Heldin der Blumenwiese. Karel Gotts Titellied zur TV-Serie „Biene Maja“, ein Heldenlied (Text: Florian Cusano)

Dem ZDF zum 50jährigen Senderjubiläum, nachträglich zum 1. April 2013

Karel Gott (Text: Florian Cusano)

Die Biene Maja

In einem unbekannten Land 
Vor gar nicht allzu langer Zeit 
War eine Biene sehr bekannt 
Von der sprach alles weit und breit

Und diese Biene die ich meine, nennt sich Maja 
Kleine, freche, schlaue Biene Maja 
Maja fliegt durch ihre Welt 
Zeigt uns das, was ihr gefällt 
Wir treffen heute uns’re Freundin Biene Maja 
Diese kleine, freche Biene Maja 
Maja, alle lieben Maja 
Maja, Maja 
Maja, Maja 
Maja, erzähle uns von Dir

Wenn ich an einem schönen Tag 
Durch eine Blumenwiese geh’
Und kleine Bienen fliegen seh’ 
Denk’ ich an eine, die ich mag

Und diese Biene, die ich meine, nennt sich Maja [...]  

Maja, alle lieben Maja 
Maja, Maja 
Maja, Maja 
Maja, erzähle uns von Dir

     [Karel Gott: Die Biene Maja. Polydor 1977.]

Ein Held kann viele Gesichter haben. Folgt man diesem Ausspruch des Hollywoodgurus Alan Campbell konsequent, dann kann ein Held also auch das Gesicht eines neugierigen Raben haben, eines gelbgrünen Drachen oder einer kleinen (neuerdings wespentaillierten) Honigbiene. Und diese Biene, die ich im Speziellen meine, nennt sich Maja. Kinderhelden wie Maja zeigen mit ihrer liebenswerten Abenteuerlust ihren jungen Freunden, dass es sich lohnt, die Welt für sich zu entdecken. Sie sind vorbildhafte Kumpanen. Mit genau diesem nahbaren Heldentypus spielt Karel Gotts Titellied (in der neuen Version von Helene Fischer gesungen) zur Fernsehserie Biene Maja .

Dieses zeitgenössische Heldenlied zeichnet eine tierische Heldin, die zwar mächtig überdurchschnittlich ist, nicht aber übermächtig weit weg. Die Verbindung zur Rhetorik klassischer Heldendichtung ruft das Kinderlied bereits in der ersten Strophe auf. In einer heroischen Vorzeit und einem nicht näher bestimmten, geheimnisumwoben Land wird die schwarzgelbe Protagonistin verortet: „In einem unbekannten Land / Vor gar nicht allzu langer Zeit / War eine Biene sehr bekannt“. Um für die großen und kleinen Maja-Anhänger das Geschehen allerdings nicht zu weit von der Gegenwart zu entfernen, wird die Distanz zum mythischen Zeitalter abgemildert. Die Abenteuer sind nicht gar zu lange her.

Die Beschreibung der Heldin selbst arbeitet ebenfalls mit rhetorischen Versatzstücken der Heldenepik: Im  Nibelungenlied sind die küenen recken mit allerhand epitheta ornans versehen, sind ruhmreich, tapfer oder stark. Siegfriedhaft. Im Maja-Lied finden sich ebensolche schmückenden Beiworte, entsprechend auf die Heldin angepasst. Ein klassischer Held muss nun als nicht mehr unbedingt männlich sein. Maja ist klein, frech und schlau. Dazu kommt – für eine Heldencharakterisierung topisch – der hohe Bekanntheitsgrad, der wohl auch im Falle der heroischen Biene von ihren in jeglicher Hinsicht außergewöhnlichen Leistungen herrührt. Schließlich ist die Heldin Maja „sehr bekannt“, „von [ihr] sprach alles weit und breit“.

Erneut wird mit diesen Stilmitteln die Heldenliedtradition anzitiert und gleichzeitig sympathisch und kindgerecht gebrochen. Zwar verfügt Maja eindeutig über die Gewitztheit einer Heldin, doch strotzt sie nicht vor heroischer Virilität. Dem kleinen Zuschauer ist sie somit eine ebenbürtige Identifikationsfigur: „uns´re Freundin Biene Maja“, die man gerne trifft. Sie wird ausschließlich und universal als liebenwert präsentiert:„[A]lle lieben Maja.“

Die Verwendung häufig wiederkehrender rhetorischer Baussteine lässt sich für mittelhochdeutsche Texte vor dem Hintergrund der oral poetry ausdeuten. Durch die repetitiven Strukturen waren die Texte gut memoribar und auch  gut rezipierbar und damit für den mündlichen Vortrag geeignet. Bezüge zu einer medialen Mündlichkeit weist auch das Fernsehheldenlied auf: Nicht nur spielt sich ein (vortragendes) Sprecher-Ich deutlich in den Text hinein, sondern es wird auch deutlich, dass man von der Heldin vor allem durch mündliche Überlieferung erfährt. Alles spricht von ihr (vgl. den Anfang des Hildebrandslieds: „Ik gihorta dat seggen“, „Ich hörte folgendes berichten“). Von Maja wird am Ende des Refrains gar selbst eine heroische Erzählung erwartet: „Erzähle uns von dir“. Diese direkte Ansprache setzt eine gegenwärtige Heldin voraus, die im Gegensatz zum klassischen Helden noch nicht gestorben sein muss, um in den Heldenstatus aufzusteigen.

Worin aber besteht nun das heldenhafte Handeln der kleinen Honigbiene? Geht man nur vom Lied aus und nicht von den episodenhaften aventiuren, die Maja von Folge zu Folge besteht, dann gibt der Text darüber nicht konkret Auskunft. Gleichzeitig aber schildert er allgemein das wohl entschiedenste und abenteuerlichste Abenteuer der Kindheit: das Entdecken der Welt auf eigene Faust, und damit auch das Entdecken der eigenen Vorlieben. „Maja fliegt durch ihre Welt / Zeigt uns das was ihr gefällt.“ Gleich zweimal wird in diesen Zeilen der Eigensinn Majas betont, was beinahe an einen hedonistischen Blindflug grenzt. Maja zeigt uns ihre Welt. Maja tut das, was sie möchte.

Schließlich ist es noch Sinn und Zweck eines Heldenlieds den Heros und seine Leistungen im kollektiven Gedächtnis zu verankern. Diese Memorabilitätsfunktion klingt auch im Maja-Lied an:

Wenn ich an einem schönen Tag
Durch eine Blumenwiese geh’
Und kleine Bienen fliegen seh’
Denk’ ich an eine, die ich mag.

Durch den Einsatz des Präsens wird diese Strophe allerdings nicht zu einem rein nostalgisch verklärenden laus temporis acti, einem Lob auf vergangene Zeiten und ihre Helden, sondern feiert die freudige Hochstimmung auch für das Hier und Jetzt des Sprechers. Ein weiteres Mal wird damit die heroische Distanz abgemildert. Maja wird zur nahbaren Heldin.

Bei all der florierenden Erinnerungsfreude sollte man sich im Sommer also glatt selbst einmal ins Gras legen und sich auf die Suche nach all den facettenäugigen Helden machen, die dort vorüberfliegen, krabbeln und kriechen. Wie gesagt, ein Held kann viele Gesichter haben. Beispielsweise das einer frechen und dazu noch sehr, sehr schlauen Honigbiene. Na, aber Sie wissen schon, wen ich meine.

                                                                                                          Florian Seubert, Bamberg