Nächte können manchmal ganz schön lang sein. Oswalds von Wolkenstein ,Anti-Tagelied‘ „Ain tunckle farb von occident“ (um 1417)

Gesang: Wilfrid Jochims, LP „Ich Oswald von Wolkenstein“, Aulos 1977, mit Michael Schäffer (Laute) und Tom Kannmacher (Scheitholt, Drehleier, Sackpfeife).

Oswald von Wolkenstein

33. Ain tunkle farb von occident

I
Ain tunkle farb    von occident
mich senlichen erschrecket,
Seid ich ir darb    und lig ellend
des nachtes ungedecket.
Die mich zu vleiss    mit ermlein weiss    und hendlin gleiss             5
kan freuntlich zue ir smucken,
Die ist so lang,    das ich von pang    in meim gesang
mein klag nicht mag verdrucken.
Von strecken    krecken    mir all bain,
wenn ich die lieb beseuffte,                                             10
Die mir    mein gier    neur weckt allain,
darzue meins vatters teuchte.

II
Durch winken wank    ich mich verker
des nachtes ungeslaffen,
Gierlich gedanck    mir nahent ferr                                      15
mit unhilflichem waffen.
Wenn ich mein hort    an seinem ort    nicht vind all dort,
wie offt ich nach im greiffe,
So ist neur, ach,   mit ungemach    feur in dem tach,
als ob mich brenn der reiffe.                                            20
Und winden,    binden    sunder sail
tuet si mich dann gen tage.
Ir mund    all stund    weckt mir die gail
mit seniklicher klage.

III
Also vertreib    ich, liebe Gret,                                        25
die nacht bis an den morgen.
Dein zarter leib    mein herz durchgeet,
das sing ich unverborgen.
Kom, höchster schatz!    mich schreckt ain ratz    mit grossem tratz,
davon ich dick erwache,                                                  30
Die mir kain rue    lat spät noch frue,    lieb, dorzu tue,
damit das bettlin krache!
Die freud    geud    ich auf hohem stuel,
wenn das mein herz bedencket,
Das mich    hoflich    mein schöner buel                                 35
gen tag freuntlichen schrenket.

Übersetzung

I
Die dunkle Färbung an Okzident
läßt mich sehnsüchtig erschauern,
weil ich sie vermisse und verlassen
in der Nacht unbedeckt daliege.
Jene, die mich so innig mit weißen Ärmchen und hellen Händchen             5
liebevoll an sich schmiegen kann,
ist so weit weg, daß ich aus Beklommenheit in meinem Gesang
meine Klage nicht zu unterdrücken vermag.
Vom lauter Dehnen ächzen bei mir alle Glieder,
wenn ich um meine Liebste seufze,                                         10
die einzig und allein meine Begierde erweckt –
dazu kommt mein urwüchsig-natürliches Verlangen.

II
Hin und her wälze ich mich
in der Nacht, ohne zu schlafen;
aus der Ferne nähern sich mir                                             15
mit unwiderstehlichen Waffen begehrliche Gedanken.
Finde ich meinen Lieblich nicht an seinem Platz vor,
sooft ich nach ihm taste,
so gibt es gleich, ach, zu meiner Not Feuer auf dem Dach,
als würde mich Reif verbrennen.                                           20
Ohne Strick dreht und fesselt
sie mich dann bei Tagesanbruch.
Unablässig  erweckt ihr Mund in mir die Lust
voll sehnsüchtiger Klage.

III
Auf diese Weise verbringe ich, liebe Grete,                               25
die Nacht bis zum Morgen.
Dein holder Leib durchstößt mein Herz,
das singe ich ganz offen.
Komm, teuerster Schatz! Eine ,Ratte‘ schreckt mich so hartnäckig auf,
daß ich oft erwache.                                                      30
Liebste, die du mir weder früh noch spät Ruhe gönnst, hilf mir doch,
daß das Bettchen kracht!
Vor Freude möchte ich von hoch oben hinausjubeln,
wenn ich mir im Herzen ausmale,
wie mich meine hübsche Geliebte                                            35
bei Tagesanbruch graziös und zärtlich umschlingt.

     [Mhdt. Liedtext nach  „Die Lieder Oswalds von Wolkenstein“, hg. v. Karl 
     Kurt Klein, 2015, S. 110f.; Übersetzung nach Wernfried Hofmeister, 1989, 
     S. 124 f. Als Nicht-Spezialist fürs Mittelhochdeutsche lasse ich mich hier 
     auf eine – an sich sicherlich interessante und für die Interpretation auch 
     relevante – Diskussion von Übersetzungsvarianten, derer es zahlreiche gibt,
     nicht ein (vgl. Dietl, 2011, S. 300-312). Außerdem soll dieser ohnehin 
     schon reichlich lang geratene Artikel nicht zusätzlich aufgebläht werden. 
     Datierung nach Marold, 1995, S. 297.]

 

Dafür, dass Oswalds von Wolkenstein Liedchen nun bald 600 Jahre auf dem Buckel haben wird, verstehen wir es anscheinend doch recht gut, zumal, wenn wir mit dem zweiten Auge (ach, der arme Oswald hatte nur eins!) ein wenig nach unten schielen, zur neuhochdeutschen Übersetzung hin. Der männliche Sprecher wälzt sich des Nachts im Bett herum und findet keine Ruhe, weil er neben sich etwas Kuscheliges „mit ermlein weiss und hendlin gleiss“ (Vers 5) vermisst und seine Gedanken (bzw. Hormone) keine Ruhe geben wollen. Immerhin geht auch die längste Nacht einmal zu Ende, und gegen Ende des Liedes, in den letzten vier Versen imaginiert der Sänger die baldige Rückkehr der Geliebten und damit Glück, Erhöhung („Thron“!), Freude und Jubel. Damit wäre die Lektüre eines modernen Zeitgenossen ohne mediävistisches Hintergrundwissen bezüglich ritterlicher Popkultur zum Ausgang des Mittelalters vermutlich schon an ihrem Ende angekommen. Allenfalls könnte er noch etwas zum Reimschema sagen, das gar nicht unraffiniert daherkommt: Die ersten und letzten vier Verse jeder der drei Strophen weisen Kreuzreime auf, Vers 5 und 7 jeweils drei Binnenreime und Vers 6 und 8 korrespondieren klanglich wieder mit Endreimen am Versende.

Mit Hilfe einschlägiger Fachliteratur lernt man allerdings schnell weitere Qualitäten dieses Liedes kennen und schätzen, wobei seine Gattungszugehörigkeit eine besondere Rolle spielt. Als mittelalterliches Lied erotischen Inhalts ist es im Kontext des sog. Minnesangs zu betrachten, einer in viele Subspezies ausdifferenzierten poetischen Gestaltung bzw. Diskussion der Liebe als einer höchst mächtigen anthropologischen Daseinsmacht, die körperliche, spirituelle und ethische Aspekte aufweist. Die Funktionen dieser für das Selbstverständnis der seinerzeitigen gesellschaftlichen Elite extrem wichtigen Dichtungsart waren vielfältig und veränderten auch sich im Laufe der Zeit. Zum Minnesang gibt es zahlreiche Fachbücher (vgl. etwa Schweikle, 1995 oder Hübner, 2008), die hier selbstverständlich auch nicht ansatzweise referiert werden können. Wenn ich dennoch dazu ein paar Sätze verliere, dann ohne jeden Anspruch, dem ausgesprochen komplexen literarischen Phänomen gerecht zu werden.

Wesentlich ältere poetische Lobpreisungen tugendhafter Männerfreundschaften werden im 12. Jahrhundert allmählich auf geschlechtliche Liebesverhältnisse übertragen. Dieser Prozess beginnt in Frankreich und lässt sich um 1150 auch im bairisch-österreichischen Sprachraum entlang der Donau nachweisen. In den Jahrzehnten um 1200 herum (,Stauferzeit‘) erreicht die künstlerische Ausformung des Minnesangs in deutschen Landen seinen Höhepunkt. Sängerdichter (Texter, Komponisten und Vortragende in Personalunion) wie Reinmar, Heinrich von Morungen, Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide oder Neidhart von Reuental entwickeln spezielle Untergattungen des Minneliedes mit spezifischen Rollenvorgaben für die männlichen und weiblichen Protagonisten. Punktuell können sie dabei auf Genres, ,environments‘ und Motivbestände westeuropäischer und sogar antiker Liebesgedichte zurückgreifen. Obwohl Minnelyrik – im Vergleich zu modernen Liedern – im Motiv- und Formenbestand hochgradig konventionell erscheint, goutierten (und honorierten!) kompetente Hörer im Kreis höfischer Festteilnehmer individuelle Unterschiede zwischen einzelnen Sängern, die um die Gunst ihres Publikums konkurrierten, indem sie es durch überraschende Variationen der bekannten Konstellationen und Sprachmuster zu amüsieren suchten (vgl. Handbuch Lyrik, 211, S. 321-326).

Zum Kreis der Minnesänger zählten Adlige höchsten Standes, aber auch mittellose Kleinadlige und talentierte Entertainer aus dem Kreis unfreier Ministerialen. Manche Sänger betrieben ihr Geschäft als kunstsinnige Dilettanten, für andere war es Brotberuf und Chance für den sozialen Aufstieg. Oswald von Wolkenstein (um 1377 geboren, 1445 in Meran gestorben) war kein Berufsdichter wie Walther von der Vogelweide, aber auch kein schwerreicher Mann. Er entstammte einem uralten, aber dennoch nur bescheiden begüterten Südtiroler Rittergeschlecht. Außerdem war er nicht der älteste Sohn seiner Familie, d.h. er musste sich tüchtig anstrengen, um etwas zu werden. Beides tat er, und zwar mit einer ganz außergewöhnlichen Energie. Oswald führte ein aufregendes Leben als Krieger, Kaufmann, Abenteurer, Räuber, Weltreisender, weithin gepriesener Sänger (Tenor) und Dichter, Diplomat und schließlich ordensbehängter Ratgeber von Fürsten und Königen. Er erlebte militärische Siege und Niederlagen, Schiffbruch, Gefangenschaft und Folter, Treue und Verrat, finanziellen Ruin und hohe fürstliche Gnadenbezeugungen, Liebe als sexuelle Hörigkeit und als eheliches Glück, kurz: er führte ein Leben wie (mehr als) eine Romanfigur und er sprach auch darüber – in seinen Gedichten (vgl. Kühn, 1977; Oswald von Wolkenstein. Leben – Werk – Rezeption,  2011). Dieser autobiographische Zug seiner Lyrik zeichnet ihn aus und trennt diese auch bereits von der klassischen Epoche des Minnesangs. Als höchst streitbare Persönlichkeit des öffentlichen Lebens und der großen Politik, hinterließ er ausgesprochen viele Spuren (über 300!) in historischen Quellentexten, als ,letzter deutschsprachiger Minnesänger‘ – eine in mancher Hinsicht problematische Einordnung – zugleich die außergewöhnliche Menge von 132 (nicht ausschließlich, aber doch zu einem Drittel der Liebe gewidmeten) Liedern. Damit wurde Oswald zum Glücksfall der mediävistischen Lyrik-Forschung, zumindest seit seiner ,Entdeckung‘ im 19. Jahrhundert. Davor hatte man ihn ein paar Jahrhunderte lang schlicht vergessen…

Zur Zeit Oswalds war der Minnesang schon längst keine lebendige Tradition mehr; diese endete spätestens ein Jahrhundert zuvor mit dem Tod Frauenlobs (1318), der sich in seinen Gedichten darum bemühte, im Geschlechtlichen die große Natur- und Heilsgeschichte, kurz gesagt, das Göttliche zu erkennen. Dennoch gab es auch im Spätmittelalter noch einige erwähnenswerte Dichter, die sich vermutlich selbst noch als Minnesänger verstanden, unter denen Oswald von Wolkenstein nicht zuletzt deshalb herausragt, weil er – neben vielen anderen Genres (vgl. Spicker, 2007) – auch die Gattungstraditionen des Minnesangs in einer Weise ,erforscht‘, variiert und strapaziert, dass man seine Lieder gelegentlich schon als ,experimentell‘ bezeichnet hat. Mit guten Gründen wird ihm in der jüngeren Forschung sein Minnesänger-Status abgesprochen, weil ihn nicht mehr die Konflikte und Ideale höfischer Minne-Konventionen inspirierten, sondern eigene Erfahrungen und sinnliche Wahrnehmungen. So bezeichnet ihn Sieglinde Hartmann (2012, S. 197) schon als „Begründer der modernen Liebeslyrik“. Ein interessantes Beispiel für Oswalds poetische Kreativität  liefert Ain tunkle farb von occident (gebräuchliche Sigle: Kl. 33), das die Konventionen des mittelalterlichen Tageliedes ins Gegenteil verkehrt.

Tagelieder bildeten eine sehr populäre Untergruppe mittelalterlicher Minnelieder. Im Gegensatz zum ebenfalls weit verbreiteten Werbelied, in dem der Sänger (zumindest bei vielen Dichtern der Stauferzeit) die verehrte, überhöhte und eigentlich unerreichbare Dame als ,Minne-Herrin‘ anschmachtet, thematisiert das Tagelied die Abschiedsszene eines höfischen Paares, das illegitimer Weise (!) heimlich eine gemeinsame Nacht verbracht hat. Es beginnt mit einem Zeichen des nahenden Tages (Vogelsang, Morgengrauen, Wächterruf) und lebt von der Wechselrede der Liebenden, die sich nicht trennen wollen, aber aufgrund der heiklen Situation eben doch voneinander Abschied nehmen müssen. Unter den Gedichten Oswalds finden sich zahlreiche Tagelieder, die alle möglichen Varianten dieser Konstellation durchspielen; unser Beispiel repräsentiert die radikalste Lösung, die in der einschlägigen Forschung nicht selten als ,Anti-Tagelied‘ bezeichnet wird (vgl. u.a. Ackerschott, 2013, 232-248). Diese Genre-Einschätzung eröffnet einen bestimmten Zugang zu diesem Text, der im Folgenden beschritten werden soll. Selbstverständlich wäre es aber auch möglich, dieses Lied als ,Sehnsuchts- bzw. Minneklage‘, ,Ehelied‘, Nachtwachen-Parodie oder als humoristische Elegie in der Nachfolge augusteischer Liebeselegien bzw. deren neulateinischen Epigonen zu betrachten und von den entsprechenden literarischen Kontexten her zu erschließen.

Statt mit einem ersten Lichthauch im Osten einzusetzen (vgl. etwa Kl. 101: „Wach auff, mein hort! es leucht dort her / von orient der liechte tag.“), konstatiert der erste Vers dieses Liedes stockrabenschwarze Nacht im Westen. Was dem Liebespaar eines konventionellen Tageliedes, dem die Nacht nur allzu schnell verstreicht,  höchst angenehm wäre, erscheint dem einsamen Sprecher-Ich dieses Textes als Zeichen verlängerter Qual, da es sich mit seinen sehnsüchtigen Gedanken nach der Geliebten im Bett herumwälzt und keinen Schlaf findet. Im typischen Tagelied gibt es kein Sprecher-Ich, sondern nur die Stimmen des Erzählers, der Protagonisten und vielleicht auch noch des Wächters auf der Zinne, der nicht selten heimlicher Verbündeter der Liebenden ist; deshalb wird es auch als ,genre objectiv‘ bezeichnet. Offensichtlich ist die Sprechsituation hier komplett verändert: Es gibt keinen Wechsel der Stimmen, sondern bloß das monologische Lamento des sprechenden und erlebenden Ichs.

Dessen Wortwahl legt – trotz „hoflich“ in Vers 35 – relativ wenig Wert auf eine Sublimierung der Situation, auf eine Betonung guter Sitten und feiner Minne unter höfischen Partnern. Nein, Oswald lässt keine Möglichkeit aus, deutlich zu machen, dass ihn die pure Geilheit plagt. Vers 30 mit seiner obszönen Metapher (,Ratte‘ für männliches Glied) setzt hier vielleicht den derbsten Akzent. Für Oswalds erotische Dichtung ist diese Konkretisierung sexueller Sinnlichkeit nicht untypisch, sie scheint auch bei seinem Publikum Gefallen gefunden zu haben. Inwieweit er diese Passagen in der Aufführungssituation als ironisch oder komisch markiert und dadurch entschärft hat, können wir nicht wissen. Die nächste Überraschung bereitet der Sänger seinen Zuhörern im ersten Vers der dritten Strophe mit der Namensnennung ,Grete‘. Während das klassische Tagelied die Heimlichkeit der erotischen Situation bewahrt, indem es die Anonymität des Paares wahrt, platzt Oswald mit einem Namen heraus, der seinem Publikum durchaus etwas sagt – seit 1417 ist er mit Margarethe von Schwangau verheiratet, die in mehreren seiner Lieder (von der Forschung ,Ehelieder‘ genannt, vgl. dazu genauer Karin Müller, 2009, S. 161-194) als „Gredlin“, „Gret“ und „Gredelein“  herumspukt.

Nun war dieser Name zur damaligen Zeit wahrlich nicht selten, aber es steht dennoch stark zu vermuten, dass Oswalds Publikum den Namen biographisch zugeordnet hat. Der Sänger outet sich hier also indirekt als Sprecher, was der derben Tagelied-Parodie in der Wahrnehmung der Zuhörerschaft eine zusätzliche Würze gegeben haben dürfte. Das Spiel mit der autobiographischen Fiktion ist selbstverständlich keine Innovation Oswalds; sie ist schon für die Hochphase des Minnesangs, z.B. bei Neidhart, belegt, dessen ungeachtet aber für Oswalds Dichtung besonders typisch. Inwiefern Traditionsbeziehungen zu biographischen Fiktionen bei Catull, Properz, Tibull und Ovid nachgewiesen wurden, entzieht sich meiner Kenntnis.

Die letzte Abweichung vom Schema des klassischen Tagelieds findet sich in Oswalds Schlussversen: Statt der dort zu erwartenden Bekundungen von Abschieds- und Trennungsschmerz imaginiert das Ich unseres Liedes die Ankunft der ehelich legitimierten Geliebten bei Tagesanbruch, mit der sein Minnebegehren Erfüllung finden und die Zeit der ,hohen Freude‘ beginnen wird. Auch hier polt der kreative Dichter zum Vergnügen seiner Zuhörer bzw. Leser die Genrekonventionen des überkommenen Tagelieds noch einmal radikal um. Dass das Paar das Licht des Tages hier nicht scheuen muss, verweist aber auch auf eine neuartige, von den Verhältnissen des hohen Mittelalters deutlich abweichende Liebeskonzeption, die nicht mehr als Gegensatz zu ,höfischen Etikette‘, d.h. zu restriktiven gesellschaftlichen Umständen verstanden wird (vgl. Rohrbach, 1986, S. 325).

In den Prachthandschriften A und B zu Oswalds Texten sind auch Melodie-Linien zu seinen Liedern verzeichnet, allerdings erfahren wir daraus nichts über Tempo, Notenlängen, Instrumentalisierung usw. Insofern sind unsere modernen Interpretationen weitgehend auf musikalisches Einfühlungsvermögen und Spekulation angewiesen (vgl. einschlägige Aufsätze in Oswald von Wolkenstein, 2011).

Hans-Peter Ecker, Bamberg

Literatur

Die Lieder Oswalds von Wolkenstein. Hrsg. von Karl Kurt Klein. 4., grundlegend neu bearb. Aufl. von Burghart Wachinger. Berlin und Boston: de Gruyter, 2015 (Altdeutsche Textbibliothek 55).

Oswald von Wolkenstein. Sämtliche Lieder und Gedichte. Ins Neuhochdeutsche übersetzt von Wernfried Hofmeister. Göppingen: Kümmerle, 1989 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 511).

Julia Ackerschott: Die Tagelieder Oswalds von Wolkenstein. Kommunikation, Rolle und Funktion. Trier: Wiss. Verlag, 2013.

Hans-Joachim Behr: Die Inflation einer Gattung: Das Tagelied nach Wolfram. In: Lied im deutschen Mittelalter. Überlieferung, Typen, Gebrauch. Chiemsee-Colloquium 1991. Hrsg. von Cyril Edwards, Ernst Hellgardt und Norbert H. Ott. Tübingen: Niemeyer, 1996, S. 195-202.

Cora Dietl: Übersetzungen der Lieder Oswalds von Wolkenstein. In: Oswald von Wolkenstein, 2011, S. 300-312.

Handbuch Lyrik. Theorie, Analyse, Geschichte. Hrsg. von Dieter Lamping. Stuttgart und Weimar, Metzler, 2011.

Sieglinde Hartmann: Deutsche Liebeslyrik vom Minnesang bis zu Oswald von Wolkenstein oder die Erfindung der Liebe im Mittelalter. Wiesbaden: Reichert, 2012 (Einführung in die deutsche Literatur des Mittelalters 1).

Gert Hübner: Minnesang im 13. Jahrhundert. Eine Einführung. Tübingen: Narr und Francke, 2008 (narr studienbücher).

Dieter Kühn: Ich Wolkenstein. Eine Biographie. Frankfurt am Main: Insel, 1977.

Werner Marold: Kommentar zu den Liedern Oswalds von Wolkenstein, bearb. und hrsg. von Alan Robertshaw. Insbruck: Inst. für Germanistik, 1995 (Insbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft: Germanistische Reihe 52).

Metzler Lexikon Literatur. Begriffe und Definitionen. Begr. von Günther und Irmgard Schweikle. Hrsg. von Dieter Burgdorf, Christoph Fasbender und Burkhard Moennighoff. 3., völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart und Weimar: Metzler, 2007.

Karin Müller: Minne- und Ehethematik in Oswalds Liedern. In: Oswald von Wolkenstein. Literarische Tradition, Variation und Interpretation anhand ausgewählter Lieder. Hrsg. von Jürgen Rauter. Rom 2009, S. 161-194.

Oswald von Wolkenstein. Leben – Werk – Rezeption. Hrsg. von Ulrich Müller und Margarete Springeth. Berlin und New York: de Gruyter, 2011.

Gerdt Rohrbach: Studien zur Erforschung des mittelhochdeutschen Tageliedes. Ein sozialgeschichtlicher Beitrag. Göppingen: Kümmerle, 1986 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 462).

Günther Schweikle: Minnesang. 2., korr. Aufl. Stuttgart und Weimar, 1995 (Sammlung Metzler 244).

Johannes Spicker: Oswald von Wolkenstein. Die Lieder. Berlin: E. Schmidt, 2007 (Klassiker-Lektüren 10).

 

Über deutschelieder
“Deutsche Lieder” ist eine Online-Anthologie von Liedtextinterpretationen. Liedtexte sind die heute wohl meistrezipierte Form von Lyrik, aber zugleich eine in der Literaturwissenschaft vergleichsweise wenig beachtete. Die Gründe für dieses Missverhältnis reichen von Vorurteilen gegenüber vermeintlich nicht interpretationsbedürftiger Popkultur über grundsätzliche Bedenken, einen Songtext isoliert von der Musik zu untersuchen, die Schwierigkeit, eine editorischen Ansprüchen genügende Textfassung zu erstellen, bis zur Problematik, dass, anders als bei Gedichten, bislang kaum ein Korpus von Texten gebildet worden ist, deren Interpretation interessant erscheint. Solchen Einwänden und Schwierigkeiten soll auf diesem Blog praktisch begegnet werden: indem erprobt wird, was Interpretationen von Songtexten leisten können, ob sie auch ohne Einbeziehung der Musik möglich sind oder wie eine solche Einbeziehung stattfinden kann, indem Textfassungen zur Verfügung gestellt werden und im Laufe des Projekts ein Textkorpus entsteht, wenn viele verschiedene Beiträgerinnen und Beiträger ihnen interessant erscheinende Texte vorstellen. Ziel dieses Blogs ist es nicht nur, auf Songtexte als möglichen Forschungsgegenstand aufmerksam zu machen und exemplarisch Zugangsweisen zu erproben, sondern auch das umfangreiche Wissen von Fans zugänglich zu machen, das bislang häufig gar nicht oder nur in Fanforenbeiträgen publiziert wird und damit für die Forschungscommunity ebenso wie für eine breite Öffentlichkeit kaum auffindbar ist. Entsprechend sind nicht nur (angehende) Literaturwissenschaftler/-innen, sondern auch Fans, Sammler/-innen und alle anderen Interessierten eingeladen, Beiträge einzusenden. Dabei muss es sich nicht um Interpretationen im engeren Sinne handeln, willkommen sind beispielsweise ebenso Beiträge zur Rezeptions- oder Entstehungsgeschichte eines Songs. Denn gerade die Verschiedenheit der Beiträge kann den Reiz einer solchen Anthologie ausmachen. Bei den Interpretationen kann es schon angesichts ihrer relativen Kürze nicht darum gehen, einen Text ‘erschöpfend’ auszuinterpretieren; jede vorgestellte Lesart stellt nur einen möglichen Zugang zu einem Text dar und kann zur Weiterentwicklung der skizzierten Überlegungen ebenso anregen wie zum Widerspruch oder zu Ergänzungen. Entsprechend soll dieses Blog nicht zuletzt ein Ort sein, an dem über Liedtexte diskutiert wird – deshalb freuen wir uns über Kommentare ebenso wie über neue Beiträge.

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