Teufel, Geld und Biosprit – Kollektivsymbolik der Krise in Hubert von Goiserns „Brenna tuat‘s guat“
2. Januar 2012 1 Kommentar
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Hubert von Goisern Brenna tuat‘s guat wo is da platz wo da teufel seine kinda kriagt des is da platz wo all's z'samm rennt wo is des feuer hey wo geht 'n grad a blitz nieder wo is 'n da der stadl wo de hütt'n de brennt hab'n ma pech oder an lauf fall'n ma um oder auf samma dünn oder dick hab'n an reim oder glück teil ma aus, schenka ma ein toan ma uns abi oder g'frein war'n ma christ hätt ma gwisst wo da teufel baut in mist jeder woass, dass a geld nit auf da wiesen wachst und essen kann ma's a nit aber brenna tat's guat aber hoazen toan ma woazen und de ruabn und den kukuruz wann ma lang so weiter hoazen brennt da huat wo is des geld des was überall fehlt ja hat denn koana an genierer wieso kemman allweil de viara de liagn, de die wahrheit verbieg'n und wanns nit kriagn was woll'n dann wird's g'stohln, de falotten soll der teufel hol'n da is da platz wo da teufel seine kinda kriagt wo all's z'sammrennt und da geht a in oana tour a blitz nieder und de hütt'n brennt grad in den moment jeder woass, dass a geld nit auf da wiesen wachst und essen kann ma's a nit aber brenna tat's guat aber hoazen toan ma woazen und de ruabn und den kukuruz wann ma lang so weiter hoazen brennt da huat [Hubert von Goisern: EntwederUndOder. Blankomusik 2011. Text zitiert nach: http://www.hubertvongoisern.com/entwederundoder/liedtexte.html]
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Der Österreicher Hubert von Goisern hat mit seinem Lied Brenna tuat’s guat, der ersten Auskopplung aus seinem aktuellen Album EntwederUndOder, einen musikalisch-gesellschaftskritischen Kommentar zum aktuellen Weltgeschehen geliefert. Das Lied wurde als Krisensong apostrophiert und führte fünf Wochen hindurch in den Österreichischen Charts.
Im Folgenden möchte ich den Song aus interdiskursanalytischer Sicht (Jürgen Link) beleuchten: Kurz zusammengefasst geht die Interdiskurstheorie davon aus, dass moderne Gesellschaften infolge zunehmender Wissensteilung das in Spezialsektoren zerfallende Wissen reintegrieren müssen. Dies geschieht etwa in Literatur, Film, Massenmedien oder aber auch in Liedtexten. Um spezialdiskursive Komplexität allgemeinverständlich zu „übersetzen“, stehen unterschiedliche Verfahren zur Auswahl: Neben der Narrativisierung, der Verwendung von Schemata (Gut vs. Böse) usw., sind es vor allem Kollektivsymbole, die Wissen anschlussfähig machen. Durch metaphorische Begriffe wie „Bankenrettungsschirm“, „Finanzblase“ oder „Schuldenbremse“ werden hochkomplexe Sachverhalte auch im Alltag verhandelbar. Dies kann an Goiserns Krisensong besonders anschaulich dargestellt werden.
Metaphernkomplexe lassen sich jeweils nach ihrem Bild- und ihrem Bedeutungsbereich analysieren. Was den Bildbereich betrifft, so durchziehen drei Isotopien, also bedeutungstragende Strukturen mit iterativ auftretenden Elementen, den Text:
Eine erste zusammenhängende semantische Struktur stellt die volkstümliche Teufel-Motivik (gemeinsam mit zwei episodischen und rudimentär zitierten Erzählungen: Brand des Stadls durch Blitzschlag, Geburt der Kinder des Teufels) dar. Eine zweite Struktur entsteht durch das brennende Geld, das im Refrain explizit angesprochen wird. Ein dritter Symbolkomplex wird durch das Verbrennen von Lebensmitteln, ebenfalls im Refrain, angesprochen. Unschwer lassen sich, nicht zuletzt durch die Stellungnahmen des Musikers selbst, den Bildelementen Bedeutungsebenen (im Sinne der barocken Emblematik werden diese auch als subscriptio-Elemente bezeichnet) zuordnen: Die Metapher vom gut brennenden Geld steht für die ökonomischen Verluste infolge der Bank- und Finanzkrise seit 2008, das Verbrennen von Lebensmitteln für die Diskussion um Biotreibstoffe.
Als kombinationsfähig erweisen sich die Isotopien durch die Feuer-Motivik: Sowohl das Verbrennen des Biosprits („aber hoazen toan ma woazen / und de ruabn und den kukuruz“), die Erwähnung eines Sagenbestandes („in oana tour a blitz nieder / und de hütt’n brennt“) als auch die umgangssprachliche Formulierung vom Verheizen des Geldes („aber brenna tuat’s guat“) lassen sich dadurch zu einem expandierenden Symbolkomplex integrieren. All diese kollektivsymbolischen Krisensymptome werden aggregiert in der Phrase „brennt da huat“. Der „Stadl“ wird gleichsam zum Stellvertreter des Globalen („und de hütt’n brennt / grad in den moment“).
Das Kollektivsymbolsystem ist darüber hinaus auch erweiterbar: Die Feuer-Metaphorik erweist sich als an die elementar-literarische Darstellung der Klimaerwärmung ebenso anschlussfähig wie an die Vorstellung der Hölle oder des Fegefeuers. Auch das sich in heiße Luft bzw. in Asche auflösende Geld schließt metaphorisch an die Realfiktion eines im Grunde nur durch das Vertrauen seiner Benutzer besicherten Papiergeldes an.
Die diskursive Elaboriertheit des Finanzmarktgeschehens und seine Zusammenhänge werden im Lied selbst thematisiert: „wo is da platz / wo da teufel seine kinda kriagt […] / wo is des feuer / hey wo geht ’n grad a blitz nieder / wo is ’n da der stadl / wo de hütt’n de brennt“. Von den beiden volkstümlichen Sagen gerahmt, wird die Finanzkrise durch ein mythisierendes Äquivalenzdenken gefasst, das eben danach fragt, wo der Platz des durch Blitzschlag brennenden Stadls oder der, an dem der Teufel Kinder bekommt, sich verbirgt. Das Abstrakte des finanzmarktgetriebenen Kapitalismus soll in volkstümlichen Sagen seine Konkretisierung erfahren.
Mit der Kritik an fehlender christlicher Moral wird, entsprechend der elementardiskursiven Integration von Wissen, nicht nur ein bestimmter Wertekonservativismus im Lied fassbar („war’n ma christ hätt ma gwisst / wo da teufel baut in mist“), sondern auch eine leicht verständliche Krisenerklärung geboten: Die Wirtschaftskrise ist keine systemische, sondern eine moralische („wo is des geld / des was überall fehlt / ja hat denn koana an genierer / wieso kemman allweil de viara / de liagn, de die wahrheit verbieg’n / und wanns nit kriagn / was woll’n / dann wird’s g’stohln“). Die Nebensächlichkeit anderer indikativischer Eigenschaften und Zustände („hab’n ma pech oder an lauf fall’n ma um oder auf“) wird der Konjunktiv der einzig wirklich wichtigen Eigenschaft („war’n ma christ hätt ma gwisst“) gegenübergestellt. Auf die eingangs gestellte Frage, wo denn der Platz des Teufels sei, folgt dementsprechend auch die erwartbare Antwort: Dort, wo wegen des Geldes gelogen und bestohlen wird („Da is da platz / wo da teufel seine / kinda kriagt / wo all’s z’sammrennt / und da geht a / in oana tour a blitz nieder / und de hütt’n brennt / grad in den moment“).
Die Mythologisierung der Finanzkrise und ihre Reformulierung im Modus des Interdiskursiv-Verständlichen sollte freilich auch hinterfragt werden: Christliches Wirtschaftsethos hätte die Krise ebensowenig verhindert wie die Erklärung der Krise als moralisches Fehlgehen ausreichend ist. Das kreative Potenzial der interdiskursiven Verfahren liegt darin, Spezialdiskurse in neue und unerwartete Kollektivsymbolsysteme zu übertragen und diese zu überraschend neuen und innovativen Komplexen miteinander zu verbinden. Blickt man auf die Rezeption des Songs, so ist dies Hubert von Goisern zweifelsohne gelungen.
Alexander Preisinger, Wien
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