Frechheit siegt! „Ich hab drei Haare auf der Brust“ von Bernd Stelter (2001)

Bernd Stelter

Ich hab drei Haare auf der Brust

Ich kam zur Welt mit gut zwölf Pfund, die Mama hat geflucht.
Der Doktor schrieb erst mal'n Briefchen an das Guinnessbuch.
Den ganzen Kopf voll Glatze, wie's für's Baby sich geziert,
nur wo die Haare waren, hat die Mama irritiert:

Ich hab drei Haare auf der Brust, ich bin ein Bär.
Ich zähl sie jeden Tag, es werden halt nicht mehr
So ein Bär scheut in der Tierwelt überhaupt keinen Vergleich,
man kann mit Bären prima kuscheln, denn so'n Bär is herrlich weich.
Wer's einmal ausprobiert hat, will immer mehr – 
ich hab drei Haare auf der Brust, ich bin ein Bär!

[Zusatzstrophe]
Das erste schöne Mädchen hatte ich mit achtzehn Jahrn,
die Bude frei, weil meine Eltern grad beim Kegeln warn.
Keine vier Minuten und wir standen nackig da;
was hat sie sich erschrocken, als sie's Stummelschwänzchen sah:

Ich hab drei Haare auf der Brust, ich bin ein Bär [...] 

„Sie wolln die Hand von meiner Tochter?“, sprach ihr Vater „Komm‘ Se rein!“
Ich sagte „Nur die Hand? Da fällt mir noch was Lustigeres ein...“
„Sie ham‘ kein Haus, kein Boot, kein Auto, also Sie machen mir Spaß!
Sie ham‘ nich mal Kleingeld für die Parkuhr – ham‘ Sie irgendwas?“ 

Ich hab drei Haare auf der Brust, ich bin ein Bär [...] 

Der Vollmond schien, es war November, es war unsre Hochzeitsnacht.
„Na und, wann geht‘s denn weiter?“ hat sie hinterher gefragt.
Nu sei mal nich so ungeduldig, sei schön sittsam und schön brav,
denn so‘n richtig dicker Bär hält nach der Paarung Winterschlaf.

Ich hab drei Haare auf der Brust, ich bin ein Bär [...] 

    [Bernd Stelter: Ich hab drei Haare auf der Brust. Eastwest 2001.]

Bernd Stelter ist ein ebenso vielseitiger wie beliebter Entertainer. Obwohl aus Unna, einer westfälischen Stadt am östlichen Rande des Ruhrgebiet stammend, wo bekanntlich nur ab und an einmal mit der Luftschlange gearbeitet wird, fasste er schon 1988 im Kölschen Karneval Fuß und gilt dort seitdem als feste Größe. Sein Bärenlied war bzw. ist bis heute wahrscheinlich sein größter Erfolgs-Hit. Die Gründe liegen auf der Hand: Erstens ist die Logik des selbstbewusst vorgetragenen Schlusses von drei Brusthaaren auf Bären-Status frappierend komisch; zweitens verkörpert Bernd Stelter figürlich die Maskulinität des vollschlanken Kuschelbärs so sympathisch, dass ihn ein großer Teil des männlichen Publikums mit suboptimalem body shape unschwer zum Rollenvorbild erwählen kann und drittens gewinnt er auch die anwesenden Frauen durch Selbstironie, indem er den mit der Bären-Metaphorik indirekt erhobenen Potenzanspruch witzig mit einer überraschenden Begründung (ein Bär braucht seinen Winterschlaf) zurücknimmt.

Stelters Bärenlied ist – wie viele andere Karnevalslieder auch – ein ,Balzlied‘, das vor Frauen männliche Qualitäten ausstellt; allerdings findet der Sänger dabei einen originellen, durch Witz und Selbstironie bestimmten Weg ins weibliche ,Herz‘. Er parodiert das traditionelle Balzverhalten des Mannes, das Stärke, Macht und Potenz als Argumente auffährt, dabei im Subtext aber auch Dominanzansprüche artikuliert. Stelters Bären-Nummer schüchtert nicht ein, sie zwinkert der angebalzten Frauenschaft auf Augenhöhe zu. Intelligente Frauen, die ein wenig über die erste Nacht hinauszudenken pflegen, werden die partnerschaftlichen Qualitäten eines solchen Menschen wahrscheinlich erkennen und schätzen, selbst wenn der „kein Haus, kein Boot, kein Auto“ (vgl. die bekannte Sparkassen-Werbung) vorzuweisen hat. (Denk ich jedenfalls mal …)

Allerdings lässt sich unser Karnevalslied mit seinem einprägsamen Refrain nicht nur als originelles Balzlied verstehen, sondern auch als Satire auf einen Zeitgeist, dem der Sprecher Hochstapelei und dreistes Anspruchsdenken als Normalverhalten unterstellt. So wie unser Held mit seinen drei Brusthaaren von der Gesellschaft als ,Bär‘ akzeptiert wird, behauptet das Lied auf seiner satirischen Sinnebene, machen heutzutage auch Dumm- und Windbeutel ohne Sachkompetenz Karriere in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, weil den Menschen die Maßstäbe fehlen, Schein und Sein zu unterscheiden.

Beide Aspekte gehören zusammen: augenzwinkernde Selbstironie als erotische Strategie und satirische Entlarvung einer dekadenten Gesellschaft, deren Spitzenränge von den dreistesten Eseln besetzt werden. Der Esel ist übriges das Symboltier von Unna (vgl. u.a. die dortige Tierparade von 2009), nicht der Bär.

Hans-Peter Ecker, Bamberg

Man vgl. zum Thema ,Winterschlaf‘ Ludwig Hirschs ebenso betitelten Sprechgesang.