Das einst drittbekannteste Lied der Welt: „O, du schöner Westerwald“

Münker/Böhmer/Scharthauer

O, du schöner Westerwald

I.
Heute wollen wir marschier'n
einen neuen Marsch probier'n
In den schönen Westerwald,
ja da pfeift der Wind so kalt.
In den schönen Westerwald,
ja da pfeift der Wind so kalt.

O du schöner Westerwald,
über deine Höhen pfeift der Wind so kalt,
jedoch der kleinste Sonnenschein
dringt tief in's Herz hinein.

II.
Und die Gretel und der Hans
geh'n des Sonntags gern zum Tanz,
weil das Tanzen Freude macht
und das Herz im Leibe lacht
weil das Tanzen Freude macht
und das Herz im Leibe lacht.

O du schöner Westerwald [...]

III.
Ist das Tanzen dann vorbei,
gibt es meist Keilerei
und dem Bursch', den das nicht freut,
sagt man nach, der hat kein Schneid.
Und dem Bursch', den das nicht freut,
sagt man nach, der hat kein Schneid.

O du schöner Westerwald [...]

Wer kennt es nicht, das Westerwaldlied? Radio Luxemburg ließ sogar verlauten, dass es das „drittbekannteste Lied der Welt“ sei (zitiert nach Der Spiegel). Denn das Lied bereitet beim Singen große Freude, der Text prägt sich leicht ein und im Laufe der Zeit wurden beim Singen Pfiffe und/oder verballhornende Zwischenrufe eingefügt, die zur Beliebtheit des Liedes beitrugen. Darüber eignet sich der Marschcharakter der Melodie hervorragend, Schritte einer Gruppe beim Wandern oder Marschieren zu koordinieren. Wer aber kennt die vierte Strophe, die zwar auf einigen „Lyrics“-Websites zu finden ist, aber in kein Liederbuch aufgenommen wurde und über deren Herkunft nichts bekannt ist?

O du schöner Westerwald
Bist ja weit und breit bekannt
Echte Menschen der Natur
Von Falschheit keine Spur.

Entstehung

„Der RAD (Reichsarbeitsdienst) hat dem Westerwald zwei Volkslieder geschenkt“, so betitelte der Heimatforscher und Liedersammler Otto Runkel (1873 bis 1946), der Hauptlehrer und „Volksliedwart“ in Dierdorf (Vorderer Westerwald) war, einen Beitrag im Nassauischen Heimatkalender 1941 und meinte das Westerwaldlied und Ich bin der Bub vom Westerwald*. Volksliedforscher bzw. Musikethnologen und Heimatforscher sind sich einig, dass der Text in einem Lager des Freiwilligen Arbeitsdienstes (FAD) entstanden ist, der bei Emmerzhausen (Hoher Westerwald, Kreis Altenkirchen) auf dem Stegskopfgelände Meliorations- und Drainagearbeiten durchführte. Der FAD – zur Erinnerung an den Schulunterricht – war aufgrund einer Notverordnung von Juni 1931 ein Dienst für arbeitslose Jugendliche und Erwachsene, der ausschließlich für gemeinnützige Arbeiten eingesetzt wurde – nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten überwiegend für militärisch nutzbare Bauarbeiten. Er war der Vorläufer des 1935 gegründeten Reichsarbeitsdienstes (RAD), mit dem eine sechsmonatige Dienstpflicht für junge Männer eingeführt wurde (vgl. Wikipedia).

Über die Entstehung des Westerwaldliedes sollen Aufzeichnungen des damaligen Gemeindebaumeisters (und späteren Bauamtsleiters) Willi Münker (1896 bis 1961) aus Daaden (Landkreis Altenkirchen) vorliegen, der im Lager des Arbeitsdienstes die Bauaufsicht hatte. Das Original oder ein Faksimile befinden sich jedoch derzeit weder im Landeshauptarchiv Rheinland-Pfalz noch im Heimatmuseum Daaden; angeblich befindet es sich in Privathand. Artikeln zweier Heimatforscher ist zu entnehmen, dass sich Willi Münker, der Lagerleiter Böhmer und der Sportlehrer Scharthauer im November 1932 in einer Holzbaracke des Freiwilligen Arbeitsdienstes (FAD) auf dem Stegskopfgelände (bei Daaden) vor Feierabend zusammen gefunden hatten, weil ein Unwetter das Weiterarbeiten unmöglich machte. Und weil sie gerade nichts Besseres zu tun hatten (nach anderen Versionen „spontan“ oder „aus Langeweile“), dichteten sie auf die Melodie eines altes Westerwaldliedes die drei Verse und den Refrain, wobei jeder seinen Teil zum Text beitrug.**

Wahrscheinlich haben die drei genannten Verfasser die Verszeilen aus Bruchstücken älterer Lieder zusammengesetzt, z. B. aus dem alten Kinderlied Heute wollen wir marschieren und im Gehen uns probieren aus der Mitte des 19. Jahrhundert, das sie in der Schule aus einem der von 1904 bis 1929 zahlreich erschienenen Schul- oder Liederbüchern gelernt hatten. Oder sie kannten das alte Lied Westerwald, meine goldne Heimat, in dem in der ersten Strophe die Zeilen vorkommen „Dunkle Tannen ragen zum Himmel, / auf den Höhen weht pfeifender Wind“ und „Meine Heimat ist schön und mir teuer, / ist auch grausig herb und kalt.“

Die Melodie ist gemäß dem Germanisten und Volksliedfachmann Heinz Rölleke „im 19. Jahrhundert entstanden“.*** Auch der Volkskundler und Liedforscher Otto Holzapfel weist daraufhin, dass in den Gebrauchsliederbüchern „für die Melodie zumeist Volksweise angegeben wird“. Dagegen nennt die Mehrheit der im Hubertus Schendel Archiv vorhandenen Liederbücher – sofern eine Angabe vorhanden ist – Josef Neuhäuser als Komponisten, und auch das Deutsche Musikarchiv, Leipzig, weist auf seinen Tonträgern ihn als Komponisten aus. Josef Neuhäuser (1890 bis 1949), zu der Zeit in Limburg wohnend, war Komponist von Blas- und Marschmusiken. „1934 fragte ein Limburger Musikhaus bei ihm an“, so nachzulesen in der Veröffentlichung des Archivkreises Brechen****, „ob er ein altes im Westerwald viel gesungenes Lied in einen Marsch umsetzen könne und schickte ihm, nachdem er zugesagt hatte, eine junge Westerwälderin, die ihm das Lied vorsang, das zuvor noch nie aufgezeichnet war“. Diese Version wird von seinem Sohn, Walter Neuhäuser (geb. 1926), als Ohrenzeuge des Vorsingens, bestätigt.

1935 komponierte Josef Neuhäuser den später weltbekannt gewordenen Westerwaldmarsch, in dem er im Trio das im FAD entstandene Westerwaldlied verarbeitete. Nachdem Neuhäuser den Marsch zunächst im Selbstverlag herausbrachte, bot er ihn dem renommierten Musikverlag B. Schott’s Söhne, Mainz, an. Der Schott-Verlag kaufte ihm den Marsch für 165 Reichsmark ab und erhielt 1937 von der STAGMA, der Staatlich genehmigten Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte (Vorläuferin der GEMA), das Copyright.

Westerwald_I

Westerwald_II

Analyse

Das Lied beginnt mit der Aufforderung „marschier‘n“ und „einen neuen Marsch [zu] probier’n“, wobei sich die drei Arbeitsmänner einbezogen haben: „wir wollen“. In einer Gruppe gesungen, stärkt das Wir sicherlich das Gemeinschaftsgefühl. Den ersten Zeilen ist zu entnehmen, dass bereits im freiwilligen Arbeitsdienst ganz im paramilitärischen Stil marschiert wurde. Später im Reichsarbeitsdienst gehörte Marschieren, den Spaten wie ein Gewehr geschultert, zum täglichen Dienstprogramm.

Im Refrain wird zunächst ein Lob ausgesprochen – „O, du schöner Westerwald“ -, dann aber bedauert, dass der „Wind so kalt“ pfeift, was nicht verwundert: es war ein Novembertag, als das Lied entstand. Immerhin wird diese Aussage relativiert, nicht im ganzen Westerwald, sondern (nur) „über deinen Höhen“ (schließlich entstand das Lied auf dem Stegskopfgelände, 654,4 m über N.N., im Hohen Westerwald). Das Ganze wird verbunden mit der Hoffnung auf ein bisschen Sonne: „jedoch der kleinste Sonnenschein / dringt tief ins Herz hinein“. Diese Zeilen muten angesichts der zackigen Einleitung geradezu romantisch an.

Und tatsächlich gibt es im 19. Jahrhundert eine große Anzahl von Gedichten, in denen die Topoi Sonnenschein und Herz verwandt werden, z. B. O Sonnenschein von Robert Reinicke (1805 bis 1852) mit den Anfangszeilen „O Sonnenschein, o Sonnenschein, / wie scheinst du in mein Herz hinein“ und Der goldene Sonnenschein von Ernst August Scherenberg (1839 bis 1905) mit den Zeilen „Es schleicht sich auch in’s ärmste Herz / ein Strahl des Lichts hinein / liegt leuchtend über aller Welt / der goldne Sonnenschein.“

In der Zweiten Strophe stehen „die Gretel und der Hans“ exemplarisch für ein Paar, das „des Sonntags gern zum Tanz“ geht, wie in einem alten Kirmeslied aus Hachenburg (Sitz des Landschaftsmuseums Westerwald), in dem es heißt:

Hat der Hans auch graue Haare,
und ist Gretel alt wie’er,
Kommt die Kirmes dann im Jahre,
Geben sie dem Tag die Ehr‘.
Einen Walzer voller Zier
Tanzt der Hans alsdann mit ihr,
Tra la lalala, Tra la lalala.

Die dritte Strophe bezieht sich darauf, dass auch die Arbeitsmänner gern zum Tanzen gingen, sei es auf der Kirmes oder beim Schützenfest. Geht man von den Aufzeichnungen Willi Münkers aus, dann haben die Arbeitsmänner auf einem Dorffest in der Nähe ihres Lagers mit einheimischen Mädchen und Frauen getanzt und die Erfahrung gemacht, dass die männlichen Dörfler eifersüchtig wurden. Nach einem Streit sei es dann zu einer Keilerei gekommen, der die FAD’ler nicht aus dem Wege gingen, da sie sonst als feige gegolten hätten („der hat keinen Schneid“).

Wettbewerb und andere Lieder

Mit aufkommendem Tourismus befürchteten viele Westerwälder Gemeinden, der Refrain des Westerwaldliedes könne potentielle Touristen abschrecken. Daher wurde von der Stadt Montabaur im Jahre 1975 ein Wettbewerb für ein neues Lied ausgeschrieben. Dieses Lied sollte ein Loblied auf die Landschaft sein. Da von 1.300 Einsendungen kein Lied den Anforderungen an Text und Melodie genügte, wurde das Preisgeld von 10.000 DM aufgeteilt. Erstaunlich, dass der Wettbewerb für nötig gehalten wurde – vielleicht geschah er auch aus Marketinggründen -, gibt es doch eine Anzahl Westerwaldlieder, die geradezu wie eine Liebeserklärung klingen. Hier eine Auswahl:

– „Heil dir, schöner Westerwald, / dich soll mein Land besingen, / dass weit und breit dein Lob erschallt, / dass Berg und Täler klingen“ (1870)

– „O Westerwald, o Heimatflur, wo unberührt noch die Natur“ (1925)

– „Mein Herz, das ist im Westerwald, / ich liebe seine dunklen Tannen.“ (1927)

– Laßt uns fröhlich wandern im schönen Westerwald“ (1969)

Andererseits gibt es aber auch ein Lied (vermutlich aus dem Jahre 1925), getextet von Georg Ortmüller (1896 bis 1946), der von 1920 bis 1946 Lehrer in Mudenbach (Oberwesterwaldkreis) war, das in der ersten Strophe das raue Wetter in höheren Lagen des Westerwaldes bestätigt, aber insgesamt die Liebe zum Westerwald deutlich werden lässt:

Dunkle Tannen ragen zum Himmel,
auf den Höhen ein pfeifender Wind.
Und ich ziehe durch lachende Fluren.
Ich bin ein Westerwälder Kind.
Meine Heimat ist schön mir schön und teuer,
ist auch grausig, herb und kalt,
doch im Herzen brennt heiliges Feuer
für die Heimat im Westerwald.

In dem vom Liedermacher und Komponisten Ulrik Remy (geb. 1949), der einige Jahre in Hachenburg (Westerwaldkreis) gelebt hat, verfassten Lied Ich bin aus‘m Westerwald wird das auf die Westerwälder angewandte Schimpfwort „Basaltköppe“ in der 7. Strophe widerlegt, und in der 8. Strophe werden die zeitweise rauen Wetterbedingungen akzeptiert:

Es gibt Leute, die behaupten, wir da hinter’m Wald,
wären ungehobelt und wir hätten Köpfe aus Basalt.
Doch wir haben warme Herzen, schicke Mode lässt uns kalt.
Wir sind aus’m Westerwald.
Und wir haben nichts dagegen, wenn der Wind mal weht
wenn er grade ist und sich nicht alle Augenblicke dreht.
Wer uns Westerwälder kennt, ich bin sicher, der versteht.
Ich bin aus’m Westerwald.

Rezeption bis 1945

Verbreitet durch die Arbeitsmänner des FAD/RAD wurde das Westerwaldlied bald in ganz Deutschland populär. Ein von Robert Zündorf (1896 bis 1943, Komponist, Lehrer und Schriftsteller aus Hagen) komponierter Marsch O, du schönes Sauerland, verarbeitet wie Neuhäuser ein Lied, dessen Melodie mit dem Westerwaldlied sehr große Ähnlichkeit aufweist. Zündorfs Sauerlandmarsch blieb allerdings trotz einiger Schellackplatten auf die besungene Region beschränkt.

Dagegen stieg die Popularität des von Josef Neuhäuser komponierten Westerwaldmarsches weiter an, besonders nachdem der Marsch häufig vom Großdeutschen Rundfunk ausgestrahlt wurde und mehr als 20 Schellackplatten mit dem Titel Westerwaldlied, Westerwald-Marsch oder O, du schöner Westerwald erschienen. Von Grammophon über Odeon und Polydor bis Telefunken u.v.a. – fast alle Schallplattenverlage wollten am finanziellen Erfolg des Liedes teilhaben.

Und sicherlich trugen auch die im Schott Verlag erschienenen Liederbücher und Partituren zur weiterhin wachsenden Beliebtheit bei, wie das Liederbuch der Wehrmacht (bereits 1939 in der 4. Auflage), Das neue Soldatenliederbuch, Heft 1 (1940) und die Notenausgaben für Klavier Unsere Soldatenlieder und für Akkordeon Alles in einem. Auch NS-Verlage verlegten weitere, hauptsächlich für Soldaten gedachte, Liederbücher mit dem Lied. Immerhin erschien das Lied 1941 auch in Das Liederbuch für den deutschen Wanderer und in Die Drehorgel – Liederbuch für fröhliche Kreise.

Eine Variante erschien als Lied der baltischen Freiheitskämpfer im Liederbuch des RAD Singend wollen wir marschieren mit folgenden Zeilen:

Heute wollen wir marschier‘n
weit in Feindesland hinein
und die Fahne, die wir führen
soll uns unsre Heimat sein.

Westerwald_III

Rezeption ab 1945

Nach dem Zweiten Weltkrieg galten Westerwaldlied und -marsch als belastet durch das NS-Regime. Daher waren die westdeutschen Musikverlage (die ostdeutschen eh) etliche Jahre zurückhaltend mit dem Verlegen des Marsches. Doch es dauerte nur etwas mehr als ein Jahrzehnt, da griff die Bundeswehr nach ihrer Gründung 1955 das Trio des Westerwaldmarsches, bekannt unter der Bezeichnung „Westerwaldlied” auf, als wenn das Lied nicht durch die deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg „verbrannt“ worden wäre, die mit dem Lied auf den Lippen im Mai 1940  in Holland, Belgien und Luxemburg einmarschiert waren.

Immerhin heißt es 1958 und auch noch in der zweiten Auflage von 1991 im Liederbuch der Bundeswehr Kameraden singt!: „Dieses Lied ist das wohl bekannteste Lied der ehemaligen deutschen Wehrmacht […] Es sollte daher immer besonders sorgsam abgewogen werden, ob und wo dieses Lied durch Angehörige der Bundeswehr gesungen wird“. Dagegen heißt es 1976 im Liederbuch der Bundeswehr Hell klingen unsere Lieder in abgemilderter Form: „Trotz seiner vorzüglichen Eignung für den Marschgesang der Truppe sollte es nur als wichtiges Lied in der Entwicklung des deutschen Soldatenlieds angesehen werden“.

Bald kamen LPs und CDs auf den Markt. Zu den ersten LPs mit dem Westerwaldlied gehörten 1962 und 1964 die Aufnahmen des Heeresmusikkorps der Bundeswehr, 1965 die Stimmungslieder mit dem Gesang von Willy Millowitsch und 1968 Heino mit seiner ersten LP Heino (bis 1984 sechs weitere LPs und 1985 bis 2013 acht CDs mit dem Lied). Und natürlich kamen weitere Aufnahmen von Bundeswehr-Musikgruppen heraus, von den Musikkorps der jeweiligen Teilstreitkräfte und diversen Soldatenchören. Vom Norden (Marinechor Blaue Jungs 1979) bis zum Süden (Tölzer Knabenchor, 1979), vom berühmten Montanara Chor bis hin zu regionalen Chören wie den Westerwälder Nachtigallen und sogar in Österreich (von den Kremser Buam) wurde der Westerwald besungen. Das Deutsche Musikarchiv weist in seinem Katalog insgesamt 75 Tonträger und 34 Notenausgaben aus.

Und nachdem auch die westdeutschen Rundfunkanstalten ihren Teil dazu beigetragen hatten, das Lied wieder „salonfähig“ zu machen, nahmen wieder große Verlage es ebenfalls in ihre Liederbücher auf, so z. B. Heyne mit dem Taschenbuch Die schönsten deutschen Volkslieder (1977), der Weltbild Verlag mit Deutsche Heimatlieder (1985), Deutscher Liederschatz (Band 1, 1988) und Das Volksliederbuch (1995), Kiepenheuer & Witsch mit Das große Buch der Volkslieder (1993, das später von der Bertelsmann Buchgemeinschaft übernommen wurde) und Das Beste in Kooperation mit dem ADAC mit Die schönsten deutschen Volkslieder (2004), um nur die umsatzstärksten Liedersammlungen zu nennen. Hingegen wurde es in die vom CVJM (Christlicher Verein junger Menschen) herausgegebene Mundorgel (mit der höchsten deutschen Auflage für ein Textliederbuch von 10 Millionen, und 4 Millionen Notenausgabe) bewusst nicht aufgenommen.

Das Westerwaldlied wurde auch gesungen in publikumsträchtigen Filmen wie 08/15 (1954/55; hier wurde die Pause nach „pfeift der Wind so kalt“ gefüllt mit dem Ruf „Eukalyptusbonbon“), Steiner – Das Eiserne Kreuz (1977, hier „Prima Damenschlüpfer“) und Das Boot (1981, nur Refrain, mit oder ohne Ruf?).

Wie populär das Lied und der Marsch heute noch sind, vor allem bei Veteranen und Soldaten der Bundeswehr und – betrachtet man die Titelbilder – bei jungen und alten Ewiggestrigen im In- und Ausland, zeigen mehrere tausend Videos bei Youtube (darunter allerdings viele mehrfach hochgeladene). Eine antimilitaristische Parodie boten 1988 die Dresdner Rapper Three M-Men.

Georg Nagel, Hamburg

* Auf den Spuren der musikalischen Volkskultur im Westerwald, bearbeitet von Dr. Manfrid Ehrenwerth u.a., München 2008, S. 412

** Quellen: Ulrich Meyer, Vorsitzender des Arbeitskreises Heimatgeschichte Daadener Land und Marc Rosenkranz, Mitglied, vgl. www.skiverein-stegskopf-emmerzhausen.de und     www.emmerzhausen-westerwald.de.

*** H.R.: Das große Buch der Volkslieder, Köln, 1993, S. 286

**** www.gemeinde-brechen.de unter Archiv, Prominente Persönlichkeiten: Josef Neuhäuser.

 

 

Über deutschelieder
“Deutsche Lieder” ist eine Online-Anthologie von Liedtextinterpretationen. Liedtexte sind die heute wohl meistrezipierte Form von Lyrik, aber zugleich eine in der Literaturwissenschaft vergleichsweise wenig beachtete. Die Gründe für dieses Missverhältnis reichen von Vorurteilen gegenüber vermeintlich nicht interpretationsbedürftiger Popkultur über grundsätzliche Bedenken, einen Songtext isoliert von der Musik zu untersuchen, die Schwierigkeit, eine editorischen Ansprüchen genügende Textfassung zu erstellen, bis zur Problematik, dass, anders als bei Gedichten, bislang kaum ein Korpus von Texten gebildet worden ist, deren Interpretation interessant erscheint. Solchen Einwänden und Schwierigkeiten soll auf diesem Blog praktisch begegnet werden: indem erprobt wird, was Interpretationen von Songtexten leisten können, ob sie auch ohne Einbeziehung der Musik möglich sind oder wie eine solche Einbeziehung stattfinden kann, indem Textfassungen zur Verfügung gestellt werden und im Laufe des Projekts ein Textkorpus entsteht, wenn viele verschiedene Beiträgerinnen und Beiträger ihnen interessant erscheinende Texte vorstellen. Ziel dieses Blogs ist es nicht nur, auf Songtexte als möglichen Forschungsgegenstand aufmerksam zu machen und exemplarisch Zugangsweisen zu erproben, sondern auch das umfangreiche Wissen von Fans zugänglich zu machen, das bislang häufig gar nicht oder nur in Fanforenbeiträgen publiziert wird und damit für die Forschungscommunity ebenso wie für eine breite Öffentlichkeit kaum auffindbar ist. Entsprechend sind nicht nur (angehende) Literaturwissenschaftler/-innen, sondern auch Fans, Sammler/-innen und alle anderen Interessierten eingeladen, Beiträge einzusenden. Dabei muss es sich nicht um Interpretationen im engeren Sinne handeln, willkommen sind beispielsweise ebenso Beiträge zur Rezeptions- oder Entstehungsgeschichte eines Songs. Denn gerade die Verschiedenheit der Beiträge kann den Reiz einer solchen Anthologie ausmachen. Bei den Interpretationen kann es schon angesichts ihrer relativen Kürze nicht darum gehen, einen Text ‘erschöpfend’ auszuinterpretieren; jede vorgestellte Lesart stellt nur einen möglichen Zugang zu einem Text dar und kann zur Weiterentwicklung der skizzierten Überlegungen ebenso anregen wie zum Widerspruch oder zu Ergänzungen. Entsprechend soll dieses Blog nicht zuletzt ein Ort sein, an dem über Liedtexte diskutiert wird – deshalb freuen wir uns über Kommentare ebenso wie über neue Beiträge.

12 Responses to Das einst drittbekannteste Lied der Welt: „O, du schöner Westerwald“

  1. Gisela Doi says:

    Jeden Montag lese ich Ihre Liederanalyse samt Fankommentaren. Ich bin sehr beeindruckt darueber und habe auch schon das eine oder andere Lied im Deutschunterricht vorgestellt.
    Das Westerwaldlied werde ich nicht vorstellen. Aus dem einfachen Grund, es ist zu sehr mit der Nazizeit verbunden. (In der Grundschule hatten wir es noch gesungen. Bin froh, dass es nun andere Lieder fuer die jungen Menschen gibt.) In diesen Zeiten brauchen wir andere Lieder, die den Frieden und den Zusammenhalt der Voelker staerker hervorheben. Trotzdem ist Ihnen die Darstellung des Westerwaldliedes gelungen. Ich koennte mir vorstellen, das Lied im Rahmen der Nazizeit zu besprechen.
    Jedenfalls freue ich mich schon wieder auf den naechsten Montag.
    Vielen Dank.

    • slartibartfast says:

      Das Westerwaldlied ist in den Augen des Auslandes zu recht, stark NS-belastet. Ich kann mich erinnern,das ein Oberstufenjahrgang an meiner ehemaligen Schule, während einer Klassenreise in London ziemlichen Ärger mit den Einheimischen bekam,als einige Schüler im Bus dieses Lied zum besten gaben, Das geschah Anfang der neunziger Jahre. Die böse Erinnerung an dieses Marschlied der Wehrmacht bleibt.

      • Georg Nagel says:

        Das ist eine interessante Information. Anfang der 90’er Jahre erregte das Lied unliebsames Aufsehen in London. Im Freundes- und Bekanntenkreis kannte kaum jemand das Lied. Wissen Sie , woher die Schüler das Lied so gut kannten, dass sie es singen konnten: Oder kannten sie nur den Refrain?.
        Sorry, falls Sie zunächst einen Kommentar zu Gisela Dois Zuschrift erhalten haben.

      • Hans Bückler says:

        Aus aktuellem Anlass hier gelandet, bin ich erstaunt, trotz eingehender Analyse des Autors der Seite von einer Verbindung zwischen „Nazis“ und Lied zu lesen.

        Im Übrigen darf bezweifelt werden, daß „ein Oberstufenjahrgang an meiner ehemaligen Schule, während einer Klassenreise in London ziemlichen Ärger mit den Einheimischen bekam,als einige Schüler im Bus dieses Lied zum besten gaben“ so stattgefunden hat. Woher sollten wohl Engländer dieses Lied kennen, nachdem kein Wehrmachtsoldat jemals in England in freier Wildbahn gesichtet wurde.

        Es ist ein einfaches, eingängiges Lied mit ebensolcher Melodie und erfreut sich deshalb guter Beliebtheitswerte, auch außerhalb des Westerwalds.

        Wenn wir jedes Wort, das einmal ein Nazi benutzt hat, ausmerzen wollten, müssten wir schon die deutsche Sprache abschaffen.

        Wenn man das heutige Niveau deutscher Schulen betrachtet, sind wir auf diesem Weg schon ziemlich fortgeschritten.

        Schade eigentlich, aber wir neigen halt dazu das Kind auszuschütten, notfalls auch ohne das Bad.

    • Georg Nagel says:

      Danke für die Anerkennung. Ja, das Lied im Rahmen der Nazizeit zu besprechen, ist sicherlich ein guter Weg, den Schülern, von denen ja einige das Lied bei der Bundeswehr kennenlernen werden, die Rezeptionsgeschichte kritisch nahe zu bringen. G.N.

  2. slartibartfast says:

    Ich freue mich jeden Montag Ihre Liederanalyse zu lesen, aber leider habe ich nur zu wenigen Liedern eine persönliche Erinnerung. Wenn mich mein Gedächtnis nach fast einem Vierteljahrhundert nicht trügt,erzählte einer meiner Lehrer, während der Vorbereitung für unsere Klassenreise nach Irland, von diesem Erlebnis eines anderen Lehrers meiner damaligen Schule.
    Ich nehme mal an,das die Schüler im Bus nur den bekannten Refrain sangen,was wohl schon ausreichte,um die Einheimischen zu empören.
    Der erwähnte Film „Steiner- das eiserne Kreuz“ war damals sicher bekannter als heute, selbst einer meiner Mitschüler hatte ihn in seiner Videosammlung.

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  5. Detlef Tredup says:

    Ohne Frage war es tadelnswert, takt- und instinktlos, dass die bierseligen JU-Landeier ausgerechnet am Gedenktag der Progromnacht meinten, die Öffentlichkeit mit deutschem Marschgesang beschallen zu müssen.
    Die nachgerade amtlich verordnete Verdammung des Westerwald-Liedes hingegen scheint mir Ergebnis einer zunehmend
    bemerkbaren „Korrektheits“-Hysterie zu sein: Ich kann im Liedtext nicht den geringsten Anflug völkisch-aggressiven Ungeistes
    entdecken.
    Wenn man zum Maßstab nehmen wollte, ob ein Lied zur Nazizeit in staatsnahen Organisationen gern gesungen wurde, müsste auch „Stille Nacht“ aus dem öffentlich genehmen Liedgut verbannt werden. Hat doch sogar die Goebbelsche weihnachtliche Propaganda-Ringsendung „von allen Fronten“ das Lied erschallen lassen, da es offenbar in der gesamten Wehrmacht bekannt
    und beliebt war.

    • Michael Roth says:

      Sehr richtig. Wir Westerwälder lieben das Lied, das unsere Heimat schön beschreibt!
      Hui Wäller – allemol!

      • Georg Nagel says:

        Herr Roth, dass Sie das Lied und viele andere Westerwälder als Heimatlied lieben, sei ihnen unbenommen.

        Herrn Bückler sei – mit einem Jahr Verspätung – gesagt, dass die Bundeswehr das Westerwaldlied vor etwa 2 Jahren aus ihrem Liederkanon gestrichen hat.

        Von Angehörigen der „Military Brotherhood“ einer Arbeitsgemeinschaft des Reservistenverbandes der Bundeswehr jedoch wurde es z.T. von Soldaten in Uniform vor kurzem auf dem Kurfürstendamm in Berlin gesungen.

        Georg Nagel

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