Von der romantischen Liebe zu Autos und Schokolade. Das Dingliebeslied. Rainhard Fendrichs „Zweierbeziehung“ (1980) und Helene Fischers „Marathon“ (2013) als liebreizende Spielart des komischen Lieds

Rainhard Fendrich

Zweierbeziehung 

Jetzt sitz i wieder do un bin alla
Wie host mia des nur antuan können
I trau mi gar ned ins Kaffeehaus ume
Weu sa si wieder o'haun täten über mi, die Gsichter
Allaweil war i nur da Depperte, da Blede
Aber wie i auf amoi mit dir daherkommen bin
Do is eahnen die Lad' obeg'flogn, da ham's g'schaut
Neidisch san's g'wesn
Vom erschten Augenblick an hab i g'wusst, dass neidisch war'n
Aber du hast mir g'hört, mir ganz allan!
 
Gestern hat mi's Glück verlassen
Du liegst am Autofriedhof draußen
Dabei warst du doch immer ois für mi
I kann ma's wanen net verbeißen
Wos warst du für a haßes Eisen
Und überblieb'n is nur a Havarie
 
Nie wer' i den Tag vergessen
Wie wir zwa uns das erschte Mal geseg'n ham
Es war Liebe auf den ersten Blick
I hab sofort g'wusst: Di muß i hab'n, um alles in der Welt!
Am Anfang hat er noch Mucken g'macht, der Herr Papa
Aber dann is er scho aussag'ruckt mit die Tausender
Und wias dann vor mir g'standen bist
Mit deine braden Rafen und deine Schweinsledersitz, ein Bild für Götter!
Kannst di no erinnern, wie wir's erschte Mal auf der Autobahn war'n,
Wir zwa ganz allan
Wie ma dem Porsche no davonzogen san bei 200
Bei dir hat er die Gurken g'habt, der Herr Carrera

Gestern hat mi's Glück verlassen [...]

I kann gar net versteh', wi des hat passieren können
Die Kurv'n hat doch leicht 130 vertrag'n
Naja, vielleicht hätt i die 6 Viertel net trinken soll'n
Aber mit 6 Viertel is ma do no net ang'soff'n, oda?
Überhaupt nix wär passiert
Wenn net der depperte Bam da g'standen wär
Für ein grünes Wien, so ein Bledsinn!
Die soll'n ihre Stauden woandersch hinpflanzen
Gor nix, gor nix, hätt's ma g'macht
Wenn's ma nur den Führerschein wegg'nommen hätten
Hätt' ma halt in wilder Ehe zusammengelebt
Aber daß i di jetzt um an Kilopreis hergeb'n muaß
Das reißt ma's Herz ausse

     [Rainhard Fendrich: Ich wollte nie einer von denen sein. Philips 1980.]

Helene Fischer (Text: Jean Frankfurter und Joachim Horn-Bernges)

Marathon 

Du warst schon auf dem Schulhof mein Favorit,
ich war in jeder Pause nach dir verrückt,
dass das mal Liebe wird, war sonnenklar.
 
Ich brauchte dich schon damals vorm Schlafengehen
und kann dir auch noch heute nicht wiederstehen,
wenn du da liegst bin ich immer in Gefahr.
 
Doch reichte mir sehr lang von dir ein bisschen,
heut will ich dich ganz,
und ich nutz um dich zu kriegen jede Chance.
 
Mein Herz läuft Marathon, 
wenn ich in deine Nähe komm.
Ich geb' es nicht gern zu:
Mein größter Schwachpunkt bist du.
 
Mein Herz läuft Marathon,
und die mich kennen wissen schon:
Wenn ich schlecht funktionier',
dann hab ich Lust nur nach dir.
 
Heut wirst du von mir morgens eiskalt vernascht,
und heiß genieß' ich dich gern spät in der Nacht,
und dazwischen mag ich dich auch bittersüß.
 
Am schlimmsten ist für mich: Du siehst harmlos aus,
doch auf der Waage kommt dann die Wahrheit raus,
und dann seh' ich, wie gefährlich du doch bist.
 
Für eine Woche lass ich dich links liegen,
länger schaff ich's nicht,
denn mit jedem Tag freu ich mich mehr auf dich.

Mein Herz läuft Marathon [...]

Für Schokolade sterbe ich,
was wär ein Tag denn ohne dich?

     [Helene Fischer: Farbenspiel. Polydor 2013.]

Für die Teilnehmer an der Wien-Exkursion, besonders für die Gruppe 17H Zentralfriedhof

Es gibt viele verschiedene Formen des komischen Lieds. Das Nonsens- und Kabarett-Lied mit seiner Hochphase in der Wilhelminischen Ära und der Weimarer Republik gibt es. Hier im Blog finden sich beispielsweise Beiträge zu Fritz Löhna-Bedas Ausgerechnet Bananen oder zum Schmunzellied Mein kleiner grüner Kaktus von den Comedian Harmonists. Das Karnevalslied kann man ebenfalls als Variante des komischen Lieds nennen. Hans-Peter Ecker hat zu dieser Gattung zahlreiche Einträge verfasst. Eine weitere Spielart des Lachschlagers soll hier eingeführt und an zwei Beispielen kurz beleuchtet werden. Es handelt sich um das Dingliebeslied, um Texte also, in denen der Sprecher Konventionen eines Liebesschlagers und dessen personenbezogene Rhetorik auf die Liebe zu Gegenständen überträgt. Die Anwendung von Liebespathos oder Verliebtheitstopoi auf schnöde Sachen erzeugt Komik und spielt mit den Erwartungen des Hörers. Für diese Spielart findet sich sowohl im österreichischen Liedermacher-Schlager als auch im deutschen Pop-Schlager ein Beispiel. Vielleicht fallen Ihnen noch weitere ein. Ich würde mich sehr über Hinweise im Kommentarbereich freuen.

Rainhard Fendrich wendet romantische Topoi wie Liebesverbundenheit über den Tod der geliebten Person hinaus und die Unvergesslichkeit gemeinsamer Erlebnisse in seiner Zweierbeziehung (1981) auf die abgewrackte Karosserie eines dahingerafften Automobils an, an dessen Unfalltod er auch noch mit schuld war. Besonders bitter. Helene Fischers Marathon (2013, Autoren: Jean Frankfurter und Joachim Horn-Bernges) laufendes Herz schlägt für Schokolade und verknüpft erotisches Verlagen damit. Beide Schlager verraten das Objekt ihrer Liebe allerdings nicht von Anfang an. Sie lassen den Hörer bewusst in dem Glauben, es handele sich um ein persönliches Gegenüber, von dem der Sprecher – bei Fendrich – plötzlich verlassen wurde oder von dem die Sprecherin – bei Fischer – einfach nicht loskommt.

Dieses Missverständnis funktioniert deswegen so gut, weil die Sprecher dem Rezipienten mit vertauten Liebeslyrik-Mustern begegnen: imaginierte Du-Ansprache der angeliebten Person (wie in Rollenlyrik und Minnesang) sowie Heranzitieren eines traditionellen Schönheits-Katalogs und dessen Verknüpfung mit sinnlicher Erotik (ähnlich Shakespeares Sonetten). Erst mit bewusst gesteuerter textlicher Verzögerung erhält der Hörer Hinweise darauf, wer oder was im Zentrum des Liedes steht. Die allmähliche oder plötzliche Erkenntnis bewirkt eine komische Spannung im Lied, hört man es doch von nun an immer mit dem Doppelbewusstsein im Sinn, dass hier tatsächlich jemand von einem Auto oder von Schokolade singt, wie wir es in unserer romantischen Prägung  doch eigentlich von zwischenmenschlichen Verhältnissen gewöhnt sind. Der Romantiker in uns wundert sich und schmunzelt.

Ganz traditionell verbindet in beiden Fällen die Sprechinstanz eine Liebesbiografie mit dem Objekt der Begierde und erzählt diese im Lied. Entsprechend den Konventionen einer Liebesgeschichte fällt der ersten Begegnung Aufmerksamkeit zu, sie zieht den Hörer in die Erzählung hinein. Bei Helene Fischer finden wir die Liebesrealität eines Wendy-Mädchens, den Schulhofflirt:

Du warst schon auf dem Schulhof mein Favorit,
ich war in jeder Pause nach dir verrückt
dass das mal Liebe wird, war sonnenklar.

Bei Fendrich wird ebenfalls die erste Begegnungssituation geschildert. Dazu kommt das gesellschaftlich anerkannte Problem, dass die Partnerwahl des Sohns nicht immer gleich den Geschmack der Eltern trifft. Damit betont der Sprecher bei Fendrich auch noch einmal seinen besonderen, gar nicht piefigen Geschmack:

Nie wer‘ i den Tag vergessen
Wie wir zwa uns das erschte Mal geseg’n ham
Es war Liebe auf den ersten Blick
I hab sofort g’wusst: Di muss i hab’n, um alles in der Welt!
Am Anfang hat er noch Mucken g’macht, der Herr Papa

Beide Lieder spielen auf ihre Weiser mit dem Topos von der Liebe auf den ersten Blick und verwenden gehörig Zeilen darauf. Das Liebesverlagen und dessen Schilderung ist in beiden Fällen zudem vom Image des jeweiligen Interpreten bedingt. Das Alter Ego Helene Fischers verspürt zwar „Lust“ – auch ganz im Sinne von körperlichem (sich bzw. hier das Objekt) Verzehren –, strahlt aber letztendlich Keuschheit aus: Als Schulmädchen „brauchte [sie das Begehrte] vorm Schlafengehen“ [Hervorhebung F.S.], nicht dabei. Das älter gewordene Ich ist da etwas direkter und spielt mit der Doppeldeutigkeit von Schokoladenattributen (eiskalt, heiß, bittersüß):

Heut wirst du von mir morgens eiskalt vernascht,
und heiß genieß‘ ich dich gern spät in der Nacht,
und dazwischen mag ich dich auch bittersüß.

Die Verben in diesen Zeilen deuten zwar auf sexuelle Aktivitäten hin, bedienen sich aber doch stark dem Jargon Jules Mumm-trinkender Freundinnen (vernaschen, genießen, mögen). Der Girlie-Biederkeit entsprechend bildet Verlangen eine Gefahr: „Du siehst harmlos aus/ […] auf der Waage […] / seh’ ich wie gefährlich du […] bist“. In diesem Kosmos ist ein Mann auf der Gefahrenskala vermutlich noch das kleinere Problem. In der Topmodel-Pop-Welt sind Kohlenhydrate die dunkle Bedrohung. Ohne Schokolade ist man unausgeglichen, mit ihr wird man dick. Esst weniger Brot, fresst Paprika. Um es frei nach Heidi Klum zu sagen. Schon bei Trude Herrs Ich will keine Schokolade, lieber einen Mann (1965) erzeugte die Verschränkung von süßen mit sexuellen Gelüsten Heiterkeit. In Helene Fischers Antwort wird dieser Topos umgekehrt: Das Helene-Ich mag tatsächlich lieber Schokolade und eigentlich gar keinen Mann.

Bei Fendrichs Sprecher-Ich hingegen klingt bereits der Macho-Macho an, jener Single-Erfolg, den er rund sieben Jahre nach seiner ersten erfolgreichen Männersingle Zweierbeziehung haben wird. Im Wiener Kaffeehaus zeigt das Ich seinen Spezies gerne, was für ein toller Hecht es doch ist. Die Frau wird zum Statussymbol. Das hat sie mit dem Auto gemein:

[Im] Kaffeehaus […]
Allaweil war i nur da Depperte, da Blede
Aber wie i auf amoi mit dir daherkommen bin
Do is eahnen die Lad‘ obeg’flogn, da ham’s g’schaut
Neidisch san’s g’wesn […]
Aber du hast mir g’hört, mir ganz allan!

Fischers kulinarische Text-Begierde besitzt die sexuelle Aura des Bauarbeiters aus der Coca-Cola-Werbung (harmlos gefährlich) und bringt die Mitdreißigerin in sichere Gefahr. Fendrich beschreibt seine Gefährtin nicht, wie in der Pop-Kultur weibliches Verlangen erzeugt wird, sondern, wie in der Literaturtradition Frauenkörper beschrieben werden: durch Hervorhebung einzelner besonders erwähnenswerter Bauteile (vgl. hierzu zum Beispiel den blazon-Begriff anhand von Beispielen von Spenser und Greene auf www.columbia.edu): „Und wias dann vor mir g’standen bist / Mit deine braden Rafen und deine Schweinsledersitz, ein Bild für Götter!“ Sein Minne-Ding ist gemäß dem Hofzeremoniell ein Geschenk, das man den Göttern getrost widmen kann.

Wohl eher der modernen Paarbeschreibung entnommen ist die Erwähnung eines gemeinsamen Bewegungshöhepunkts, der dem ersten Treffen folgt: „[W]ie wir’s erschte Mal auf der Autobahn war’n, / Wir zwa ganz allan / Wie ma […] davonzogen san bei 200.“ Die Erotisierung von Schweinsledersitzen erzeugt freiwillig Komik. Wie bei Fischer sind die sexuellen Doppeldeutigkeiten bei Fendrich, hat man sie einmal gehört, unüberhörbar und die „breiten Reifen“ wirken vielleicht sogar nur elegant, weil sie komisch gebrochen sind und eine gezielte Übertreibung darstellen. Der Titel von Fendrichs Lied legt zudem noch nahe, dass er sich mit seiner ironischen Beziehungsschilderung über ein Gesellschaftsphänomen der Achtziger amüsiert. „Beziehung“ verweist in diesem Zeitkontext auf eine moderne Form der Verbandelung, der jegliche Form von Liebespathos abgeht. Heinz Rudolf Kunze fragt 1985 in seinem Lied Dein ist mein ganzes Herz entsprechend: „Was sind das bloß für Menschen, die Beziehungen haben?“

Bei Fendrich, vielleicht sogar noch etwas stärker als bei Fischer, ist es aber gerade der vermeintliche Gegensatz zwischen der prosaischen Sachlichkeit eines Dings und der pathetischen Ernsthaftigkeit, mit der die Literaturtopoi romantischer Liebe auf ein Ding angewendet werden, die Komik erzeugt. In der Lachtheorie würde man hier vielleicht von komischer Inkongruenz sprechen, die daraus entsteht, dass zwei Bereiche zusammengebracht werden, die gemäß den Sprech- und Denkerwartungen einer bestimmten Gattung für den Hörer zunächst nicht zusammengehen. Die Dingliebeslieder sind so gestaltet, dass diese Inkongruenz erst verspätet auffällt und dann ein fröhliches Ah-Erlebnis erzeugt. Bei einer gemischtgeschlechtlichen Hörererwartung und Kulturprägung verstärken Interpretenrolle und sprachliche Parallelen zwischen Person und Ding (Mann/Auto, Frau/Schokolade) das anfängliche Missverständnis noch. Oder ist das alles gar nicht lustig gemeint? Bestätigen Fendrich und Fischer nur, was viele schlechte Comedians und große Kabarettisten immer wieder behaupten, dass Frauen und Männer einfach nicht zusammen passen? Und, man muss es unverhohlen sagen, dass Schokolade und Autos einfach die besseren Beziehungspartner sind? Ist das nicht herzig?

Florain Seubert, Bamberg

Viel mehr als nur ein Auto. Der Opel-Kult in der Musik am Beispiel von Liedern der Toten Hosen („Opel-Gang“) und der Motoristen/King Køng („Wir fahren Manta Manta“).

Die Toten Hosen

Opel-Gang

Den Arm aus dem Fenster, das Radio voll an,
draußen hängt ein Fuchsschwanz dran,
in jeder Karre sitzen vier Mann.
Die Bullen eben in der Stadt abgehängt,
mit 110 einen Ford versengt
und einen Fiat ausgebremst.
Wir haben neue Schluffen drauf
und uns Rallystreifen gekauft.
 
Wir sind die Jungs von der Opel-Gang,
wir haben alle abgehängt.
Wir sind die Jungs von der Opel-Gang,
wir haben alle abgehängt.
Opel-Gang!
 
Einmal rund um den Häuserblock,
danach wird die Karre aufgebockt
und sich unter die Kiste gehockt.
Samstags nachmittags um halb vier,
Fußballreportage und ein Bier.
Kavaliersstart wird ausprobiert,
dann geht's los in tollem Spurt,
wir schließen nie den Gurt.
 
Wir sind die Jungs von der Opel-Gang [...]

     [Die Toten Hosen: Opel-Gang. Virgin 1983.]

Die Motoristen

Wir fahren Manta Manta

Wir haben Geschmack, wir haben Stil,
wir sind jung und sehen super aus.
Heut sind wir unterwegs,
ich und Horst und Gerd und Klaus.
Wir sind bekannt
für unsere Subtilität,
und es gibt bei uns ein Auto,
um das sich alles dreht.
 
Nimm dir die Welt,
nimm die Sonne und die Sterne.
Nimm dir den Wald
und die Sonnenblumenkerne.
Laßt uns die Autobahn,
dann könn' wir weiterfahrn,
denn wir fahren nun mal gerne Manta Manta (Manta Manta).
 
Wir hören Bach, lesen Brecht,
ab und zu mal was von Goethe.
Immer nur Quantenphysik,
das wär uns echt zu blöde.
Was unsere Frauen betrifft,
da sind wir wählerisch.
Und unser Lieblingsauto
heißt genauso wie der Fisch.
 
Nimm dir die Welt [...]
 
Neulich ist dem Gerd,
was Gräßliches passiert:
Bei knapp 200 Sachen
ist er abgeschmiert.
Gerd hat's überlebt,
der Manta, der war Schrott
der fährt jetzt durch den Himmel,
getuned vom lieben Gott. (Gott fährt Manta.)
 
Nimm dir die Welt [...]

     [V.A.: Manta Manta - Der Soundtrack zum Film. Polydor 1991.]

 

Eine Welt ohne Autos kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Dieser Kasten auf vier Rädern ist mittlerweile mehr als ein Fortbewegungsmittel; das Auto entwickelte sich von einem Statussymbol, das der Elite vorbehalten war, zu einem Alltags- und Gebrauchsgegenstand, der nun in den meisten deutschen Haushalten, manchmal sogar in mehrfacher Ausführung „vorrätig“ ist. Da man sich infolgedessen nicht mehr darüber definieren konnte, bloß ein Auto zu haben, musste ein anderes identitätsstiftendes Merkmal her, was ab den 1980er Jahren die Automarke darstellte. Wer heutzutage in einem Audi oder BMW dazu verleitet wird, mit mehr als der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit über die deutschen Straßen zu schüren, wird schon mal als Rampensau beschimpft. Mercedes fahren seit Urzeiten Matthias Schweighöfer und seit letztem Jahr auch Weltmeister. Aber wurde bei dieser Aufzählung der qualitativ hochwertigen deutschen Automarken nicht eine vergessen? Richtig, der alteingesessene Opel-Konzern wird in heutigen Diskussionen um das coolste Auto gar nicht mehr erwähnt. Heutzutage ist Opel eher für seine Familienvans wie den Zafira oder das „Seniorenauto“ namens Meriva bekannt. Schön klingende Namen im Vergleich zum futuristischen „BMW 116i“ oder den wenig einfallsreichen ABC-Klassen von Mercedes Benz. Nichtsdestotrotz hatte auch Opel seine Glanzzeiten, auch wenn diese schon lange vorbei sind. An diese Zeiten erinnern noch die Kultlieder Opel-Gang von den Toten Hosen und Wir fahren Manta Manta von den Motoristen.

1983 erschien das Debütalbum der Toten Hosen, die damals, so erinnerte sich Campino, „vormittags Abiturprüfungen und abends Liedtexte schrieben“. Der darauf enthaltene Song Opel-Gang wurde nicht nur zum Namensgeber des Albums, sondern auch zum Kassenschlager. Die Toten Hosen gaben mit diesem Lied einer neuen Generation eine Stimme, die zum ersten Mal das Geld und die Zeit besaß, sich in ihrer Freizeit ganz der Pflege ihres Autos zu widmen. Der Song handelt vom Alltag einer Gruppe junger Männer, deren liebste Beschäftigung es ist, ihre Autos zu tunen und in Wettrennen vorzuzeigen. Dabei scheuen sie weder Polizisten noch Geschwindigkeitsüberschreitungen: „Die Bullen eben in der Stadt abgehängt, / mit 110 einen Ford versengt“. Im Gegenteil, ihr Ziel ist die Provokation der Obrigkeit, im Wissen um die eigene Geschwindigkeit. Dabei wollen sie sogar gesehen und wiedererkannt werden: Die Autos stechen mit aufgeklebten Rallystreifen und wehenden Fuchsschwänzen aus der Masse der anderen Verkehrsteilnehmer heraus, und auch im Wageninneren findet sich der draufgängerische Geist der Jugend wieder. Mit lauter Musik („das Radio voll an“) und unangeschnallt („wir schließen nie den Gurt“) verbringen die Jungs ihre Wochenenden mit Spritztouren und daran anschließenden Tuningaktionen, begleitet von Fußballreportagen und Bier. Der Alltag dieser Generation wird mehr denn je von der Pflege des mittlerweile erschwinglichen Statusobjekts bestimmt, das vor allem für Männer Unabhängigkeit und Nonchalance symbolisiert. Aus welchem Grund stellten sich die Toten Hosen sonst als Opel-„Gang“ dar? Der Titel besteht wohl kaum aus der amerikanischen Bezeichnung für eine Straßenbande, die sich vor allem über ihre kriminellen Handlungen definiert, weil die Band sich ein Image als „Saubermänner“ hätte verschaffen wollen, wofür es ohnehin ein bisschen zu spät gewesen sein dürfte.

Eine andere Art von Aufmerksamkeit (aber nicht weniger verpönt) will in dem Film Manta, Manta! die Gruppe um Protagonist Bertie erzielen, deren (mehr oder weniger ernst gemeinte) Verehrung weniger Opel allgemein als vielmehr dessen neuestem Modell, dem Manta, gilt. Als Titellied wurde Wir fahren Manta Manta 1991 von King Køng, der Band des Ärzte- Sängers und -Gitarristen Jan Vetter (Künstlername bei Die Ärzte: Farin Urlaub) unter dem Namen Die Motoristen eingespielt. Das Sprecher-Ich des Titellieds ist der Protagonist des Films, Bertie, was allerdings nur aus dem Zusammenhang erkennbar wird: „Ich und Horst und Gerd und Klaus“. Die vier werden in der ersten Strophe zunächst so vorgestellt: „Wir haben Geschmack, wir haben Stil, / wir sind jung und sehen super aus […] Wir sind bekannt für unsere Subtilität“. Der ironische Unterton springt den Hörer geradezu an, vor allem, wenn man den Film und die Clique um Bertie vor Augen hat. Nach dieser Aufzählung wird schnell klargestellt, dass der Mittelpunkt der Welt für diese jungen Männer ein Auto bildet: „Und es gibt bei uns ein Auto, / um das sich alles dreht.“ Diese Anspielungen auf den typischen Manta-Fahrer der späten 80er Jahre kommen nicht von irgendwo. In den damals virulenten Mantawitzen wurden Manta-Fahrer durch den Kakao gezogen, Bertie und seine Freunde bilden dabei keine Ausnahmen vom Stereotyp: „Mantaletten“, Ruhrpott-Slang, Antipathie gegen VW Golf GTI-Fahrer und sehr blonde Freundinnen auf dem Beifahrersitz. Die Selbstdarstellung der Protagonisten im Titellied wird von der Figurenzeichnung des Films konterkariert. Die Feinfühligkeit, derer sich das Sprecher-Ich und seine Freunde rühmen, lässt sich nirgends finden; ihr niedriges Sprachniveau haben sie sicher nicht durch das Lesen von Brecht und Goethe erworben (vgl. „Wir hören Bach, lesen Brecht / und ab und zu mal was von Goethe“). Stattdessen wird ihr schlichtes Denken betont: Hast du Auto, hast du Frau. Und ganz im Gegenteil zu ihrer Behauptung (vgl. „Was unsere Frauen betrifft, da sind wir wählerisch“) ist keiner dieser Herren im Film besonders anspruchsvoll bei seiner Partnerwahl. Erst im Refrain wird das Ausmaß der Autofixierung dieser jungen Männer erkennbar: „Nimm dir die Welt, / nimm die Sonne und die Sterne. / Nimm dir den Wald / und die Sonnenblumenkerne.“ Das Wichtigste, die Autobahn, solle aber ihnen überlassen werden, auch wenn sie sich im Kultfilm Manta, Manta weniger auf Autobahnen als vielmehr auf Land- und Dorfstraßen im Ruhrpott austoben. Für mehr jedoch, könnte man meinen, hätte die Leistung des verspotteten Sportwagens sowieso nicht gelangt.

Neben diesen beiden, mehr oder weniger ernst gemeinten Liedern finden sich noch weitere, die die Autos der Marke Opel thematisieren. Da wären Kadett B von WIZO aus dem Jahr 1992 oder der Nachfolgesong der Toten Hosen Die Opel-Gang Teil II – Im Wendekreis des Opels. Obwohl der Hype um Autos der Marke Opel von den Hosen zunächst noch ernst gemeint zu sein schien, entpuppte sich dieser im Lauf der Zeit als Ironie.

Ein neuer Hype um die einst beliebte Marke blieb in jüngster Vergangenheit zum Nachteil des Konzerns aus. Das Unternehmen kämpft derzeit mit wirtschaftlichen Problemen, man denke nur an die Schließung des Werks in Bochum Anfang Dezember 2014. Das traurige Ende eines seit 52 Jahren bestehenden Werkes konnten letzten Endes weder die Mitarbeiter noch die Chefetage verhindern, trotz der erbaulichen Projekte, die die Angehörigen und Freunde der Opelaner in den vergangenen Jahren ins Leben gerufen haben (vgl. etwa Kinder singen Opel-Rettungslied).

Die Toten Hosen konnten die Welle der Entrüstung bzw. Begeisterung für Lieder, die den Autos der Marke Opel gewidmet waren, die sich aus ihrem Punksong entwickelt hat, sicher nicht vorhersehen; noch weniger, dass es die Opel-Gang mittlerweile sogar in Wirklichkeit gibt: 2001 wurde aus dem Titel der Toten Hosen ein eingetragener Verein. Auf dem Internetauftritt der Gang posieren die circa zehn Mitglieder mit Frau und Hund stolz vor ihren Merivas (www.opel-ganggermany.de/). Mehr Einsatz für den untergehenden Stern am Himmel der deutschen Automarken kann sich sicher nicht mal Campino wünschen.

Marina Willinger, Bamberg