Ein interstellares Traumbesäufnis: Der „Uhudler Dudler“ von Roland Neuwirth und den Extremschrammeln (1994)
13. August 2021 2 Kommentare
Roland Josef Leopold Neuwirth und die Extremschrammeln Uhudler Dudler Gestern tramt ma ehrlich, 1 Ein UFO groß und gfehrlich, Is mitten in da Zeillergassn gland't. Steigt aus ein grünes Manderl, Und wachelt mit sein Handerl, 5 Und sagt: Heast Freind, i wirr da scho zwa Lichtjoahr ummanaund. In unsera Galaxis, da föhlt uns hoid die Praxis, Da wochst ka guades Tröpferl weit und breit. Mei Durscht is mehr ois riesig, I gib ka Rua, jetzt bis ich, 10 Ein Weinderl gfunden hob, Noch dera trock'nen Zeit. Da sog i glei: Des siech i ei. Hupf eine in dei Untertatserl, 15 Sauf ma auf an Wein. Grüner Veltliner, Gewürztraminer, Oder a oida Riesling, a koida, Und hinterdrau a, a Pinot Blanc a, 20 A Muskat Ottonel, den lass ma a net steh'. Ein nicht zu süßer, ein Portugieser, A Zweigelt no und a Roter Burgunder, Und zum Schluß a Driewastrahra, Der muaß a no her, 25 A Achterl Uhudler, sonst weiß ich leider, Kein Weinderl mehr. An Dudler für an Uhudler, Wia dudeln ollas leer. Ein Uhudler, was will der Mensch noch mehr. 30 Des Manderl, des schitt eine, Die ganze guaten Weine. Die Leit, die glaubm, sie spinnan und sie brülln Mia seng normalerweise, Im Vollrausch weiße Meise, 35 Jetzt seng ma goa scho Marsmenschen und de san grün. Um zwöfe war'n wia praktisch, Schon sehr intergalaktisch, Quasi sternhoglvoi zuagschitt, olle zwa. Da sogt des Manderl: Nicht woa, 40 Wia seng uns in zwa Lichtjoa, Wann i dann lang gnua niacht woa, Oba jetzt baba. Und zischt davo, Mit an Hallo. 45 Rasiert dabei zwa Rauchfäng ob Und is a Punkt nua no. Grüner Veltliner […] [Roland Josef Leopold Neuwirth und die Extremschrammeln: Essig & Öl. WEA 1994.]
Im Grunde habe ich mir dieses Lied für eine Besprechung ausgesucht, weil darin ein UFO vorkommt. Diese in aller Regel CO2-neutralen und damit dem politischen Mainstream entsprechenden Fahrzeuge stehen nämlich seit ein paar Wochen im Zentrum des globalen öffentlichen Interesses und müssen demzufolge auch in diesem Blog, das mindestens einen Finger immer am Puls der Zeit hat, ihren Niederschlag finden. Ich will nicht lange darüber spekulieren, wer oder was die aktuelle Faszination am interstellaren Reisen ausgelöst hat und warum das so ist: War es Elon Musk mit seiner Firma SpaceX, seinem Starlink-Projekt und seiner Idee einer Kolonisierung des Mars, war es die Star-Investorin Cathie Wood mit ihrem Gespür für disruptive Technologien, die 2021 ihr Portefeuille um den Sektor Raumfahrt erweitert hat, oder doch der kürzlich am Freaky Friday vorgelegte UFO-Bericht des Pentagons? Wie auch immer: als ich auf Roland Neuwirths gekonnt gedudeltes Uhudler-UFO gestoßen bin, begriff ich spontan, dass das kein Zufall sein konnte, sondern ein Wink des Schicksals.
Nun will ich um den mittelkleinen Schönheitsfehler, dass Neuwirths UFO nur ein geträumtes ist, nicht lange herumreden. Das ist – da sind sich alle UFO-Forscher einig – ganz klar ein Mangel unseres Textes. Ein Mangel an Mut zunächst gegenüber den mächtigen Traditionen und ungeschriebenen Gesetzen des Wiener Liedes, die UFOS weder kennen noch ästhetisch goutieren, ferner ein Mangel an Vertrauen in die Kraft der eigenen poetischen Imagination, die doch eigentlich in der Lage sein sollte, einem angedudelten Heurigen-Publikum interstellare Horizonte plausibel aufscheinen zu lassen. Besagter Schönheitsfehler würde als solcher vielleicht gar nicht auffallen, gäbe es nicht einschlägige Vorläufer im populären Liedgut, die UFOS als leibhaftige Entitäten außerhalb eines wie auch immer gemodelten Metaverses überzeugend beglaubigt haben. Exemplarisch erinnere ich nur an die von Wolle Kriwanek berichtete unheimliche Begegnung der schwäbischen Art („Guck guck i han a Ufo gsäha“), an den durchs All düsenden Liebesboten Codo (Interpretation hier) oder an den Fernreisenden Gerhard Gösebrecht.
Wurde mein Interesse an diesem Lied also anfänglich durch das UFO geweckt und durch den ,Sound‘ der Gesangsstimmen befeuert, richtete es sich doch bald auf die mir bislang unbekannten Titel-Stichwörter „Uhudler“ und „Dudler“, deren Erkundung mir ein lehrreiches Vergnügen verschafft hat, an dem ich nachfolgend die geschätzte Leserschaft teilhaben lassen möchte.
Bei Dialektliedern sind am Anfang der Annäherung ja immer ein paar Ausdrücke zu klären, die man – als Milieu-Fremder – selber entweder gar nicht oder vielleicht hinsichtlich gewisser Nebenbedeutungen nicht richtig versteht bzw. bei denen man den geheimen Verdacht hegt, dass sie nicht jedem Menschen der geographisch weit gestreuten Leserschaft dieses Blogs geläufig sind. Bei vorliegendem ,Wiener Lied‘ (Nein, das ist jetzt kein Austropop, obwohl es in einem österreichischen Dialekt gesungen wird und Drogen thematisiert!) scheint mir die sprachliche Hürde für ,Reichsdeutsche‘ im Großen und Ganzen nicht allzu hoch, aber da täuscht man sich als südlich des Weißwurstäquators Geborener mit zusätzlichen, lebensgeschichtlich gewachsenen Verbindungen zum austriakischen Kulturkreis (durch Bergsteigerei, Sympathien für Nestroy und die Faszination für Kaffeehäuser) leicht einmal gewaltig.
Allerdings enthält schon der Titel zwei Wörter, deren Bedeutung vielen Deutschen unbekannt sein dürfte. Zum „Uhudler“, einer burgenländischen Weinspezialität, zu der später noch mehr zu sagen sein wird, gibt es nicht einmal ein Stichwort in meinem Duden (23. Aufl.), zum „Dudler“ wohl schon, aber ohne Erläuterung der Bedeutung. Im Moment mag es hinreichen, auf den Doppelsinn letzteren Ausdrucks im Wienerischen hinzuweisen, der sich einerseits auf ein dem alpenländischen Jodeln verwandtes Element und Genre der Wiener Sangeskultur bezieht, das 2010 in die Liste des Immateriellen Kulturerbes Österreichs im Sinne der UNESCO aufgenommen worden ist, andererseits auf einen zünftigen Zechbruder, den man auch als ,Pichler‘, ,Süffel‘, Sumpfhuhn‘, ,Schluckspecht‘ oder ,Schnapsnase‘ zu bezeichnen pflegt.
Vers 3 erwähnt die Zeillergasse als beliebte Haltebucht für Spacetaxis. Nachforschungen mit Hilfe eines Wiener Stadtplans führten mich schnell zur genaueren Lokalisierung dieser unweit der ,Vater-unser-Garage‘ (Pfarrkirche St. Joseph, Sandleiten) gelegenen, nach dem Juristen und Hofrat Franz Alois Edler von Zeiller (1751-1828), benannten Straße westlich des Mistplatzes (hochdeutsch: Recyclinghofs) Hernals, was m.E. für den Kontext des Liedes in mehrfacher Hinsicht Sinn macht, führt sie doch in ihrem Verlauf durstige Zweibeiner aus den zentralstädtischen Bezirken (bzw. von der Bahnstation Hernals) in die nordwestlichen Hügel- und Rebenbezirke der Donaumetropole und darüber hinaus auch gleich in eines der klassischen Zentren Wiener Liedguts (vgl. In einem kleinen Café in Hernals), nämlich das ehedem dem Weinbau innigst verbundene Örtchen Hernals. Dass die Friedhöfe von Hernals und Dornbach in der Nähe dieser Gasse liegen, ist nicht nur praktisch, falls bei UFO-Landungen einmal etwas schief gehen sollte, sondern auch eine atmosphärische Notwendigkeit, gehört Gevatter Tod zur rechten Wiener Gemütlichkeit doch unbedingt dazu!
Letztlich liegt die Zeillergasse auch noch ziemlich mittig zwischen den beiden Stadtteilen Hernals und Ottakring, in denen sich das Dudeln, jetzt musikalisch verstanden, einstens entwickelt hat, wie die einschlägige Laudatio der Österreichischen UNESCO-Kommission explizit festhält.
Das nächste und m.E. auch schon letzte ,schwierige‘ Wort findet sich in Zeile 24, der „Driewastrahra“ (wörtlich: Drüberstreuer). Die Rede ist hier von der Funktion des Uhudlers als ,Pfüatigottachterl‘ – hochdeutsch: ,Absacker‘ – das bei Anbruch der Sperrstunde bestellt oder dann getrunken wird, wenn man klugerweise mit dem Trinken aufhört, weil ,mit aller Gewalt nicht mehr in einen hineingeht‘. (Hier zitiere ich eine ebenso goldene wie eiserne Weintrinker-Regel aus meiner pfälzischen Heimat, die aber durchaus auch beim Genuss auswärtiger, sprich: österreichischer Sorgenbrecher mit Gewinn beherzigt werden darf!) Den schönen Ausdruck ,Pfütigottachterl‘, den ich noch nicht gekannt habe, verdanke ich übrigens einem österreichischen Gewährsmann, dem ich bei dieser Gelegenheit noch einmal öffentlich meine Reverenz erweise!
Nach diesen einleitenden Klärungen können wir den zur Rede stehenden Vorgang leicht nachvollziehen. Vers 1 erklärt alles nachfolgend berichtete als Traum, was mich – wie oben ausgeführt – ein wenig enttäuscht hat. So hätte ich mir von Herzen gewünscht, dass ein grünes Manderl von seinem Himmelsritt einen interstellaren „Durscht“ importiert und damit der europäischen Weinwirtschaft eine dauerhafte Hochkonjunktur verschafft hätte. Aber um den Traum kommen wir nicht herum, der Sänger lässt daran keinen Zweifel. So landet also ein bloß geträumtes UFO in einer geträumten Wiener Straße, ein geträumtes Männchen schifft aus und haut den nächstbesten Passanten an. Wie es der Zufall will, ist es unser Sänger, dem es sein drängendes Begehr offenbart, das sich nach zweilichtjähriger Irrfahrt durch interstellare Trockenräume zu dem plausiblen Wunsch verdichtet hat, möglichst rasch ein Weinderl zu verkasematuckeln. (Das letzte Wort muss nun vielleicht zur Abwechslung einmal den Wienern verdolmetscht werden: Ich denke, dass ,tschechern‘ so in etwa den Sinn treffen dürfte.) Auch dem Angesprochenen erscheint dieser Wunsch nachvollziehbar: „Da sog i glei, / Des siech i ei.“ Er ergreift spontan das Kommando – „Hupf eine in dei Untertatserl“ – und sofort geht’s los mit der Weinverkostung: „Grüner Veltliner, / Gewürtztraminer […]“ usw. usw.
Dem weder träumenden noch aus einer Weinverkostung entflohenen Kommentator kann nicht verborgen bleiben, dass zwischen dem – vermutlich gemeinsamen – Betreten der Untertasse und dem Auftischen diverser edler Tropfen gewisse narrative Passagen ausgefallen sind, über die man jetzt lange spekulieren könnte, wenn man nicht um die Lizenzen von Traumwelten bezüglich raumzeitlicher Abläufe wüsste. So unterstellen wir einfach, dass Sprecher und grünes Manderl mit ihrem Lufttaxi zu einem ansprechenden Wiener Beisl oder Heurigenlokal gedüst sind, dort auch schwuppdiwupp einen Gratis-Parkplatz sowie einen freien Tisch gefunden haben und sich nun ohne weitere Fisematenten (für Wiener: ohne Remassuri, bedeutet zwar etwas anderes, ist aber auch ein schönes Wort!) den edlen Tropfen des Hauses zuwenden können, als da sind:
Grüner Veltliner: Österreichische Nationalsorte, auch als Weißgipfler oder (früher als) Grüner Muskateller bekannt; hauptsächlich in Niederösterreich beheimatet und dort schon für das 16. Jahrhundert nachgewiesen. Die Sorte liefert gute Erträge und besticht bei angemessenem Ausbau durch ihre erstaunliche Gaumenfrische. (Österreichische Anbaufläche 2015: 14372 ha, zum Vergleich: Deutschland 24 ha, Südtirol 27 ha.)
Gewürztraminer: Sehr alte, gleichwohl hinsichtlich des Terroirs sehr anspruchsvolle Weißweinsorte mit ungeklärtem Ursprung. Der Name stammt aus Tramin (Südtirol, dort schon im 11. Jh. nachweisbar). Die Beeren dieser mutationsfreudigen Traube changieren zwischen gelblichen und rötlichen Tönen, aus denen viele Wein-Varianten erzeugt werden, wofür es zahlreiche Lokalbezeichnungen gibt. Der Gewürztraminer ergibt schwere, aromastarke Weine, gelegentlich mit Rosenduft-, in anderen Fällen mit Litschi-, Marzipan- oder auch Bitterorange-Akzenten. (Rebfläche in Österreich: 700 ha; zum Vergleich: Deutschland 936 ha, Elsass 3036 ha.)
Alter Riesling, „a koida“, also gut gekühlt: Sog. ,König der Weißweine‘, zu dem hier allenfalls anzumerken ist, dass er in der Wachau neben dem Grünen Veltliner die beliebteste Weißweinsorte darstellt. Das Attribut „alt“ könnte sich auf den Jahrgang beziehen, aber auch auf eine späte Lese, die dem Tröpfchen die Qualität höchster Reife bescheren würde. Über das „gut gekühlt“ ließe sich so manches erzählen, was hier aber zu weit führen würde. Bleiben wir der Einfachheit halber bei der alten Faustregel: je besser der Riesling, umso wärmer darf er sein. Vermutlich bietet das Heurigen-Beisel jetzt aber nicht die ganz großen Gewächse – da sollte man sich mit 8 Grad vor dem grünen Männchen nicht blamieren! Merke: „Wein kaltstellen ist auch irgendwie kochen!“
Pinot Blanc: Mutation des Grauen Burgunders, auch als ,Weißburgunder‘ bekannt; wird in Österreich auf gut 4% der Anbaufläche kultiviert. Da man diesen relativ dezenten Wein gerne zum Verschnitt verwendet, sind unsere durstigen Freunde sicher gut beraten, ihren Parforceritt durch die österreichische Rebenlandschaft mit Pinot Blanc abzufedern.
Muskat Ottonel: Früh reifende Weißweinsorte französischen Ursprungs mit stark wechselnden Erträgen; 1839 aus einer Kreuzung zwischen der uralten Traubensorte Gutedel und der englischen Rebe Ingram’s Muscat hervorgebracht. Mild schmeckend, vergleichsweise niedriger Alkoholgehalt, bei Spitzenprodukten feine Citrusnoten. (Österreichische Rebfläche: 359 ha; zum Vergleich: Deutschland 12 ha, Rumänien 3641 ha.)
(Blauer) Portugieser: Hier vermutlich in halbtrockener Variante konsumiert – weich, vollmundig, fruchtbetont. Schade, dass sich unsere Protagonisten nicht dazu durchringen konnten, sich ein schönes Wildgericht dazu zu bestellen. Da alles sowieso im Traum passiert, hätte das mit dem Hasenbraten sicher geklappt!
Klar, dass am Zweigelt kein Weg vorbeiführen konnte, ist diese Neuzüchtung (1922) aus St. Laurent und Blaufränkisch inzwischen doch Österreichs am weitesten verbreitete Rotweinsorte.
Roter Burgunder: Referiert vermutlich auf eine Flüssigkeit, die in Österreich zumeist Blauburgunder, Blauer Spätburgunder oder schlicht Pinot Noir genannt wird, auf ca. 600 ha Fläche kultiviert wird (= 1,3 % der Gesamt-Weinbaufläche), die aber trotz gewisser Herausforderungen an Standorte und Kellerkompetenzen der Winzer im Kommen ist.
Als Absacker zum Schluss: Uhudler, vielleicht klugerweise lediglich in homöopathischer Dosis, weil beim Verzehr dieser Sorte immer die Gefahr im Raum steht, am nächsten Tag wie ein Uhu dreinzuschauen. So jedenfalls erklärt die Überlieferung den Namen dieses Cuvées aus diversen Ur-Rebsorten, mit der das Südburgenland – noch! – die Gaumen sehr spezieller Kenner erfreut. Seine Geschichte geht bis in die Zeit der Reblaus-Krise des europäischen Weinbaus um 1860 zurück. Die Winzer reagierten seinerzeit, indem sie amerikanische reblausresistente mit traditionellen europäischen Sorten kreuzten, wobei zunächst in Kauf zu nehmen war, dass die sog. ,Direktträgerweine‘ ziemlich komisch schmeckten und ihnen zudem noch der Ruf anhaftete, wegen eines höheren Methanolgehalts gesundheitsschädlich zu sein. Anfang des 20. Jahrhunderts führte man dann das auch heute noch gebräuchliche Veredelungsverfahren ein, bei dem auf eine resistente Amerikanerrebe eine fruchttragende Europäerrebe aufgepfropft wurde.
Seit den späten 1930er Jahren kam es immer wieder zu zeitweisen Verboten bzw. unterschiedlichen Einschränkungen der Herstellung und Vermarktung des Uhudlers. Es würde hier zu weit führen, den spannenden Kampf pro und contra des Uhudlers nachzuerzählen, bei dem in den letzten Jahren insbesondere burgenländische Interessen und EU-Weingesetze kollidieren. Momentan darf das Getränk nach einem vorläufigen, bis 2030 geltenden Beschluss in 25 südburgenländischen Gemeinden verkauft werden. Wer tiefer in diese Materie eindringen möchte, sei auf die Homepage eines einschlägigen Freundeskreises verwiesen
Wie beim Uhudler handelt es sich auch beim Dudler um ein traditionelles österreichisches Kulturgut, allerdings um ein deutlich weniger existenzbedrohtes. Ganz im Gegenteil – wurde dem Wiener Dudler doch 2010durch seine Aufnahme in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes in Österreich gewissermaßen Unsterblichkeit garantiert! Nur sehr ignorante Zeitgenossen, die m.E. absolut zu Recht als ,Piefkes‘ bezeichnet werden sollten, ganz gleich, ob sie einen deutschen, chinesischen oder auch österreichischen Pass mit sich herumtragen, würden den Wiener Dudler als Jodler bezeichnen und den Hirtenrufen von Gebirglern (,Almschroa‘) gleichsetzen, die damit über mehrere Talzüge hinweg verirrte Paarhufer auf die richtige Weide zurückführen.
Würdigen wir also den Dudler als urbanes Musikgenre, das seinen Platz in geschlossenen Räumen (z.B. Heurigen-Lokalen) hat und entsprechend weich intoniert wird, in der Regel von verschiedenen Instrumenten begleitet wird, auch mehrstimmig gesungen werden kann, über eine lange Geschichte bis tief ins 19. Jahrhundert hinein verfügt und sich in seinen virtuosen Varianten dem Koloraturgesang einer Opernarie annähert. Ausführlich befassen sich mit dem Dudler Fritz und Kretschmer in ihrer Abhandlung über die Musikgeschichte Wiens (vgl. S. 179 ff). An anderen Stellen werden in diesem Werk auch die engen Beziehungen zwischen Wiener Liedern und österreichischer Weinkultur erörtert und die Versuche der letzten Jahre geschildert, dem ein wenig verstaubten Genre durch Anleihen bei Jazz-, Blues- und Rock-Musik sowie satirisch-ironische Texte neue Impulse zu geben. Der Autor, Komponist, Sänger und Gitarrist Roland Neuwirth hat sich auf diesem Feld besonders hervorgetan, zumeist unterstützt von seinen ,Extremschrammeln‘ (Doris Windhager: Überstimme, Manfred Kammerhofer: Geige, Bernie Mallinger: Geige, Michael Radanovics: Geige, Marko Živadinović: Knopfharmonika).
Der Uhudler Dudler gilt heute als Klassiker des Neuen Wiener Liedes.
Hans-Peter Ecker, Bamberg
Literatur:
Elisabeth Th. Fritz und Helmut Kretschmer (Hg.): Wien. Musikgeschichte. Teil I: Volksmusik und Wienerlied. Wien 2006.
Homepage des Vereins der Freunde des Uhudler: http://www.uhudlerverein.at/
Interview mit Roland Neuwirth in der Kronen Zeitung vom 22.06.2020
Sandleiten. In: Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie.
Uhudler: Kurioser Wein aus Österreich, in: Weinfreunde Magazin (08.10.2020).