Der Deutschen liebste Hymne im Glück: „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ der Mainzer Hofsänger (Text: Walter Rothenburg; 1951)

Die Mainzer Hofsänger (Text: Walter Rothenburg)

So ein Tag, so wunderschön wie heute

Der Tag mit euch war wunderschön,
Wir sagen gern auf Wiedersehn
Und hoffen, dass auch euch gefiel,
Was wir gebracht in unserm Spiel.

Schau die bunten Sterne
Am Firmament hier stehn, [Variante: Am Narrenhimmel stehn,]
Ach, ich blieb' so gerne,
Doch leider muß ich gehn.

So ein Tag, so wunderschön wie heute,
So ein Tag, der dürfte nie vergehn.
So ein Tag, auf den man sich so freute,
Und wer weiß, wann wir uns wiedersehn.

Ach wie bald entschwinden frohe Stunden, [Ach wie bald ist wieder Aschermittwoch,]
Und die Tage im Wind verwehn.
So ein Tag, auf den man sich so freute,
Und wer weiß, wann wir uns wiedersehn.

Ach wie bald entschwinden frohe Stunden
Und die Tage im Wind verwehn.
So ein Tag, so wunderschön wie heute,
So ein Tag, der dürfte nie vergehn.

Fürwahr kein Lied für Goethes komischen Zausel, der bei seiner berühmten Wette mit dem Teufel (Studierzimmerszene) folgende Bedingung für die Niederlage formulierte:

Werd‘ ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!

Faust gibt sich in diesen Versen als der Gierschlund zu erkennen, der er ist: ein Action-Junkie, der seinen Hals nie voll bekommt. Kaum ist das eine Begehren gestillt, geht es weiter. Als Konsument ein Superheld des Turbo-Kapitalismus, im Grunde aber doch nur ein unglücklicher Tropf! Wer So ein Tag, so wunderschön wie heute anstimmt oder mitsingt, ist dagegen in aller Regel höchst zufrieden mit sich und der Welt, nein, mehr als zufrieden – der ist glücklich (oder tut wenigstens so)! Er ist nicht nur einfach glücklich, sondern er weiß das auch und er weiß diesen Zustand zu schätzen. Er freut sich über sein momentanes Glückserlebnis nicht zuletzt deshalb, weil er dessen Fragilität nur zu genau kennt; mehr noch: Im Bewusstsein der Singenden mindert die Vergänglichkeit des schönen Augenblicks dessen Wert nicht, sondern steigert sie noch.

Unser Loblied auf den ,wunderschönen Tag‘ singt man nicht für sich allein, normaler Weise auch nicht zu zweit, ja nicht einmal zu dritt oder viert: Es braucht schon ein ansehnliches ,Kollektiv‘ – eine größere Geburtstagsrunde, einen Festsaal oder womöglich ein volles Fußballstadion –, das gemeinsam das Glück des Moments empfindet und diesem Gefühl auch gemeinsam Ausdruck geben will, um sich des gemeinsamen Glücks-Bewusstseins zu versichern, den schönen Augenblick im Gesang noch ein wenig länger festzuhalten und vielleicht auch für die Erinnerung zu speichern.

Die Mitglieder solcher Kollektive können miteinander bekannt, ja sogar befreundet sein, doch ist das keine zwingende Voraussetzung, wie das Beispiel der Fußball-Fans zeigt. Wichtiger als eine vorgängige Verbindung ist die spontan einsetzende ,Verschwisterung‘ (ich schreibe bewusst nicht ,Verbrüderung‘), die während des Singens dieser Glücks-Hymne zwischen den Mitsingenden erfolgt. Zur Abrundung des perfekten Tages fehlt nun nur noch der Topos, dass sich ,wildfremde Leute in die Armen fallen‘. Wir haben im deutschen Sprachraum eine Reihe ähnlicher Lieder, die ebenfalls positive Befindlichkeiten von Kollektiven artikulieren und Prozesse spontaner Vergemeinschaftung unterstützen: Ich erinnere nur an Schillers/Beethovens Ode An die Freude, das Weihnachtslied O du fröhliche, Julis Perfekte Welle oder, ganz eng bei unserem Lied, Tage wie diese von den Toten Hosen. Es bräuchte einen eigenen ethnologischen Essay, die – manchmal nur recht feinen – pragmatischen Differenzen all dieser Lieder zu klären. Sehr grob kann man vielleicht sagen, dass So ein Tag, so wunderschön wie heute ohne Symphonieorchester und das staatstragende Pathos von Schillers Ode, ohne einschränkende Bezüge auf eine religiöse Botschaft bzw. ein spezielles jugendliches Milieu und mit deutlich weniger Alkohol als das Glückslied der Hosen auskommt. Wenn es anlässlich großer Siege in Fußballstadien zelebriert wird, fehlt ihm der Gestus des Triumphs (wie bei We are the Champions von Queen), im karnevalistischen Kontext evoziert es eher Tränen der Rührung als solche des Lachens. Auf alle Fälle ist es das mit Abstand beliebteste ,Stimmungslied‘ der Deutschen.

Auch deshalb gehört es zu karnevalistischen Festen und wegen seiner Wehmut angesichts der Vergänglichkeit aller schönen Dinge von der Dramaturgie her natürlich an deren Ende. Die Veranstalter närrischer Großveranstaltungen wussten und beherzigten dies schon seit den frühen 1950er Jahren, indem sie die großen Finale ihrer Bühnenshows bevorzugt mit diesem Lied einleiteten, das von Lotar Olias 1951 für den Auftritt der Mainzer Hofsänger für die kommende Saison komponiert worden ist (vgl. Walter Moßmann und Peter Schleunig: Alte und neue politische Lieder. Reinbek bei Hamburg 1978, S. 269). Es markiert im zeitlichen Kontinuum eines Festes jene Phase, in der die Hochstimmung ihren Gipfelpunkt erreicht und überschreitet. Die Teilnehmer denken bereits an Aufbruch, Abschied, Trennung, an ihre Rückkehr in den mehr oder minder grauen Alltag. Aus dieser Situation einer gewissen Distanz zum – bereits gehabten, aber immer noch emotional wärmenden, ja erregenden – Glücks-Erlebnis entsteht seine Reflexion. Diese Reflexion der abflutenden Freude führt zum Wunsch nach ewigwährender Verlängerung des glücklichen Moments bei gleichzeitigem Bewusstsein der Nicht-Realisierbarkeit dieses Begehrens.

Zur oben angesprochenen Verschwisterungs-Leistung dieses Liedes trägt sein Perspektivenwechsel bei. Die Sprecherinstanz wechselt zwischen einem (eher) kollektiven „wir“ (Refrain, 4. Zeile), einem individuellen „ich“ (2. Strophe) und einem unscharfen „man“ (Refrain, 3. Zeile), was aber insofern vernachlässigt werden kann, als Individuum und Kollektiv ersichtlich im Gleichtakt ,ticken‘. Der mehrfache Wechsel von kollektiver Stimme und individuellen Sprechern fügt sich bestens zum Vortrag des Liedes durch einen Chor mit Solisten, wie es die ,Mainzer Hofsänger‘ jahrzehntelang ihrem Publikum vorgemacht haben. Mitglieder des Mainzer Konservatoriums hatten sich 1926 zu einem karnevalistischen Spaßchor zusammengefunden, der die Prunksitzungen lokaler Fassenachts-Vereine mit seinen Beiträgen bereicherte. Von 1952 an hatten die Hofsänger So ein Tag, so wunderschön wie heute in ihrem Programm, das ab 1955, mit Beginn der Fernsehübertragungen der großen Mainzer Prunksitzung Mainz wie es singt und lacht (ab 1973 unter dem Titel „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“), dann auch deutschlandweit ausgestrahlt wurde.

Der Titel wurde von Walter Rothenburg getextet, die Melodie hatte, wie oben schon erwähnt, Lotar Olias beigesteuert. Inwieweit sich Olias dafür von der Melodie der Internationale inspirieren ließ (so die These von Moßmann/Schleunig, s.o., S. 270), wage ich nicht zu beurteilen. Rotenburg (1889-1975) war eine mehr als schillernde Persönlichkeit im deutschen Unterhaltungsgeschäft: Der gebürtige Hamburger hatte seinen ersten Beruf bei der deutschen Kriegsmarine gefunden, in den zwanziger und dreißiger Jahren kannte man ihn als einen bedeutenden Boxpromoter, gleichzeitig betätigte er sich aber auch als freier Schriftsteller und Liedtexter. So stammt beispielsweise der Text von Freddys Junge, komm bald wieder ebenso aus seiner Feder wie der große Karnevalsschlager Oh, wie ist das schön.

Lotar Olias (1913-1990) war ebenfalls kein Unbekannter im Schlager- und Filmgeschäft der Nachkriegszeit; er textete und komponierte damals recht erfolgreich. Da sich Olias im Dritten Reich mächtig exponiert hatte, stand er nach dem Krieg zunächst im Abseits der Unterhaltungsbranche. Ab 1949 ging es für ihn dann aber wieder deutlich voran, bis in die mittleren 1960er Jahre komponierte er praktisch jedes Jahr gleich für mehrere Filme. So ein Tag, so wunderschön wie heute wurde 1954 in dem Unterhaltungsfilm Geld aus Luft (Regie: Géza von Cziffra, Sängerin: Lonny Kellner) eingebaut. Beim gebürtigen Königsberger und späteren Hamburger Olias gibt es, ähnlich wie bei Walter Rothenburg, eine auffällige Affinität zu Fernweh-Produktionen, bei denen Freddy Quinn als Schauspieler bzw. Sänger beteiligt war.

Hans-Peter Ecker, Bamberg

 

Gegen das Vergessen. Freddys „Junge, komm bald wieder“ (Text: Walter Rothenburg)

Freddy

Junge, komm bald wieder

Langs. Walzer a. d. Musical Heimweh nach St. Pauli (Olias/Rothenburg)

Junge, komm bald wieder, bald wieder nach Haus,
Junge, fahr nie wieder, nie wieder hinaus!
Ich mach mir Sorgen, Sorgen um dich,
denk auch an morgen, denk auch an mich!
Junge, komm bald wieder, bald wieder nach Haus,
Junge, fahr nie wieder, nie wieder hinaus!

Wohin die Seefahrt mich im Leben trieb,
ich weiß noch heute, was mir Mutter schrieb.
In jedem Hafen kam ein Brief an Bord,
und immer schrieb sie: "Bleib nicht so lange fort"!

Junge, komm bald wieder, bald wieder nach Haus,
Junge, fahr nie wieder, nie wieder hinaus!

Ich weiß noch, wie die erste Fahrt verlief,
ich schlich mich heimlich fort, als Mutter schlief.
Als sie erwachte, war ich auf dem Meer.
Im ersten Brief stand: "Komm doch bald wieder her"!

Junge, komm bald wieder, bald wieder nach Haus,
Junge, fahr nie wieder, nie wieder hinaus!
Ich mach mir Sorgen, Sorgen um dich,
denk auch an morgen, denk auch an mich!
Junge, komm bald wieder, bald wieder nach Haus,
Junge, fahr nie wieder, nie wieder hinaus!

     [Freddy: Junge komm bald wieder. Polydor 1962.]
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Lena Meyer-Landruts Satellite dürfte bereits zu den Songs gehören, die wir nie vergessen. Dafür bürgt ihr Sieg beim Eurovision Song Contest 2010, nach dem ihr Landesvater, der Ministerpräsident der Landes Niedersachsen, getrieben von der überbordenden Begeisterung des Publikums, zum Flughafen eilte, um die Interpretin persönlich zu begrüßen und die Glückwünsche der Bundeskanzlerin zu übermitteln. Im Moment des Sieges wurde dem Erfolgslied gar politische Bedeutsamkeit zuerkannt:

In Zeiten, die für die EU schwieriger denn je sind, ist es einer europäischen Öffentlichkeit nicht nur möglich, sondern erscheint es ihr auch geboten, sich auf faire, skandalfreie Weise über ästhetische Fragen zu verständigen, die in die Gesellschaft hineinwirken und nicht nur ein vordergründiges Interesse bedienen. Lena Meyer-Landruts Triumph von Oslo zeigt uns, dass es in Europa noch eine andere Währung gibt, auf die sich alle einigen können: die menschlich-künstlerische. (Edo Reents: Lena Meyer-Landrut. Unser Mädchen. In: FAZ, 31.05.2010)

Ob Satellite auch ein Song ist, der „den Nerv seiner Generation getroffen hat“ (Rainer Max u. Rainer Moritz Intro. In: Dies. [Hg.]: Schlager, die wir nie vergessen. Verständige Interpretationen. Leipzig: Reclam 1997, S. 13–20, hier: S. 14.), wird sich erst noch erweisen. Versehen mit einer solchen Bewertung stünde er in einer Reihe z. B. mit Nicoles Ein bißchen Frieden (Grand-Prix-Eurovision-Gewinner 1982) oder Freddys Junge, komm bald wieder, wobei letzterer auch den Max-Frisch-Herausgeber Peter von Matt zu einer auführlicheren Besprechung reizte.

Ebenso wie Reents Satellite verortet von Matt die Bedeutung von Junge, komm bald wieder in der Sphäre auch des Politischen: Das Wesentliche des Liedes sei die Sehnsucht (Peter von Matt: Zwischen  Meer und Mutter: der Mann. Ebd. S. 139–143, hier: S. 139), und zwar die Sehnsucht nach „Komplexitätsvergessenheit im Seelischen, im Zwischenmenschlichen und im Erotischen“, die ein Merkmal der damals endenden Adenauer-Epoche gewesen sei (ebd. S. 142f.). Von Matts Interpretation von Junge, komm bald wieder stellt hauptsächlich die literarische Seite des Liedes heraus und sieht dessen „emotionale Wucht“ als ein Resultat der äußersten „Einfachheit der Rede“ (ebd. S. 140). Spielt man die Schallplatte heute noch einmal, deutet sich eine weitere Hörart an: dass der Schlager eine noch größere emotionale Wucht durch das erfährt, wovon Freddy in seinem Lied gerade nicht singt.

Der vorangestellte Text allein hätte den Schlager kaum vierzehn Wochen lang auf Platz eins der Hitparade halten können, nicht zu einer der meistverkauften Single-Platten des Jahres 1963 machen, nicht für eine Goldene Schallplatte sorgen können; und Freddy wäre nicht zum beliebtesten Sänger des Jahres gewählt worden, nur weil eine solch große Hörergruppe mit der Mutter das zwar überaus schmerzliche, aber nicht gänzlich unwahrscheinliche Von-zu-Hause-Fortbleiben eines jungen Seemanns der Handelsmarine hätte befürchten müssen – Heimurlaube blieben trotzdem ‚nach der ersten Fahrt’ möglich. Es muss etwas Anderes gewesen sein, das die Freunde dieses Liedes berührt hat.

„Ringsum eine Wüste von kleinen Anfragen: Gesucht ein Zimmer in Stadtnähe. Und immer wieder: Wer kann Auskunft geben über meinen Sohn? Dazu ein Bild; das Lächeln eines gesunden Obergefreiten, die trauerlose Zuversicht eines jungen Gesichtes, wie es sie nur noch an Plakatsäulen gibt […]“ (Max Frisch: Gesammelte Werke in zeitlicher Folge. Bd. II.2. 1944-1949. Hg. v. Hans Mayer unter Mitw. v. Walter Schmitz. Frankfurt a, M.: Suhrkamp  1976, S. 524 ), notierte Max Frisch in seinem ersten Tagebuch über einen Besuch in Frankfurt am Main des Jahres 1947, „(…) Alltag, es ist nicht abzusehen, was kommen soll“ (ebd. S. 523).

In den Junge, komm bald wieder-Jahren 1962/63 war nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland abzusehen, was hätte kommen können: Das Ende des Zweiten Weltkriegs lag noch keine zwanzig Jahre zurück, da begann sich 1961 der Kalte Krieg  mit dem Bau der Berliner Mauer einem ersten Höhepunkt zu nähern; im Oktober desselben Jahres standen sich bereits amerikanische und sowjetische Panzer am Grenzkontrollpunkt Friedrichstraße in Berlin, dem Checkpoint Charlie, gegenüber; 1962 brachte die Kuba-Krise die Welt an den Rand eines Atom-Krieges; die USA, NATO-Partner und Schutzmacht Deutschlands, engagierten sich zunehmend in Vietnam, zunächst mit einer Aufstockung der Zahl der sogenannten Militärberater in Südvietnam.

Die Kriegserfahrung der Deutschen lag noch nicht so lange zurück, dass sie nicht nicht mehr allgemein geteilte Erfahrung gewesen wäre, und viele der Musik-Hörer dachten in dieser Situation wahrscheinlich an den, von dem die Mutter in ihren im jeweiligen Hafen bereitliegenden Briefen an den Jungen so beharrlich schweigt: den Vater, sie vermissten eine Erwähnung des Vaters des jungen Seemanns. Es wäre doch zu erwarten gewesen, dass er seiner Frau, der Mutter seines Sohnes, in dieser belastenden Situation beisteht und mit ihr zusammen den Sohn zurückruft. Jedoch, ihr Mann bleibt stumm, ein Vermisster, möglicherweise ein vermisster Obergefreiter, auf dessen Rückkehr seine Frau fünfzehn Jahre nach Max Frischs Tagebuch-Notiz nicht mehr zu hoffen wagte, eine noch vergeblichere Hoffnung, nachdem im Jahre 1955, nach Adenauers Verhandlungen in Moskau, die letzten deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion zurückgekehrt waren.

Vielleicht noch verstärkt durch den ersten einsetzenden wirtschaftlichen Abschwung nach dem Zweiten Weltkrieg musste die Kriegserfahrung im Wirtschaftswunder-Deutschland mit der Eskalation der militärischen Lage zwischen den Militärblöcken NATO und Warschauer Pakt erneut dramatisch zu Bewusstsein kommen, sodass Freddys Zuhörer tatsächlich ahnten, ‚was in der Mutter des jungen Seemanns vorgeht‘ (ebd. S. 139). Nach dem Verlust des Mannes im Krieg quält sie die Angst, nun auch noch ihren Sohn auf dem Schlachtfeld zu verlieren, so wie die Hörer von Rundfunk und Schallplatten die Angst vor dem Verlust von Freunden, Verwandten oder des eigenen Lebens in einer höchst bedrohlichen politischen Situation peinigen musste.

Die musikalische Form von Junge, komm bald wieder unterstützt diese Lesart. Das Lied hebt mit einer gedehnten Solo-Akkordeon-Melodie (Man denke auch an die einleitende Mundharmonika der Titel-Melodie in Sergio Leones Western-Klassiker Once upon a Time in the West (1968). Mit dieser Melodie zeigt der Rächer nicht nur den Moment allerhöchster und letzter Gefahr für seine und seines Vaters ehemaligen Peiniger an. Er erinnert mit ihr auch die Qual, die er mit dem Verlust des Vaters erlitten hat.) an, mit der das unbegleitete Instrument das Motiv der lange anhaltenden Einsamkeit der Mutter vorwegnimmt, das eher alltägliche Instrument klingt vertraut. ¾-Takt und reduziertes Tempo lassen innehalten und eröffnen den Gedanken Raum, machen es zudem leicht, sich z. B. beim Tanz der Musik vollständig hinzugeben. Die tiefe Baritonstimme klingt in ihrer Gemessenheit vertrauenswürdig ernst, Sprechvortrag gesteigert zu eindringlich intoniertem Gesang signalisiert höchste Betroffenheit. Text und zeitgeschichtliche Erfahrung treten so in Gleichklang. Der Schlager vergegenwärtigt nun das Bekannte, das schon bewältigt geglaubt war.

Eine zunächst durch und durch gewöhnliche Musik zusammen mit der ‚Leerstelle in der Rede‘, dem Vater, gibt dem „Wesentlichen“ des Liedes jetzt einen neuen Sinn: Es ist die Sehnsucht nach Frieden, der vielen mit der Politik Adenauers endlich möglich schien, und es ist die Angst vor Krieg, die Junge, komm bald wieder anklingen lässt.

Georg Anders, Bochum