltens mancher Vertreter bestimmter Gruppen, etwa von Angehörigen der Bundeswehr (vgl. dazu meinen Beitrag zu Joachim Witts Gloria) oder der katholischen Kirche. Wann immer letztere nicht ausschließlich affirmativ in kulturellen Artefakten thematisiert wird, wird der Ruf nach strafrechtlicher Verfolgung laut. Da eine solche absehbar ausbleiben wird, weil der Tatbestand der „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“  (§ 166 StGB) voraussetzt, dass die in Frage stehende Äußerung den öffentlichen Frieden stören könnte, schließen sich häufig mehr oder minder offen Lynchjustizphantasien an. Wie Martin Mosebach bedienen sich dabei auch viele Internetkommentatoren des Umwegs über eine der anderen großen monotheistischen Religionen, indem sie mit erkennbarem Bedauern über die eigene Friedfertigkeit darauf hinweisen, dass man sich so etwas bei dieser wohl nicht ‚ungestraft‘ erlauben dürfte.

Dieses Mal ist es also ein Musikvideo der Kabarettistin Carolin Kebekus, das die mittlerweile allgemein bekannten Reflexe ausgelöst hat. Doch warum eigentlich? Gewiss, eine Nonne leckt darin lasziv ein Kruzifix ab. Jedoch ist die Erotisierung des Leibes Christi keineswegs erst eine Erfindung aus Madonnas Video zu Like a prayer, sondern hat seit Jahrhunderten ihren festen Platz auch im Rahmen ernsthafter Glaubenspraxis. Und dass gerade die betont züchtige Nonnentracht erotische Projektionen hervorruft, ist auch kein Phänomen, das erst durch entsprechende Fetischmode sichtbar geworden wäre: Schon in Boccaccios Decamerone wimmelt es von sexuell aktiven Nonnen (vgl. etwa die erste Novelle des dritten Tages).

Neben dieser Szene, die häufig zur Bebilderung von Artikeln über das Video und die Reaktionen darauf verwendet wird, könnte man sich eventuell noch daran stören, dass ein Priester dem Messdiener über den Kopf streicht; dass einem angesichts dieser Szene die zahlreichen Fälle, in denen katholische Geistliche Kinder sexuell missbraucht haben, einfallen, ist jedoch kaum dem Video anzulasten, sondern Effekt der breiten Debatte über dieses Thema. Auch ansonsten bietet das Video – stumm gesehen – kaum Anlass zur Erregung: Tanzende und singende Nonnen sind aus Sister Act bekannt, und ein etwas vulgär grimassierender Priester sowie um einen brennenden Dornbusch tanzende Nonnen können kaum ernsthaft als beleidigend empfunden werden.

Bliebe also der Text. Doch auch hier findet sich bei genauerer Betrachtung wenig aus katholischer Sicht zu Beanstandendes: Dass die Nonne sich als „Bitch“ Jesu bezeichnet und angibt, anderen ihre sexuellen Reize vorzuenthalten, ist zwar eine derbe, aber inhaltlich im Wesentlichen korrekte Charakterisierung der Rolle einer Braut Christi. Auch vieles andere entspricht schlicht der katholischen Lehrmeinung – von der Ablehnung der Pille über die Hölle bis zur Charakterisierung ausgelebter Homosexualität als Sünde (und dass offenbar durchaus Angst davor herrscht, hat zuletzt die These von einer ‚Schwulen-Lobby‘ im Vatikan bestätigt).

Am Text belegbare Kritik an Vertretern der katholischen Kirche findet sich lediglich im vom ‚Priester‘ vorgetragenen Teil, wenn er angibt, sich selbst zu befriedigen, und durch Erwähnung seiner Enkel zu verstehen gibt, dass er auch heterosexuellen Sex hatte. Was an der Nennung dieser unbestreitbar auch realweltlich vorkommenden Verhaltensweisen empörend sein sollte, ist jedoch kaum ersichtlich. Schwerer als diese lässlichen Sünden wiegt da schon die Bezugnahme auf den Ablasshandel als historische Praxis und die Bezeichnung der eigenen Rede als ‚scheinheilig‘. Diese Textstellen lassen sich noch am ehesten als direkte Kritik in Form von Rollenrede verstehen. Unterm Strich bleibt aber recht wenig, worauf sich die Empörung stützen ließe.

Wenn das Lied aber kaum Kritik an der Kirche vorbringt, worum geht es dann? Auch wenn die Antwort angesichts des Berufs der Interpretin eigentlich nicht fern liegt, scheint es nötig, dies zu explizieren: Es geht um die Erzeugung einer komischen Wirkung. Wer das Video sieht, soll lachen. Er soll nicht dazu gebracht werden, aus der Kirche auszutreten oder sich kirchenkritisch zu engagieren, sondern sich ganz einfach amüsieren. Die Idee, dass Humor nicht als Selbstzweck legitim sei, sondern nur als Mittel der Kritik an Missständen, ist zwar weit verbreitet, wird dadurch aber nicht plausibler: Die meisten Menschen lachen gerne, und es ist auch der Gesundheit zuträglich. Menschen zum Lachen zu bringen ist also zunächst einmal ein Wert an sich. Komik bedarf demnach keiner eigenen Rechtfertigung, vielmehr liegt die Beweislast bei den Kritikern. Sie müssen begründen, warum ein Artefakt, das zum Lachen reizt, daneben so massive negative Effekte zeitigt, dass diese überwiegen. Und den häufig vorgebrachten Vorwurf der Niveaulosigkeit hat Robert Gernhardt entkräftet: „Es gibt kein niveauvolles Lachen, so wenig wie es einen niveauvollen Orgasmus gibt.“

Wie erzeugt das Lied/Video nun seine komische Wirkung? Und geschieht dies, wie oft behauptet, ‚auf Kosten‘ der Katholiken? Das Verfahren, dessen sich Dunk den Herrn bedient, ist alt, einfach und effektiv, es ist ein zentrales Element vieler Parodien und Travestien: die Rekontextualisierung. Hier wird eine Botschaft in einer Sprechweise und in einer Bildsprache vorgebracht, die nicht zu ihr passen. Konkret wird im Rap-Jargon („Bitch“, „Bling-Bling“, „Skills“, „Rhyme“, „Homie“ etc.; hyperbolische Vergleiche wie „Jesus Christus / so riesig wie ein Airbus“) und mit Elementen aus Gangsta-Rap-Videos (lasziv posierende Frauen, Schmuck, Hummer, Breakdance, brennender Dornbusch statt brennender Mülltonne) für den katholischen Glauben und für die katholische Kirche geworben. Aus dieser Konfrontation entsteht Komik, die keineswegs zwingend auf irgendjemandes Kosten geht. Rapper könnten sich sogar mit wesentlich besseren Argumenten als diejenigen sehen, über die sich Kebekus lustig macht.

Hinzu kommen verschiedene Formen des komischen Wortspiels, die sich auch auf den Inhalt beziehen lassen: „Meine Armen und Herren“ kann als Hinweis auf die Stellung der Frau verstanden werden, die hier in der Anrede gar nicht vorkommt; die Reimvermeidung, wenn auf „Komm zu den Katholiken / hier gibt’s immer was zu…“ statt „ ficken“ „beten “ folgt, führt eine Substitution vor, die durchaus mit der katholischen Lehre in Einklang steht; selbst das zunächst als rein alberne Basketballreferenz erscheinende Titelwortspiel „Dunk den Herrn“ erlangt, wenn man die Bedeutung von „to dunk“ als „untertauchen“ einbezieht, mystische Tiefe, werden hier doch die Rollen bei der Taufe umgekehrt.

Darüber hinaus werden im Text die Titel mehrerer Rap-Songs zitiert (Sido: Mein Block, ders. feat. Harris: Fuffies im Club) und im Refrain das neue Kirchenlied Danke für diesen guten Morgen, das bereits Toxoplasma für eine Kontrafaktur (Danke) genutzt haben. Man kann dem Lied also kaum vorwerfen, es sei ‚platt‘ im Sinne von ‚wenig komplex‘ (so aber ein Gastautor auf Theopop, dem „Blog für Religion und Popkultur“).

Will man dem Lied/Video partout eine Aussage unterstellen, so dann am ehesten die, dass eine Anbiederung an jugendkulturelle Ausdrucksformen der katholischen Kirche nicht gemäß ist – und daran dürften sich Konservative am Allerwenigsten stören.

Woher rührt also das Unbehagen, das das Lied/Video bei manchen auslöst? Zum einen kommen als Ursache natürlich archaische Tabu-Vorstellungen in Frage: ‚Heilige‘ Gegenstände dürfen nicht durch eine Verwendung in profanem Kontext ‚entweiht‘ werden. Außerdem kann man das eigene kognitive System durch den permanenten Konsum bestimmter Medien dahingehend modifizieren, dass man überall Angriffe auf die katholische Kirche erwartet und schon minimale Indizien (‚Irgendwas mit Humor, Sex und Kirche‘) ausreichen, um diese Erwartungen bestätigt zu sehen. Neben diesen Erklärungen ist noch eine weitere, den Kritikern gegenüber freundlichere denkbar: Ein tatsächlicher, mit Vehemenz vorgetragener Angriff auf die Kirche würde deren gesellschaftliche Bedeutung entsprechend dem Diktum „Viel Feind, viel Ehr“ bestätigen.  Dass aber ihre Insignien ebenso als Pop-Zeichen beliebig rekontextualisiert werden wie der Habitus von Gangster-Rappern, könnte eine narzisstische Kränkung darstellen, die mutmaßlich wesentlich schwerer hinzunehmen wäre. Insofern speist sich vielleicht ein Teil der Wut auch aus der Ahnung des eigenen gesellschaftlichen Bedeutungsverlusts, der an Dunk den Herrn sichtbar wird.

Martin Rehfeldt, Bamberg

Verbotene Fragen. Zu Renft: Glaubensfragen

Renft

Glaubensfragen

Du, woran glaubt der,
der zur Fahne geht,
Ruhm der Fahne schwört,
dabei stramm steht?

Du, woran glaubt der,
der nicht anlegt,
der als Fahne vor sich her
einen Spaten trägt?

Du, woran glaubt der,
der in'n Kahn geht,
und den Hintern quer
zu der Fahn' dreht?

     [Rock aus Leipzig. Renft-Combo Live. Taraxacum 1980. Text nach: www.renft.de.]

Bereits 1959 hatte die Klaus Renft Combo ihren ersten Auftritt. Schon in den ersten Jahren kollidierte sie mit der SED-Politik. Sie sammelte z.B. Erfahrungen mit Verboten wegen dem Spielen von unerlaubten Westtiteln und erhielte sogar das erste Spielverbot. Die Kulturpolitik der DDR erschwerte und verhinderte die freie musikalische Entfaltung der Künstler. 1967 erlangte die Klaus Renft Combo dann die Spielerlaubnis zurück (vgl. Bernd Lindner: DDR Rock & Pop. Köln 2008, S. 31–34). Doch schon im September 1975 wurde der Klaus Renft Combo, die sich zu diesem Zeitpunkt nur noch Renft nannte, das endgültige Band-Verbot mitgeteilt (vgl. Renft: 1958-2008. 50 Jahre Renft. Historie). Der finale Streit hatte sich Texten für die dritte LP entzündet. Insbesondere die Texte von Glaubensfragen und der Rockballade vom kleinen Otto missfielen der SED-Führung. Das Konzert am 17. September 1975 im Interflug-Klubhaus in Berlin-Schönefeld endete mit dem Song Glaubensfragen und war das letzte in der damaligen Besetzung. Man teilte der Band mit, dass ihre Texte „mit der sozialistischen Wirklichkeit nicht das geringste zu tun haben, […] darüber hinaus [darin] die Arbeiterklasse verletzt wird, und die Staats- und Schutzorgane diffamiert“ (Bernd Lindner: DDR Rock & Pop. Köln 2008, S. 112).

Doch was machte den Text zu Glaubensfragen so brisant, dass es letztendlich zur Auflösung der Band gekommen ist? Glaubensfragen ist ein Text über Wehrdienstverweigerer. Da die meisten Verweigerer des Dienstes an der Waffe zu den Baupionieren eingezogen wurden und der unterste Dienstgrad des Soldaten hier einen Spaten auf dem Schulterstück hatte, wurde der Begriff „Spatensoldat“ zum Synonym für die Wehrdienstverweigerer. Sie wurden unter den NVA-Rekruten belächelt und galten als „Buddel- und Putzkolonne“ (vgl. YouTube-Kommentar von „vlagstuff“).

Mit der Erwähnung dieses Truppenteils brach die Band ein Tabu, denn die Existenz von Wehrdienstverweigerern und deren Einsatz als „Spatensoldaten“ wurde seitens der NVA nicht öffentlich thematisiert, da es sonst wohlmöglich zu viele geworden wären, was wiederum einen schlechten Eindruck nach außen vermittelt hätte (vgl. Eva Storrer: Mit dem Spaten bei der Nationalen Volksarmee). Dies erklärt die thematische Brisanz des Textes.

Doch wie überzeugt er mit seiner politischen Botschaft die Hörerschaft? Der Text ist über die drei Strophen so aufgebaut, dass eine klare Steigerung des politischen Gehalts zu erkennen ist: Die erste Strophe stellt zunächst das sozialistische Ideal in Frage: „Du, woran glaubt der, / der zur Fahne geht, / Ruhm der Fahne schwört, / dabei stramm steht?“ Die Fahne steht umgangssprachlich für die Nationale Volksarmee. ‚Zur Fahne müssen‘ bedeutet ‚eingezogen werden‘ (vgl. Wikipedia: Sprachgebrauch in der DDR).

Die zweite Strophe thematisiert dann die Spatensoldaten, die den Dienst an der Waffe verweigern: „Du, woran glaubt der, / der nicht anlegt, / der als Fahne vor sich her / einen Spaten trägt?“

Die dritte Strophe bildet inhaltlich den Höhepunkt der für die SED-Führung politisch inakzeptablen Aussagen, da sie beschreibt, dass junge Männer lieber in den „Kahn“, im DDR-Sprachgebrauch umgangssprachlich für Gefängnis (vgl. DDR-Lexikon). gehen, als der NVA zu dienen: „Du, woran glaubt der, / der in’n Kahn geht, / und den Hintern quer / zu der Fahn‘ dreht?“ Durch die Verwendung des typischen DDR-Sprachgebrauches mit den Wörtern „Fahne“, „Spaten“ und „Kahn“, wird der Hörerschaft ein Identifikationsangebot gemacht. Das Vokabular befindet sich nicht auf einer hochpoetischen, sondern auf einer Alltagsebene.

Darüber hinaus wird in jeder Strophe eine offene Frage gestellt, die im Text unbeantwortet bleibt. Die Hörerschaft soll offenbar zum Nachdenken angeregt werden. Dadurch, dass sich die Band aber letztendlich klar positionierte, indem sie das systemkritische Thema überhaupt aufgriff, werden jedoch Antworten nahe gelegt, die nicht mit der vorgegebenen Ideologie übereinstimmen.

Somit ist festzustellen, dass sich die Klaus Renft Combo im Jahr 1975 mit dem Text Glaubensfragen nicht darum bemühte, ihre politische Kritik zu verbergen. Es ist bei ihrer Vorgeschichte zudem nicht sehr überraschend, dass damit das endgültige Aus für die Band kommen musste.

Im Jahr 2007 enttarnte sich das Bandmitglied Peter „Cäsar“ Gläsel öffentlich als inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit. 22 Jahre war er unter dem Decknamen „IM Klaus Weber“ bei der Stasi tätig. Erst 1989, kurz vor seiner Ausreise in den Westen, beendete er die Verbindung (vgl. Stephan Georg Raabe: Ein anderer Blick auf die DDR. DDR-Rockmusik zwischen Anpassung und Auflehnung). Mit diesem Wissen stellt sich die Frage, welchen Einfluss er mittels dieser Tätigkeit auf Auftrittsverbote und sogar auf das endgültige Aus der Band nahm.

Julia Habermann, Bamberg