Gleiche Unterhosen sind in der Liebe nicht alles: „Tarzan ist tot“ von Funny van Dannen
20. August 2012 2 Kommentare
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Funny van Dannen Tarzan ist tot Tarzan ist tot, Jesus fragt Jane: „Tarzan ist tot, willst Du mit mir gehen?“ Jane sagt: „Na ja, das musst Du verstehen, du bist nicht wie er.“ Aber Jesus liebt Jane. Jesus liebt Jane, Jesus liebt Jane, aber Jane will nicht mit ihm gehen. Ich liebe Dich, und das ist kein Problem, denn Du liebst mich, aber Jesus liebt Jane. Jesus sagt: „Ich kann über Wasser gehen.“ „Na ja“, sagt Jane, „das will ich sehen.“ Er geht übers Wasser, er glaubt sich am Ziel. Da sagt Jane: „Fang mir ein Krokodil!“ Jesus hat Angst, sein Penis wird klein. Er schaut sich um und fragt: „Muss das sein?“ „Wenn Du mich liebtest“, sagt Jane vorwurfsvoll, „dann hättest Du jetzt nicht den Lendenschurz voll.“ Jesus sagt: „Komm, was bedeutet das schon? Immer nur kämpfen ist zu monoton. Warum denn unschuldige Tiere quälen? Ich kann Dir ein schönes Gleichnis erzählen.“ „Aehh, Geschichten!“ ruft Jane, „Da schlaf ich gleich ein. Ein bisschen Action muss schon sein. Hol was zu essen! Schieß ein paar Giraffen!“ Jesus sagt „Nein, ich hasse Waffen!“ Jane sagt: „Du siehst, es hat keinen Zweck. Du bist ein Feigling. Los, geh weg!“ Jesus weint, er ruft seine Kumpane. Jane ruft Cheetah und greift die Liane. Tarzan und Jesus gehör’n zu den Großen. Sie hatten die gleichen Unterhosen. Im Grunde waren sie freundlich und friedlich, aber sonst waren sie unterschiedlich. Tarzan ist tot, Jesus fragt Jane: „Tarzan ist tot, willst Du mit mir gehen?“ Jane sagt: „Na ja, das musst Du verstehen, Du bist nicht wie er.“ Aber Jesus liebt Jane. Jesus liebt Jane, Jesus liebt Jane, aber sie will nicht mit ihm gehen. Ich liebe Dich, und das ist kein Problem, denn Du liebst mich. Aber Jesus liebt Jane. [Funny van Dannen: Basics. Trikont 1996. Text mit kleinen Eingriffen in die Zeichensetzung und Groß-/Kleinschreibung nach http://www.funny-van-dannen.de/tabs/basics/16_tarz.pdf.]
Was mir Funny van Dannen (eigentlich Franz-Josef Hagmanns-Dajka, deutscher Liedermacher niederländischer Herkunft, geb. 1958 in Tüddern) so sympathisch macht, ist weniger eine faszinierende Gesangsstimme noch ein virtuoses Gitarrenspiel. Genau genommen verfügt er weder über dieses noch jenes Talent. In ähnlicher Weise könnte man nun systematisch noch weitere Faktoren ausschließen, womit Musikstars ihre Fans gemeinhin für sich einzunehmen pflegen: geschmeidige Bewegungen, hässliche Tatoos, mörderische Frisuren, attraktive Backgroundsängerinnen oder was auch immer sonst. Am Ende ist klar: Es muss an seinen Texten liegen, präziser: an deren freundlicher Zuwendung zu den Menschen auf der Schattenseite des Lebens, zu den vielen kleinen (fallweise durchaus auch einmal großen) Leuten, die einfach nur Pech haben, zu den Loosern eben. Wenn ich beispielsweise nach langer Wanderung mein Ziel im Zustand des Ruhetages vorfinde, tröstet mich Funny mit Versen, deren Evidenz sich jedem sofort erschließt: „Schade, Scheiße, und vielleicht fatal / Schade, Scheiße – aber normal!“ (Zu finden unter Schade – Scheiße auf der CD Groooveman. Trikont 2002.)
Die universale Anwendbarkeit dieses Mantras, das die Parias der Fortuna umgehend resozialisiert, alle narzisstisch Gekränkten sofort wieder mit dem Universum versöhnt, deutet darauf hin, dass Funny ein großer Philosoph ist. Wer sich zu einem tieferen Verständnis des Schade, Scheiße-Prinzips durchgearbeitet hat, kann mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nicht mehr ernsthaft hadern, dass sie schon seit gefühlten Äonen keinen Titel mehr gewonnen hat. Ein Xavier Naidoo könnte sich, Funnys Kernsatz beherzigend, einfach achselzuckend damit abfinden, dass ihm nur unsäglich verkitschte Texte aus der Feder fließen, Angela Merkel dürfte besser mit der Euro-Krise klarkommen und Karl Theodor etc. von und zu Guttenberg mit dem jähen Ende seiner politischen Karriere.
Der Geist des Schade-Scheiße-Weltgesetzes durchströmt schon vor seiner Ausbuchstabierung im Jahre 2002 frühere Songs dieses Liedermachers, u.a. Tarzan ist tot, worum es im Folgenden vorrangig gehen soll. Tarzan ist tot erzählt von einer unglücklichen Liebe. Funny präsentiert uns die bekannte klassische Dreieckskonstellation tragischer Beziehungskisten, allerdings mit einer interessanten Variante, scheint hier durch den Tod eines der Protagonisten doch ein Happy End für den bislang zu kurz Gekommenen unversehens vorstellbar – zumindest diesem selber. Er fühlt sich dem verstorbenen Rivalen adäquat, teilt er doch dessen modischen Geschmack und verfügt auch sonst über beachtliche Fähigkeiten. Z.B. beherrscht er die Künste, übers Wasser zu wandeln und schöne Gleichnisse zu erzählen.
Was ihn in seiner Selbstwahrnehmung zum erotischen Nachfolger des Verstorbenen zu qualifizieren scheint, genügt unglücklicherweise der begehrten Frau nicht. Sie scheint immer noch auf jene Qualitäten ihres Ex-Lovers fixiert zu sein, die der neue Bewerber weder erfüllen kann noch will: So steht Jane beispielsweise auf „Action“ und Machismo. Offensichtlich ist sie auch keine Vegetarierin. Schade, Scheiße. Damit konnte Jesus nicht rechnen, zumal er ansonsten bei Frauen eher gut ankam, wie wir aus kulturhistorischen Quellen wissen.
Interessant ist bei diesem Song des weiteren die abgeklärte Haltung der Erzählinstanz, die wir der Einfachheit halber hinfort „Funny“ nennen wollen. Funny ist – genreuntypisch – emotional nicht engagiert, da er selber in einer glücklichen Beziehung aufgehoben ist: „ Ich liebe Dich, und das ist kein Problem, / denn Du liebst mich.“ Selbst über einen ausgeglichenen Seelenhaushalt verfügend, kann er sich folglich neutral, quasi mit ,interesselosem Wohlgefallen’ einer tragischen Erfahrung vieler Menschen zuwenden, die hier gleichnishaft (!) in der Konstellation Tarzan-Jane-Jesus vorgestellt und erörtert wird. Funny würdigt beide männlichen Protagonisten in ihrer jeweiligen Eigenart („Tarzan und Jesus gehören zu den Großen.“) und denkt auch nicht im Traum daran, Janes Entscheidung zu kritisieren. Wenn sie Jesus erklärt „Du bist nicht wie er“, stimmt er ihr im Prinzip zu: „Im Grunde waren sie [Tarzan und Jesus] freundlich und friedlich, / aber sonst waren sie unterschiedlich.“ Ein großes „Aber“ bleibt allerdings stehen, als ,Riss durch die Welt’ und ist nicht wegzudiskutieren; der letzte Satz des Liedes lautet folgerichtig „Aber Jesus liebt Jane.“
Dass bei der Hörerschaft dennoch keine allzu schlechten Gefühle zurückbleiben, liegt einerseits daran, dass diese einmal mehr auf das mächtige Trostprinzip des „Schade, Scheiße, und vielleicht fatal / Schade, Scheiße – aber normal!“ zurückgreifen kann; und außerdem hat Funny sie wissen lassen, dass Jesus zu seinen Kumpeln und Jane zu Cheetah (Kind-Ersatz?) und Liane (Phallus-Ersatz?) regredieren wird. So lässt es sich auf alle Fälle weiterleben. Vielleicht nicht einmal schlecht.
Hans-Peter Ecker (Bamberg)
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