Rheinische Freundschaftshymne, nicht nur für den Karneval: „Echte Fründe“ von den Höhnern
11. Februar 2013 3 Kommentare
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De Höhner Echte Fründe Echte Fründe ston zesamme, (1) ston zesamme su wie eine Jott un Pott Echte Fründe ston zesamme, eß och ding Jlöck op Jöck un läuf dir fott. Fründe, Fründe, Fründe en der Nut, (5) jon´er hundert, hundert op e Lut. Echte Fründe ston zesamme, zu wie ene Jott un Pott. Do häß Jlöck, Erfolg un küß zo Jeld. Dich kennt he op eimol Jott un alle Welt. (10) Minsche, die dich vörher nit jekannt kummen us de Löcher anjerannt, un sin janz plötzlich all met dir verwandt. Echte Fründe ston zesamme ston zesamme su wie eine Jott tun Pott (15) Echte Fründe ston zesamme eß och ding Jlöck op Jöck un läuf dir fott Fründe, Fründe, Fründe en der Nut jon´er hundert, hundert op e Lut Echte Fründe ston zesamme, (20) su wie ene Jott un Pott. Do häß Pech, et jeit dr Birsch erav, Verjesse eß all dat wat do bisher jeschaff. Minsche, die dich vörher jot jekannt jevven dir noch nit ens mih de Hand. (25) Jetz sühs do, wä met Rääch sich Fründ jenannt. Echte Fründe ston zesamme ston zesamme su wie eine Jott un Pott Echte Fründe ston zesamme eß och ding Jlöck op Jöck un läuf dir fott (30) Fründe, Fründe, Fründe en der Nut jon´er hundert, hundert op e Lut Echte Fründe ston zesamme, su wie ene Jott un Pott. [De Höhner: FC Leed/Echte Fründe. Odeaon 1986. Textquelle: Kölsch Wörterbuch; in Zeile vier habe ich es mir erlaubt, auf den Rat eines Dialektologen hin aus „dih“ ein „ding“ zu machen, außerdem waren einige offensichtliche Druckfehler zu korrigieren.]
Vorbemerkung:
Für jemanden, der im oberrheinischen Fastnachtsgeschehen sozialisiert wurde, ist es naturgemäß nicht ganz einfach in kölsche Karnevalsgefilde vorzudringen. Dazu braucht es Neugier, Mut und eine Portion Gottvertrauen, dass die native jecks aushelfen, wenn es wo an sprachlicher oder mentaler Kompetenz hapert. Ansonsten gibt es glücklicherweise das Rheinische Wörterbuch, neuerdings sogar in digitalisierter Form, um einige Verständnisprobleme schon mal vorab zu lösen.
Nachdem ich im letzten Jahr zum Rosenmontag an dieser Stelle Ernst Negers Humba Täterä kommentiert habe, scheint es mir nun nur ein Gebot der Fairness, das Liedgut einer anderen deutschen Narrenhochburg zum Thema zu machen. So leicht mir die Entscheidung für den genannten Mainzer Titel gefallen war, so schwer fiel mir die Auswahl in diesem Falle – eigentlich verdankt sie sich nur einer Reihe belangloser Zufälle. Mindestens 10 weitere Titel hätten sich für mich ebenso angeboten. Am Ende sind es die Echten Fründe der Höhner nur deshalb geworden, weil man darüber bei einer schnellen Recherche so wenig Greifbares erfährt und mein Beitrag die Chance bietet, verstreutes Wissen zusammenzutragen. In diesem Sinne bitte ich (speziell die Kölner, gewissermaßen von Domstadt zu Domstadt) ausdrücklich, von der Kommentarfunktion in diesem Blog regen Gebrauch zu machen.
Dann endlich zur Sache: Alaaf!
Vielleicht ist das „Alaaf!“ schon ganz falsch. In der Tat habe ich nicht herauskriegen können, ob Echte Fründe ursprünglich überhaupt für eine Karnevalskampagne produziert worden ist. Immerhin bin ich im Netz auf das Angebot einer Vinyl-Single des Labels „Odeon“ gestoßen, die am 1. Januar 1986 auf den Markt gekommen ist und die auf ihrer B-Seite unsere Freundschaftshymne aufweist. Damit wären wir immerhin in der ,fünften Jahreszeit‘ und hätten ein gewisses Indiz für einen Karnevalsschlager. Aber möglicherweise gab es den Titel ja schon wesentlich früher. Auf der A-Seite findet man übrigens einen anderen Schlager, dessen Karnevalsbezug allenfalls indirekt herzustellen ist: FC Leed (FC Kölle); „indirekt“ wäre so zu interpretieren, dass – zumindest aus süddeutscher Perspektive – beim 1. FC Geißbock permanent Karneval angesagt ist, närrisches Treiben sozusagen zur Identität des Clubs gehört. Wie auch immer: Beide Titel der Single sind für Kölner sicher ebenso gut im Fußball- wie im Karnevalskontext verwendbar.
Ob Echte Fründe nun von Anfang an als Karnevalsschlager intendiert war oder nicht – der Titel hat inzwischen seinen festen Platz im deutschen Karneval gefunden, weit über Köln hinaus. Für seine Qualität spricht m.E. auch der Umstand, dass sich heute gar nicht mehr ohne intensivere Rechercheanstrengung feststellen lässt, ob das Lied sich aus der Narrenszene den Weg ins allgemeine ,Volksgut‘ gebahnt hat oder ob es – umgekehrt – vom Fußball-Fangesang bzw. allgemeinen Stimmungslied auch zu einem beliebten Karnevalslied geworden ist. Übergänge dieser Art sind übrigens für viele großen Karnevalshits typisch. (Vgl. auch hier meine letztjährigen Ausführungen zum Humba.)
Die Kölner Band „Höhner“ wurde schon 1972 gegründet; damals nannte sie sich noch „Ne Höhnerhoff“, trat in Federkostümen auf, gackerte auf der Bühne und begeisterte ihre Fans mit Karnevalsliedern wie Scheiß ejal, ob do Hohn bess oder Hahn (1974). (Vermutlich hätte ich hier sogar diesen Titel besprochen, wenn mir eine ordentliche Textversion davon zugänglich gewesen wäre. Ja, das war ein Wink mit dem Zaunpfahl an die Höhner-Fans!) 1986, zum derzeit mutmaßlichen Produktionsdatum von Echte Fründe, hatte sich das Personal der inzwischen zu Ruhm gekommenen Band schon ebenso verändert wie ihr Name, der damals „De Höhner“ lautete. (Im folgenden Jahr strich man dann noch das „De“; vgl. dazu ausführlicher den einschlägigen Wiki-Artikel. http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6hner)
Im Großen und Ganzen ist der Sinn des Liedes klar, auch wenn man kein Sprecher kölscher Mundart ist. Drei Refrainstrophen preisen den Wert „echter“ Freunde, die auch dann noch zu einem stehen, wenn man in Not ist und sie wirklich braucht. Dazwischen eingelagert finden sich zwei – kontrastiv angelegte – Textstrophen, die das Verhalten ,falscher‘ Freunde in Glück und Leid schildern; wenn es einem gutgeht, kommen diese Zeitgenossen zu Hauf aus ihren Löchern gekrochen. Genauso schnell verdrücken Sie sich aber, wenn sich unser Glück davonmacht und uns das Pech an den Händen klebt. So wenige Verständnisprobleme die Struktur des Textes und seine zentrale Botschaft aufwerfen, so schwierig lesen sich für Dialektfremde manche Begriffe, Formulierungen und Bildvorstellungen. Ein Blick in Fan-Foren zeigt, dass hier durchaus Aufklärungsbedarf besteht.
Gleich in Zeile 2 findet sich die Vergleichsformel „wie eine Jott un Pott“; dass damit etwas Analoges zur hochdeutschen Redewendung von „Pech und Schwefel“ gemeint ist, steht außer Frage. Die Formel „Jott un Pott“ ist im Rheinischen Wörterbuch belegt, also im kölschen Dialekt schon lange gebräuchlich. Leider erklärt das Lexikon nicht den Sinn der Bildvorstellung, die sich mir nicht erschließen konnte, bis mir ein Bekannter vom Niederrhein folgende Erklärung gab: „Jott un Pott“ verkürzt als lautlich eingängig-knackige Formel eine Vorstellung, die man umständlicher so umschreiben könnte, dass eng verbundene Menschen gemeinsam zum selben Gott beteten und zusammen aus einem Topf äßen. Ein anderer Mundartexperte, den ich hinzugezogen habe, bezweifelt indes diese Hypothese und meint, dass „Jott“ nicht unbedingt „Gott“ bedeuten müsse, sondern irgendein Küchenutensil (Deckel, Schöpfkelle oder etwas in dieser Art) bezeichnen könne, das viel besser zu „Pott“ passe als ausgerechnet „Gott“. Er wird dieser Sache noch nachgehen …
Zeile 4 stellt mit „Jlöck op Jöck“ schon das nächste Verständnisproblem, das aber sofort verschwindet, wenn man sich „Jöck“ als „Reise“ oder „Wanderschaft“ übersetzen kann. Geht einem sein Lebensglück auf Reisen, dann steht man von allen guten Geistern verlassen da und ist in Not („Nut“). Nun wäre man auf gute Freunde angewiesen, macht dabei aber nur allzu oft die Erfahrung, dass derer in dieser Situation ,hundert auf ein Lot gehen‘. Der Text formuliert in Zeile 6 „jon’er hundert, hundert op e Lut“. „Jon’er“ ist eine Verkürzung von „gehen ihrer“; um die hohe Zahl zu betonen, wiederholt sie der Sänger, indem er noch einmal zu seinem Gedankengang ansetzt. Ein Lot ist eine sehr kleine alte Gewichtseinheit, wir erinnern uns vielleicht an den Mus-Kauf des tapferen Schneiderleins … Nun wird also gesagt, dass von den ,Freunden in der Not hundert aufs Lot gehen‘. Wir können uns diese etwas paradoxe Formulierung, die auch im Sprichwortschatz geläufig und dem Lied vorgängig ist, vielleicht so erklären, dass die „Masse“ der Freunde, die einem in der Not bleiben, so minimal ist, dass man sie leicht mit einer großen Zahl multiplizieren kann, ohne dass am Ende ein nennenswertes Gewicht herauskommt. Ins Alltagsdeutsch übersetzt: echte Freunde, auf die man sich auch in der Not verlassen kann, sind sehr, sehr selten (und insofern auch entsprechend kostbar).
Damit sollten die wesentlichen Verständnisprobleme, die der Dialekt aufwirft, geklärt sein; „et jeit dr Birsch erav“ (es geht den Berg hinab), „nit ens mih“ (nicht einmal mehr), „sühs do“ (siehst du) oder „met Rääch“ (mit Recht) sind allenfalls noch kleinere Herausforderungen.
Nachbemerkung: ein Paradox
Ich schließe mit einer Beobachtung und einer Überlegung zur Performanz (vgl. Austins Sprechakttheorie) dieses Liedes. Bei mehreren Anlässen – sowohl karnevalistischer als auch anderer Art – hatte ich Gelegenheit, Menschenmassen dabei zu beobachten, wie sie dieses Lied mit einiger Ergriffenheit gemeinsam sangen. Sie bekannten sich damit, so deute ich mir jedenfalls diese Situationen, gemeinsam zu dem hohen Wert echter Freundschaft und fühlten sich beim ,gemeinsamen Vollzug‘ dieses inbrünstig zelebrierten Bekenntnisses auch untereinander durchaus in ,echter Freundschaft‘ verbunden. Ich möchte aber unterstellen, dass bei solchen Gelegenheit die Reflexion darauf, dass man sich bei den entsprechenden Anlässen in Situationen eines ausgesprochen ,guten Lebens‘ (vgl. Hans-Peter Ecker [Hg.]: Orte des guten Lebens. Würzburg 2007) befand, in denen sich, wenigstens dem Lied der Höhner zufolge, „echte Fründe“ gerade nicht erweisen können, weitgehend ausgespart bleibt.
Hans-Peter Ecker, Bamberg
PS. Auf Echte Freunde von KrawallBrüder gehe ich hier nicht mehr ein, da deren Lied einer anderen Argumentationslinie folgt.
Echte Fründe ist eine Huldigung an die echte, wahre und tiefe Freundschaft zwischen Menschen. Friedrich Schiller schrieb einst über das tiefe Gefühl und Verbundenheit einer Freundschaft: »Wem der grosse Wurf gelungen, Eines Freundes Freund zu sein, Wer ein holdes Weib errungen, Mische seine Jubel ein!«
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,,Scheißejal, op de Hohn bes oder Hahn“ ist von Blom un Blömcher und nicht von den Höhnern.