„De Hamborger Veermaster“ – Skandal im Hafenbecken
26. Oktober 2022 2 Kommentare
Anonym De Hamborger Veermaster Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn To my hoodah, to my hoodah! De Masten so scheev as den Schipper sien Been To my hoodah! hoodah, hoodah ho! Blow, boys, blow for Californio there is plenty of gold, so I am told, on the banks of Sacramento. Dat Deck weer vun Isen, vull Schiet und vull Schmeer. "Rein Schipp" weer den Käpten sein größtet Pläseer. Dat Logis weer vull Wanzen, de Kombüs weer vull Dreck, De Beschüten, de leupen von sülven all weg. Dat Soltfleesch weer gröön, un de Speck weer vull Moden, Kööm gev dat blots an Wiehnachtsobend. Un wulln wi mol seiln, ich segg dat ja nur, Denn lööp he dree vörut und veer wedder retur. As dat Schipp, so weer ok de Kaptain, De Lüd for dat Schipp weern ok blots schanghait [Übersetzung für „Landratten“: Ich habe mal einen Hamburger Viermaster gesehen. Die Masten waren so krumm wie die Beine des Schiffers (des Schiffsführers, des Kapitäns). Das Deck war aus Eisen, voller Dreck und voller Schmiere. „Rein Schiff“ (anzuordnen) war des Käpitäns größtes Pläsier. Das Logis (die Kajüte mit den Kojen, den Schlafplätzen) war voller Wanzen, die Kombüse (die Küche, die Kochstelle) voller Dreck. Der Schiffszwieback (Beschüten abgeleitet aus dem frz. biscuit), der lief von selber weg (gemeint ist: voller Tiere). Das Salzfleisch war (schimmlig-) grün und der Speck voller Maden. Und Kümmelschnaps gab es bloß am Weihnachtsabend. Und wollten wir mal segeln (gemeint ist: kreuzen), ich sag‘ das ja nur, dann lief er drei (Faden = nautisches Längenmaß, rd. 1,8 m) voraus und vier wieder retour. Und wie das Schiff, so war auch der Kapitän. Die Leute fürs Schiff waren auch bloß schanghait. (heimtückisch auf das Schiff gebracht).]
Hintergrund und Inhalt
Der Hamborger Veermaster ist ein Shanty, ein Arbeitslied, wie es auf Segelschiffen gesungen wurde. Die Melodie basiert auf einem Minstrel Song, einem Lied aus den sogenannten Minstrel Shows, einer Frühform amerikanischen Theaterwesens, die etwa ab 1830 in den Südstaaten der USA entstanden ist. Die Textzeilen „to my hoodah, hoodah, ho“ und der Refrain „Blow, boys, blow, for Californio …“ stammen aus dem Shanty Banks of Sacramento. Dessen Anfangszeile „It was in the year eighteen hundred (and) forty nine“ deutet auf das Entstehungsjahr hin. Ende des 19. Jahrhunderts taucht das Lied in Schleswig- Holstein auf; vom wem der plattdeutsche Text stammt, ist nicht bekannt.
Gesungen wurde dieses Shanty während des Ankerlichtens. Wenn zur Ausfahrt oder zur Heimreise der Anker eingeholt werden sollte, musste das Gangspill (Ankerwinde, englisch: capstan) gedreht werden, eine senkrecht stehende Trommel, mit herausnehmbaren Speichen, den Spaken. Auf den Befehl „Man the capstan!“ eilten die Matrosen zu den bereitgestellten Spaken, steckten die Stäbe hinein und begannen ihren Rundgang um die Trommel, auf die die Ankertrosse aufgewickelt wurde (vgl. Jürgen Dahl, Shanties, 1979, S. 65). Ähnlich auch in dem berühmten Gangspill-Shanty Rolling Home „Call all hands to man the capstan, see the cable run down clear“.
Das Singen des Shanties hatte zwei Effekte: zum einen half er den Seeleuten die schwere körperliche Arbeit ein wenig zu erleichtern und die Eintönigkeit der Arbeit zu vergessen, zum anderen war es notwendig, den Arbeitsablauf zu rhythmisieren, damit alle im gleichen Schritt gingen und zugleich die Spaken bewegten. Ein Vorsänger sang „Ich heff mal en Hamborger Veermaster sehn“ und die anderen antworteten im Chor „To my hoodah, to my hoodah! usw.
Während der Sacramento-Shanty sich auf die Zeit des Goldrausches von Kalifornien um 1849 bezieht, als amerikanische Clipper von der Ostküste Goldsucher um das Kap Horn nach San Francisco (Bay of Sacramento) brachten, wurde der Hamborger Veermaster Ende des 19. Jahrhunderts auf den sogenannten Salpeterfahrten deutscher Segelschiffe gesungen. Die Schiffe brachten Kohle und Stahl nach Chile und hatten auf der Rückfahrt Salpeter und Guano (Vogeldünger) an Bord.
Das plattdeutsche Lied mag in der ersten Strophe im Vergleich der Masten mit den Beinen des Kapitäns übertreiben, der folgende Text beschreibt jedoch der Wirklichkeit entsprechend die häufig erschreckenden Zustände an Bord vieler Schiffe. Auf diesen Windjammern, häufig „Seelenverkäufer“ genannt, heuerte kein anständiger Seemann an. Daher wurden die einfachen Seeleute – wie es in der letzten Strophe heißt – „schanghait“, indem Obdachlose und Kneipengänger betrunken gemacht und an Bord geschleppt wurden. Da das Interesse der Schiffseigner und Reedereien hautsächlich auf die Gewinne aus den Frachtfahrten gerichtet war, kümmerten sie sich nicht um die Zustände an Bord. An der Ausstattung der Schiffe und der Verpflegung der Mannschaften wurde besonders gespart. Dementsprechend sah es an Bord aus, und es herrschten Mangelkrankheiten wie Skorbut und Typhus (in Einzelfällen auch die Pest, vgl. Wir lagen vor Madagaskar (alle Strophen im Volksliederarchiv). Auch auf den ersten Frachtdampfern änderten sich die Zustände nicht. Shanties wurden auch weiterhin bei „Foftein“ (fünfzehn, kurze Pause) oder nach Feierabend gesungen.
Rezeption
In ganz Norddeutschland ist das Lied Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn bekannt. Wie beliebt es ist, lässt sich auch an der vielfachen Verwendung des Veermasters ablesen. So gibt es in Cuxhaven ein Hotel mit dem Namen Hamborger Veermaster, Ferienwohnungen auf den Inseln Baltrum und Langeoog und mehrere Restaurants die den gleichen Namen tragen (so auch ein Speiselokal auf der Reeperbahn in Hamburg), in Karlshagen auf der Insel Usedom und im Ostseebad Schönberger Strand. Auch ein Laden in Hamburg, der Buddelschiffe (kleine Schiffsmodelle in einer Flasche) verkauft und ein Tonstudio werben mit dem Begriff Veermaster. Und nicht nur Touristen kaufen gern den Virginia Tabak Hamborger Veermaster.
Obwohl das Lied aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammt, ist es weiten Kreisen in Deutschland erst mit seiner Veröffentlichung 1934 im Liederbuch Der Kilometerstein (9. Auflage 1939) bekannt geworden. Zahlreiche Liederbücher übernahmen das Lied, so Der Knurrhahn – Seemannslieder und Shanties (1935/36), das HJ-Liederbuch Der Hitler hat gerufen und das Liederbuch der Kriegsmarine (1940). Vorher ist es etwa bis zum Niedergang der Frachtsegler auf See vereinzelt auch von Shantychören an Land gesungen worden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb der Veermaster weiterhin beliebt, vor allem durch seine Aufnahme 1952 in Die Mundorgel (Auflage bis heute über 11 Millionen). In der Folgezeit nahmen außer allgemeinen Gebrauchsliederbüchern fast alle Jugendorganisationen, von den Pfadfindern über die Turnerjugend bis zur Waldjugend, den Veermaster in ihre Liedersammlungen auf. Eingang fand es auch in Soldatenliederbücher wie in der DDR Soldaten singen der Nationalen Volksarmee oder in das Liederbuch der Bundeswehr.
Wie gern das Lied angehört wird, kann man den rund 200 Schallplatten und CDs entnehmen, die im Katalog des Deutschen Musikarchivs aufgeführt sind. Vorwiegend wird das Lied von Männerchören, speziell von Shantychören gesungen. Von den bekannten Solisten sollen hier nur Lale Andersen, Freddy Quinn, Heino, Hannes Wader und Achim Reichel erwähnt werden.
Georg Nagel, Hamburg
…..“to my hoodah….“! – Was heißt das denn nun ???
Hoo dah, hooday ist nicht eindeutig zu klären. Interessant finde ich enige Erklärungsversuche bei
https://www.wer-weiss-was.de/t/hooday-engl/4788270/11
GN